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      Die Feldmütze keck aufs Haupt gedrückt, erschien ich in vollem Wichs unten in dem Wohnzimmer meiner Wirthsleute. Im Allgemeinen gefiel meine Erscheinung, im Besonderen aber tadelte Fräulein Minna die ungebührliche Brustweite meiner Ärmelweste. Ich hätte allerdings in dem leeren Raum, der „zwischen Brust und Tuchgewand“ verblieb ganz bequem ein Commisbrod fortschmuggeln können, aber ich tröstete mich nach Bauernweise mit dem „Towaß“; wie mit der Zeit der Kürbis eine leere Flasche, in die er im ersten Entwicklungsstadium hineingeleitet worden, völlig auszufüllen vermag, so hoffte ich auch mit der Zeit den leeren Raum meiner Ärmelweste zu überwinden. Die Wirthin pflichtete mir darin bei, keineswegs aber Fräulein Minna. Kurz entschlossen, ergriff sie ein Messer und schnitt im Nu sämmtliche Knöpfe von der Weste herunter. Bevor ich Zeit hatte, mich von dem Schrecken über diesen Vandalismus zu erholen, hatte Minna mit ihren zierlichen weißen Fingern schon ein Stück Kreide ergriffen und die neuen Stellen bezeichnet, wohin von Rechtswegen die Knöpfe gehörten. Hierauf mußte ich mich ohne Verzug des Monturstücks entledigen. Gar emsig ließ das junge Mädchen sodann die mit blauem Zwirn gefädelte Nadel durch das harte und steife Militairtuch gleiten und in kurzer Zeit war meine Ärmelweste in einen Zustand versetzt worden, der Menge und Zeit des „Zuwachses“ auf ein sehr geringes Maß herunterdrückte. Daß meine liebenswürdige Wirthstochter durch diese kühne und entschlossene That noch bedeutend in meiner Achtung stieg, bedarf wohl kaum der Erwähnung.

      Als der Abend herannahte, erschien auch die Wirthin in recht hübscher Kleidung, welche ihr Äußeres in vortheilhaftester Weise hob. Es schien mir auch fast, als ob ihr Gesicht wie durch Zauberhand einen jugendfrischen rosigen Schimmer bekommen habe, den ich zuvor nicht wahrgenommen hatte. Ich hatte aber nicht Zeit, über diese angenehme Veränderung Betrachtungen anzustellen. Fräulein Minna, deren Vielseitigkeit sich in immer günstigerem Lichte zeigte, hatte es nämlich unternommen, mich mit den Touren eines neumodischen Tanzes bekannt zu machen, zu diesem Zwecke faßte sie mich, der ich vom Tanzen ungefähr soviel verstand, wie die Krähe vom Sonntag, mehrmals recht fest um die Hüfte und wirbelte mit mir wie toll im Stübchen herum. Die doppelte Bahn, welche ich dabei zurücklegen mußte, indem ich mich nämlich zunächst um meine eigene Axe drehte und außerdem noch einen Kreis um den Mittelpunkt des Zimmers beschrieb, verursachte mir, wie ich bestimmt glaube, mehr Schwierigkeiten, wie Mutter Erde der Reigen, den sie alljährlich um die Sonne tanzt.

      Die Tanzstunde wurde unterbrochen durch die Vorbereitungen zur Abendmahlzeit. Es mußte der im Zimmer befindliche Klapptisch auf das Doppelte seiner Größe hergerichtet werden, wodurch der Kreis, den Fräulein Minna und ich bislang im Tanze beschrieben hatten, zu einer so schmalen Ellipse eingeengt wurde, daß eine Fortsetzung der Übungen höchst bedenklich erschien.

      Nach dem Abendessen holte die vielseitige Schöne ein Spiel Karten herbei und, wie vorhin im Tanzen, so wurde mir jetzt eine Lection im Sechsundsechzig ertheilt. Dieses Spiel war damals sehr beliebt, obschon es seiner Einfachheit halber keine Veranlassung bot, in der inbrünstigen und tiefgründigen Weise gepflegt zu werden, wie das edle nationale Dreimännerspiel der heutigen Zeit. Ich gab mir alle Mühe, mich auch im Kartenspiel als gelehriger Schüler zu erweisen, da ich aber mehr Aufmerksamkeit auf die Dame, welche mir gegenübersaß, als auf die Dame im Spiel verwandte, mehr auf das Spiel der blauen schelmischen Augen meiner Lehrmeisterin, als auf die Augen der Karten, die ich in der Hand hielt, sah, so waren meine Fortschritte nur gering. Wir legten daher die Karten bald fort und plauderten nun noch ein Stündchen von allerlei nichtssagenden Dingen. Die Mutter des jungen Mädchens wurde dabei leider sehr bald von Müdigkeit heimgesucht, ihre Hände, die mit einem Strickzeug beschäftigt waren, wurden immer lässiger in ihren Bewegungen und ab und zu ließ ein flüchtiges Einnicken sowie ein halbunterdrücktes Gähnen erkennen, daß die gute Frau im höchsten Grade der Ruhe bedürftig war. Ich hielt es daher für schicklich, mich zu empfehlen und den Damen ehrerbietigst „gute Nacht“ zu wünschen. Mit einem Stümpchen Talglicht in der Hand, welches Fräulein Minna angezündet und mir hergereicht hatte, stieg ich die schmale Stiege zu meinem Kämmerchen hinauf. Nachdem ich in dem dreieckigen Spiegelscherben die Umrisse meiner werthen, von der Ärmelweste umhüllten Persönlichkeit noch einmal bei Talglichtbeleuchtung wohlgefällig betrachtet hatte, legte ich mich mit dem angenehmen Bewußtsein ins Bett, daß ich alle Ursache habe, den ersten Tag, den ich im „bunten Rock“ verbrachte, als einen recht lehrreichen zu betrachten und daß ich somit auf den Verlauf dieses Tages mit voller Befriedigung zurückblicken könne.

      In der Nacht erwachte ich durch ein Geräusch. Es war mir, als ob aus dem Wohnzimmer die Stimmen von Männern sowie halblautes Trällern und Singen einer weiblichen Stimme, unterbrochen von Zeit zu Zeit durch Gelächter und Gläserklingen, heraufschallte. Ich schlief aber sehr bald wieder ein und als ich am anderen Morgen erwachte, war ich mir nicht völlig klar darüber, ob das Geräusch, was ich glaubte in der Nacht vernommen zu haben, Wirklichkeit gewesen sei, oder ob ich nur geträumt habe. Ich nahm mir vor, die Wirthin darüber zu befragen; gleichzeitig fiel mir ein, daß ich am Tage zuvor ganz versäumt hatte, mich nach dem „Herrn des Hauses“ zu erkundigen. Auch dies gedachte ich nachzuholen. Die Frau zeigte sich aber beim Kaffee sehr wortkarg, auch sah sie abgespannt und übernächtigt aus, so daß ich sie mit meinen Fragen nicht behelligen mochte. Fräulein Minna wurde gar nicht sichtbar. Sie litt, wie die Wirthin mir mittheilte, an heftigen Kopfschmerzen und war daher einstweilen noch nicht im Stande, aufstehen zu können.

      Ich wurde durch die betrübende Aussicht, daß ich die blaßwangige, blauäugige Schöne nicht mehr sehen sollte, etwas verstimmt, doch ermangelte ich nicht, der Mutter des jungen Mädchens in theilnahmsvollen Worten mein aufrichtiges Bedauern kundzugeben. Die Wirthin gab mir beim Aufbruch bis zur Hausthür das Geleit; sie lud mich mit freundlichen Worten ein, sie und ihre Tochter recht bald einmal wieder zu besuchen; ich würde, wie sie sagte, in ihrem Hause jeder Zeit eine gastliche Heimstätte finden. Selbstverständlich versprach ich mit Freuden, dieser gütigen Einladung später gerne Folge leisten zu wollen. Dies mit der größten Aufrichtigkeit gegebene Versprechen wurde aber dennoch niemals von mir erfüllt. Ich muß darauf verzichten, die Gründe welche mich rechtfertigen könnten, hin näher zu erörtern, selbst auf die Gefahr hin, daß ich bei einem Theil meiner Leser in den Verdacht arger Undankbarkeit gerathen könnte.

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