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auch in der Größe und der Gestaltung des Leipziger Völkerschlachtdenkmals fand.

      Seither sind nun wiederum nahezu einhundert Jahre ins Land gezogen und haben ihre Spuren hinterlassen. Sie waren beileibe nicht so friedlich für unser Land, wie das den napoleonischen Kriegen folgende Jahrhundert. Zwei Weltkriege, während derer wiederum Deutsche gegen Franzosen kämpfen mussten, sorgten nach zweifacher Niederlage Deutschlands sowie millionenfachem Tod und entsetzlicher Zerstörung endlich für die Einsicht, dass militärische Gewalt als Mittel der Politik nicht mehr handhabbar ist und ein Wandel der Beziehungen zwischen Franzosen und Deutschen sich als erreichbar und zum Wohle beider Völker endlich auch als realisierbar erwies.

      Die in diesem kleinen Buch niedergelegten, bis weit in Einzelheiten der damaligen Zeit und damaligen Lebens gehenden Berichte über Begebenheiten und Ereignisse in unserer Stadt während der »Franzosenzeit« waren mir eine gute Hilfe und Unterstützung bei der Arbeit an meinem im Jahre 2003 bei der Engelsdorfer Verlagsgesellschaft erschienenem Buch »Sachsen und Franzosen«. Und es scheint, dass der Verfasser des kleinen Werkes, vielleicht in seinen jungen Jahren, selbst noch mit einigen Augenzeugen der Ereignisse zwischen 1806 und 1813 sprechen konnte … Infolgedessen haben alle seine Schilderungen eine hohe Authentizität, war er doch in der beneidenswert glücklichen Lage, Informationen und Berichte »aus erster Hand« umzusetzen und verarbeiten zu können.

      Im Herbst vergangenen Jahres, am 18. Oktober, wird es 200 Jahre her sein, dass unser Leipzig mit dem Einzug französischer Truppen eine Zeitenwende erlebte. Zum Glück für die Stadt und ihre Bewohner erfolgte sie ohne Kampf und Blutvergießen.

      Die sich über ganz Europa ausbreitenden, gewaltigen Erschütterungen der Französischen Revolution erreichten im Jahre 1806 auch das schläfrig dahindämmernde Kurfürstentum Sachsen und die alte Handelsstadt Leipzig. An der Seite Preußens hatte sich Sachsen in einen leichtfertig provozierten Krieg gegen Napoleon hinein ziehen lassen, dessen Aussichtslosigkeit nicht zu übertreffen war – dieser Krieg war bereits vor seinem Beginn entschieden. In der Doppelschlacht von Jena und Auerstedt, gleich zu Beginn der Auseinandersetzungen bereitete Napoleon dem verbündeten sächsisch-preußischen Heer am 14. Oktober eine entsetzliche, vernichtende Niederlage. Nur einige wenige der an diesem Tage Geschlagenen waren überhaupt in der Lage zu begreifen, dass sie in diesem Kampf auf einen Gegner gestoßen waren, dem sie schon aus objektiven Gründen nicht gewachsen sein konnten.

      Diese Niederlage hatte ihre Ursache nicht allein im militärischen Können des Großen Korsen und seiner Soldaten, sowie auch in der nur noch Mitleid erregenden Unfähigkeit der Führung des sächsisch-preußischen Heeres … Nein, hier prallte ein feudales, aus gepressten Söldnern bestehendes Heer auf die hoch motivierte, bestens ausgebildete und nach neuesten Prinzipien aufgebaute und geführte Wehrpflichtigenarmee eines modernen bürgerlichen Staates. Damit waren Verlauf und Resultat der Kämpfe bereits vor ihrem Beginn festgelegt.

      Zum Glück für Leipzig und seine Bewohner ist es nach dem Desaster von Jena und Auerstedt während der nun folgenden Besetzung Sachsens und Preußens durch Truppen Napoleons zu keinen weiteren Kämpfen gekommen. Bereits vier Tage nach dem Debakel rückten französische Truppen unter Marschall Davoust kampflos in Leipzig ein und erlegten der Stadt zunächst ein Besatzungsregime auf. Schon wenige Wochen darauf, im Dezember kam es zu einem Friedensschluss zwischen Frankreich und Sachsen. Den Napoleon so verhassten Preußen wurde dabei endgültig der letzte Verbündete genommen. Für die wenigen Monate bis zum Friedensschluss von Tilsit im Sommer des folgenden Jahres stand Preußen auf sich allein gestellt gegen einen Gegner, dem es weder militärisch noch politisch gewachsen war.

      In Preußen freilich führte der katastrophale Verlauf des Krieges von 1806/​07 zu einer langsamen und widerwilligen, trotzdem aber nachhaltigen Umwälzung seiner Staats- und auch Militärdoktrin, wodurch es nur sieben Jahre später befähigt wurde, Napoleon mit Erfolg die Stirn zu bieten.

      Sachsen hingegen wandelte sich mit überraschender Schnelligkeit vom Gegner Napoleons zu seinem Verbündeten und sah sich plötzlich von seinen vormaligen Feinden zu gemeinsamen Vorgehen gegen den bisherigen Waffengefährten genötigt. Nur wenige Wochen nach dem Friedensschluss von Posen mussten in der Schlacht von Eylau sächsische Soldaten unter französischen Oberbefehl gegen preußische Truppen kämpfen – so schnell und so grundlegend können sich Situationen in einem Krieg wandeln … Und nur wenige Jahre darauf zeigte sich zum wiederholten Male, dass es Sachsen, wie schon oft in seiner Geschichte wieder einmal gelungen war, bei der Wahl von Freunden und Verbündeten, einen eklatanten und folgenschweren Missgriff getan zu haben … Sächsische Soldaten zogen fortan im Gefolge Napoleons in alle seine nun noch folgenden Kriege und bluteten für des Kaisers Herrlichkeit auf den Schlachtfeldern von Essling und Wagram in Oesterreich bis nach Borodino im fernen Russland. Und im letzten Jahre seiner Herrschaft über Europa mussten sie sich sogar auf heimatlichen Boden in Sachsen für Interessen schlagen, die nicht ihre eigenen waren.

      Erst in der letzten Phase der Völkerschlacht um Leipzig brachte wenigstens ein Teil von ihnen den Mut und die Courage auf, dieses für Sachsen so unheilvolle Bündnis gegen den Willen der eigenen Regierung wenigstens für sich selbst aufzukündigen!

      Leipzig zählte bereits zur Zeit der napoleonischen Kriege zu den bedeutendsten Städten Mitteleuropas, am Schnittpunkte zweier bis weit in die Geschichte zurückreichenden transeuropäischen Handelsstraßen liegend, hatte es sich seit dem späten Mittelalter zu einer Messestadt von internationalem Range entwickelt und beherrschte einen guten Teil des damaligen innereuropäischen Handels. Mehrmals im Jahre traf in ihren Mauern die damalige Welt zusammen. Die Stadt Leipzig war stets bürgerlich progressiv geprägt. Hier wurde gehandelt, studiert und geforscht, gedichtet und gedruckt, musiziert und nicht zuletzt komponiert. Die Landesherren saßen stets genügend weitab in Dresden und sie hatten wohl auch immer so viel Vernunft und Einsicht, Leipzig den entsprechenden Freiraum zu einer eigenständigen wirtschaftlichen Entwicklung zu gewähren – was sich in Gestalt reichlicher Einnahmen nicht nur für sie selbst, sondern auch für die Stadt recht vorteilhaft auswirkte. Einen größeren Territorialfürsten, der in egoistischem Sinne Einfluss auf die Stadt und ihre Entwicklung nehmen konnte gab es in der Leipziger Gegend auch nicht und so konnte deren Fortbestand zu einem reichen und für die damaligen Zeiten sehr modernen Gemeinwesen einigermaßen geradlinig und ungestört erfolgen.

      Dabei war Leipzig jedoch, gemessen an heutigen Maßstäben eine eher kleine Stadt. Ihr Territorium erstreckte sich auf nur einen Bruchteil ihrer nunmehrigen Ausdehnung und beschränkte sich auf die Fläche der jetzigen Altstadt innerhalb des Promenadenringes und einiger bebauter Gebiete im Bereich der vier großen Stadtzufahrten.

      Die Industrien und Verkehrsverbindungen, welche die Stadt und ihr Umfeld heute prägen, waren noch nicht oder bestenfalls in einigen kleinen Ansätzen vorhanden. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts waren sogar erhebliche Teile der noch aus dem Mittelalter stammenden Stadtbefestigungen erhalten, erwiesen sich aber nun mehr und mehr als Hindernis für den sich bereits abzeichnenden weiteren Aufschwung der Stadt und ihre Expansion in die sie umgebende Ebene hinein. Eine ganze Reihe sie umgebender Dörfer, nun schon seit langem Stadtteile Leipzigs, lagen noch zwischen Feldern und Gärten, Wasserläufen und Waldstücken in einiger Entfernung vor ihren Mauern. Die Zahl ihrer Einwohner beschränkte sich auf heute recht bescheiden anmutende 30 bis 35.000 Menschen, einschließlich der Bewohnerschaft aller Vorstädte. Erst während der im 19. Jahrhundert einsetzenden Industrialisierung expandierte die Stadt Leipzig und ihr Gesicht veränderte sich wie noch nie in ihrer damals schon Jahrhunderte währenden Geschichte.

      Das vorliegende kleine Buch soll dazu beitragen, die Erinnerungen an das alte Leipzig, so wie es vor dem Einsetzen einer modernen Entwicklung existierte, wach zu halten.

       Originaltext:

      Wenn unser großer Goethe in gerechter Würdigung und Erinnerung an seine Studentenzeit den bekannten Ausspruch getan hat: »Mein Leipzig lob ich mir! Es ist ein klein Paris und bildet seine Leute!«, so beweist uns dieses Lob, daß Leipzig’s Ruf schon zu seiner Zeit ein recht bedeutender gewesen sein muß. Und diese gute Meinung über die alte Lindenstadt

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