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Persephone. Matthias Falke
Читать онлайн.Название Persephone
Год выпуска 0
isbn 9783957771001
Автор произведения Matthias Falke
Жанр Научная фантастика
Издательство Автор
Die beiden duzten sich, weil sie das irgendwann vor über zweihundert Jahren – in Raumzeit gerechnet – einmal so angefangen hatten. Aber sie brachten es fertig, eine solche Schärfe in dieses Du zu legen, dass der kälteste und verächtlichste Kasernenhofton annehmlich dagegen geklungen hätte.
»Status«, sagte Wiszewsky in den Raum hinein.
»Einen Moment noch.« Schleuner fingerte auf seinem Display herum. »Wird gerade neu aufbereitet.«
Auf dem Hauptschirm erschien das Bild eines geodätischen Zeltes aus durchscheinendem Elastil. Es war vier Meter hoch, hatte einen Durchmesser von zehn Metern und befand sich im Inneren eines nicht allzugroßen, flachen Kraters.
Die Quarantänestation auf dem Asteroiden.
Die imaginäre Kamera, die eine Zusammenschaltung hunderter Einzelsensoren war, fuhr langsam auf das transparente Gebäude aus strapazierfähiger Folie zu und durchstieß sie scheinbar. Dann lag das Innere der Station vor den Betrachtern auf der Brücke der MARQUIS DE LAPLACE, die sich in angemessenem Sicherheitsabstand befanden. Selbst eine thermische Bombe hätte der Abschirmung des Schiffes auf diese Entfernung nur ein Kopfschütteln entlockt.
Aber es waren nur fünf kleinwüchsige Humanoide, die in einem erstaunlich regelmäßigen Kreis beieinander standen und ungerührt die Prozeduren der Wissenschaftler über sich ergehen ließen. Die Wesen war so groß wie zehnjährige Kinder. Sie trugen blaue Anzüge, die an Maokittel erinnerten. Ihr »Haar« war ein bürstenförmiger Antennenwald aus Kupferdraht. Ihre Augen glimmten im teilnahmslosen Rot opto-elektronischer Elemente.
Mehrere Spezialisten der Union waren in dem Zelt beschäftigt. Sie trugen weiße Schutzanzüge und Helme. Sie untersuchten die Wesen, wobei sie aktive und passive Scanner und Sensoren einsetzten. Direkte Berührungen versuchten sie auf ein Mindestmaß zu reduzieren, auf invasive Methoden hatten sie bislang ganz verzichtet.
»So, da wären wir«, sagte Schleuner. »Das aktuelle Update ist jetzt aufgesetzt.«
Er ließ noch einen konzentrierten Blick über seine Anzeigen kreisen und trat dann einen Schritt zurück, um die aufbereiteten Bilder zu kommentieren.
»Die ersten Aliens, die wir treffen, sind keine Aliens, sondern Bots«, sagte er im Ton eines Referats, das ein Sachverständiger vor seinem Bereichsleiter hielt. »Dass sie humanoid sind – zwei Arme, zwei Beine, aufrechter Körperbau, ein Kopf mit zwei Augen – ist erst einmal irgendwie – schade. Da hatten wir uns etwas Spektakuläreres erhofft. Ich denke, daran dürfen wir zweierlei Hoffnungen knüpfen: zum einen wird die Menschenähnlichkeit aller Voraussicht nach rapide gegen Null gehen, wenn wir erst einmal zur Autopsie eines dieser Gesellen fortschreiten, zum anderen wird sie sich, was das rein Anatomische betrifft, vermutlich erklären, wenn wir erst einmal ihrer Erbauer ansichtig geworden sind, die sich ja wohl früher oder später bei uns melden dürften.«
»Schleuner«, sagte Doina Gobaidin mit einem Anflug von Ungeduld in der Stimme, und nicht eben nur mit einem Anflug.
»Vizeadmiralin?«
»Ersparen Sie uns ihre persönlichen Erwartungen oder Enttäuschungen«, sagte die stellvertretende Kommandantin streng. »Bringen Sie uns einfach auf den neuesten Stand.«
»Wie Sie meinen.« Schleuner räusperte sich.
Alexander Wiszewsky, der etwas näher an den Schirm herangetreten war, ignorierte den Zwischenwurf, während die anderen Wissenschaftler und Brückenoffiziere amüsierte Blicke wechselten. Dass die Gobaidin, seit ihrer Zurücksetzung, auch im täglichen Umgang schwieriger geworden war, gereichte ihr nicht nur zum Vorteil. Sie büßte viel von dem Charme ein, den sie zuvor verströmt hatte, und verlor auch die Sympathien der Crew, die sie ironischerweise in Wiszewskys Arme trieb. In seiner Strategie, sich als väterlich über allen Nickligkeiten stehender Patriarch zu präsentieren, der die MARQUIS DE LAPLACE weniger kommandierte als regierte, sammelte der neue Oberbefehlshaber Pluspunkte, vor allem bei den jüngeren Besatzungsmitgliedern. Diesen, die die Causa Gobaidin nicht durchschauten und denen sie auch herzlich gleichgültig war, erschien er wie ein gütiger Duodezfürst, der die dreitausend Personen umfassende Gemeinde an Bord des riesigen Schiffes sicher und unaufgeregt anleitete.
»Fahren Sie fort«, sagte er jetzt nur, ohne seine Vize eines Blickes zu würdigen.
»Bis jetzt«, erklärte Schleuner, »haben wir also nur den Augenschein und alles, was sich mittels einfacher optischer und nichtoptischer Sensoren in Erfahrung bringen lässt.«
Er holte Luft. Wiszewsky nickte ihm aufmunternd zu.
»Die Bots, denn darum handelt es sich, kommunizieren auf einer Frequenz, die derjenigen unserer Lokalen Kommunikation nicht unähnlich ist. Es sind Engstrahlverbindungen von limitierter Reichweite. Die Signale sind mit einem zwanzigdimensionalen Code verschlüsselt. Unsere Leute arbeiten dran. Aber zumindest kurzfristig kann ich Ihnen hier nicht allzu viel versprechen.«
Während der letzten Sätze hatte er sich unwillkürlich an die Vizeadmiralin gewandt, aber diese wies ihm die linke Schulter und reagierte nicht. Die Arme vor der Brust verschränkt, sah sie regungslos zur Panoramafront hinaus.
»Wir haben jedoch folgendes«, fuhr Schleuner fort. Er machte einem seiner Assistenten ein Zeichen, der daraufhin an seinem eigenen Display einige Einstellungen änderte. Das Bild auf dem großen Schirm sprang um. Man sah nun nur noch eines der niedlichen Robotwesen in Großaufnahme. Die mattroten Augen glühten stumpf vor sich hin. Die Gesichtszüge der Maske aus einem noch nicht näher definierten Synthetmaterial waren starr. Von Nahem sah der Bot schon gar nicht mehr so menschenähnlich aus. Es waren wirklich nur optische Sensoren und vielleicht, wer konnte es sagen, Zeichengeber, keine »Augen«, was da in dem ausdruckslosen Gesicht saß. Keine Nase, keine Ohren, keinerlei Mimik. Der »Mund« nur ein Ausgabeschlitz für akustische Signale?
Gerade als die Zuschauer auf der Brücke der MARQUIS DE LAPLACE sich damit abgefunden hatten, dass diese Wesen doch fremdartiger waren, als es zunächst geschienen hatte – was sonderbarerweise mit Erleichterung verbunden war –, erstarrten sie. Der Mund des Kind-Roboters bewegte sich, wenn auch nur sparsam und ruckartig. Er sonderte Laute ab. Es war ein Mund. Und er sprach!
»Können Sie das noch etwas deutlicher machen?« Wiszewsky war unwillkürlich noch ein paar Schritte weiter nach vorne getreten. Er hielt die Hand hinter das Ohr, wodurch er plötzlich wie ein alter, schwerhöriger Mann aussah.
»Kommt.« Schleuner genoss seinen Auftritt wie der Conferencier einer großen Bühnenshow. »Greifen Sie dem Programm nicht vor!« Er schickte einen schüchternen Blick zu seinem Vorgesetzten, um auszutesten, ob dieser mehr Humor mitbrachte als seine Stellvertreterin. Der Kommandant nickte und setzte ein joviales Grinsen auf. Schleuner hatte sein Einverständnis, die Sache ruhig ein bisschen zu inszenieren – und wenn es nur war, um die Gobaidin mit ihrer ironiefreien Amtsauffassung zu ärgern.
»Im Gegensatz zu uns«, erläuterte der Oberste Wissenschaftler der MARQUIS DE LAPLACE, »scheinen die Knirpse keinerlei Probleme damit gehabt zu haben, unsere Kommunikation zu hacken und zu dechiffrieren. Hören Sie zu.«
Man konnte sehen, wie der Film diverse Aufbereitungsroutinen durchlief. Aber dann waren Bild und Ton gestochen klar.
Der Roboter sah selbstbewusst in die Kamera. Seine Mundöffnung ahmte souverän menschliche Sprechbewegungen nach. Dann sagte er: »Wir heißen euch willkommen. Unsere Absichten sind friedlich. Es freut uns, dass wir euch getroffen haben.«
»Das ist Uniertes Standard.« Alexander Wiszewsky hatte Schwierigkeiten, den Mund wieder zu schließen.
»Scheiße«, war ein unterdrückter Fluch aus der Richtung Doina Gobaidins zu vernehmen.
Schleuner