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worden war, auf Walters Schlosse einreiten. Der Graf von Vatz war in Geschäften, welche das Abentheuer vergangener Nacht nothwendig machte, ausgeritten, und mich traf mein Oheim an dem Bette der erlauchten Kindbetterinn, deren inniger Dank für die Hülfe, die sie durch meine Vermittelung erlangt haben wollte, jede Furche von seiner Stirne hinweghauchte, und die Strafrede, welche mir zugedacht war, kaum zum kleinen Verweis wegen einiger Uebereilung werden ließ.

      Graf Walter kam zurück; er, nebst mir, dem Grafen Venosta, und der Schwester des Neugebornen, waren Taufzeugen des Kindes, und gaben ihm den Namen seiner Väter Rudolf. Wohlstands9 wegen wurde darauf angetragen, die Kindbetterinn, welche sich nicht von mir trennen wollte, nach dem Schlosse meines Oheims bringen zu lassen, aber sie war zu einer solchen Reise zu schwach, und ich mußte mir gefallen lassen, noch einige Zeit lang, auf Graf Walters Schlosse die Stelle der Hausfrau zu vertreten.

      In dieser Epoche geschah das, worauf die ganze Sache von Graf Waltern angelegt war. Ohne Zweifel hätte er zu Bewirthung seines schönen Gasts andere Anstalten treffen können, aber nutzte schnell die dargebotne Gelegenheit, mich in eine Verbindung zu ziehen, welche mich ihm näher brachte, er suchte mir einen stillschweigenden Beweis vorzüglicher Achtung zu geben, und sich zugleich ein Recht auf die meinige zu erwerben, indem er mich zur täglichen Zeuginn der edeln Behandlung machte, welche eine Person bey ihm fand, die ihm ganz fremd war, welche sich ihm durch nichts empfahl als Hülflosigkeit, und ihm zur Belohnung für seine Milde nichts gewähren könnte, als Verstrickung in ihre eignen verdrüßlichen Händel.

      Walter erreichte seine Absicht bey mir vollkommen, und auch mein Oheim begunnte ihn mit günstigern Augen anzusehen. Beyde interessirten sich gleich stark für die Gräfinn, und schwuren alles zu thun, sie und ihren neugebornen Sohn, in den noch immer von dem Abt zu Sankt Gallen bestrittenen Rechten zu schützen. Einerley Endzwecke machten sie vertraut, und Walter war hinlänglich auf seiner Hut, um bey dieser Vertraulichkeit nicht zu verlieren. Schon glaubte er der Erreichung seines nie wörtlich gestandenen Endzwecks, des Besitzes meiner Hand nahe zu seyn, als mein Oheim einen neuen Beweis gab, daß eine Verlobung mit ihm gegenwärtig gar nicht dasjenige sey, was er suchte oder wünschte.

      Die Geschichte meiner nächtlichen Reise – Entweichung war das Wort, dessen man sich bediente – war nicht verschwiegen geblieben. Die Lage der Gräfinn von Rappersweil erforderte es, viel Fremde zu sehen, und man fand mich immer an ihrer Seite, sah, daß ich in Graf Walters Hause die Wirthinn10 spielte und machte daraus seine Schlüsse. Einige nannten mich die Braut des Grafen von Vatz, andere setzten aus bekannten und unbekannten Umständen eine Geschichte zusammen, welche zu anstößig war, um von mir nacherzählt zu, werden, und die, als sie zu meines Obeims Ohren kam, den Entschluß, mich aus meiner wunderbaren Lage zu reissen, schnell zur Ausführung brachte. Die Kindbetterinn war jetzt stark genug, eine Veränderung der Wohnung zu ertragen, und der Aufenthalt in dem Hause des mächtigen Grafen Venosta, den ihr die Freundschaft anbot, konnte ihr die Sicherheit, die sie bey Waltern fand, in weit höherm Grade gewähren.

      Mein Oheim und der Graf von Vatz sahen finster, ich trauerte und die schöne Hedwig von Rappersweil gab dem, was keines dem andern gestehen wollte, Worte. O Schicksal! rief sie beym Abschied von ihrem bisherigen Beschützer, indem sie meine und Walters Rechte fest in der ihrigen zusammendruckte, verbinde die beyden edelsten Seelen, die du bildetest, mit einander, dies ist der beste Lohn, den du der Großmuth und uneigennützigen Freundschaft, die ich hier fand, ertheilen kannst! Hedwigs sprechende Augen waren gen Himmel gerichtet, und wir beyde sahen einander erröthend an, ohne ein Wort vorbringen zu können. Mich dünkte, Walter hätte nicht stumm seyn sollen, aber – er schwieg.

      Die Gräfinn lebte lang in unserm Hause, es kam mit ihren Beschützern und dem halsstarrigen Abt von Sankt Gallen zur offenen Fehde, in welcher jener immer unterlag, ohne ganz überwunden zu werden. Gott weiß, welches die Quellen unüberwindbarer Macht sind, welche man in unsern Tagen immer bey den geistlichen Fürsten findet. Feige Herzen, schwache Arme, sorglose Unthätigleit, welche Gegner für ritterliche Stärke und Heldenmuth! – Ohne Zweifel schlingt eine unsichtbare Kette alle Söhne der Kirche insgeheim zusammen, und wird das Mittel, sie immer den Weltlichen überlegen zu erhalten, so oft sie auch von ihnen besiegt werden.

      Hedwig war schön und eine Wittwe, und mein Oheim ein Mann, der sich dem Alter mit so langsamen zögernden Schritten näherte, daß man bey seinem Anblick seine Jahre zu zählen vergaß. Ich war vielleicht nicht die erste, welche auf den Gedanken fiel, eine Verbindung zwischen ihnen könne gegenseitiges Glück hervorbringen. Ich merkte bald, daß meine Vorschläge von beyden mit Wohlgefallen gehört wurden, und ich triumphirte in dem Gedanken, meine Freundinn und meinen Wohlthäter bald den Weg des häuslichen Glücks von neuem beginnen zu sehen.

      Graf Walter, welcher in unserm Hause kein seltner Gast war, hörte meine Plane mit Erstaunen aus meinem Munde. Nie hatte ich zuvor einen so sonderbaren Zug in seinem Gesicht gesehen, als in diesem Augenblicke. Fräulein! schrie er, wache oder träume ich? Eine Verbindung, die euch um alle eure Hoffnungen betrügt? die eine Fremde in alle Rechte, welche euch zukommen, einsetzt? – und diese Verbindung euer Werk? –

      Kann Graf Walter den geringsten Gedanken von Eigennutz in meiner Seele ahnden? fragte ich mit einem Erstaunen, welches dem seinigen wenigstens gleich kam. Sollte es möglich seyn, daß ähnliche Gesinnungen in seinem Busen Platz finden? Oder ist vielleicht das Ganze ein Versuch, seine Freundinn auf die Probe zu stellen?

      Er biß sich auf die Lippen und schwieg. Meine Augen waren fest auf ihn gerichtet und er erholte sich erst spät, um die Miene zu verändern, und mir zu erweisen, wie er bey einer Sache, welche weiter gar keine Beziehung auf ihn haben könne, blos um mich sorge, und wie das edelste, uneigennützigste Herz, bey Freundesangelegenheiten, wohl Betrachtungen stattgeben könne, die bey eigenen aus dem Sinn geschlagen würden.

      Ich glaubte alles, was Walter mir sagte, und also auch dieses, und er war im Gegentheil so gefällig, auch meine Vorstellungen gelten zu lassen, und mir am Ende einzuräumen, daß eine Verbindung zwischen dem Grafen Venosta und Graf Rudolfs Wittwe allerdings eine höchst annehmliche und selbst für mich vortheilhafte Sache seyn müsse, auch versprach er mir, so bald die nächste Unternehmung wider den Abt von Sankt Gallen geglückt seyn würde, auf meine Seite zu treten und das Glück meiner Lieben durch Bitten und Überredungen beschleunigen zu helfen.

      Der Heerzug gegen den gemeinschaftlichen Feind betraf die Einnahme einer der Burgen, welche er dem rechtmäßigen Erben vorenthielt, und man machte sich des andern Tages früh vor Aufgang der Sonne auf, durch List und Waffen den Sieg zu erstreiten, den man schon fast in den Händen zu haben glaubte.

      Meine Freundinn und ich hatten unsere Helden schon zu oft von ihren Unternehmungen glücklich zurückkehren gesehen, als daß wir ihnen Seufzer oder ängstliche Wünsche hätten nachschicken sollen; wir hatten die Zeit ihrer Rückkunft genau ausgerechnet, und den Anschlag gemacht, sie mit den zurück gebliebenen Kriegsleuten wie im Siegsgepränge einzuholen, dem fröhlichen Zuge voraus sollte eine mit Denksprüchen und Sinnbildern gezierte Fahne wehen, welche noch unter unserer Nadel war, und die wir uns mit der größten Emsigkeit zur bestimmten Zeit zu fertigen mühten. Unserer Gespräche bey dieser lieblichen bald vollendeten Arbeit waren mancherley, ich nannte die reizende Hedwig scherzend meine Tante, und diese lohnte mir damit, daß sie meinen Namen mit dem Namen Graf Walters verschlungen in ein leeres Wappenfeld setzte. Unsere Unterhaltung ward ernsthafter. Sie bezeugte mir über das, was mich vorlängst befremdete und bekümmerte, über Walters schweigende Liebe ihre Verwunderung, und betheuerte eben, daß sie nur darum Gräfinn Venosta zu werden wünschte, um den blöden11 Ritter, so nannte sie Waltern, zum Sprechen zu bringen, und sein und mein Glück mit Nachdruck zu befördern, als ein Geräusch im Schloßhof unser Gespräch und unsere Arbeit unterbrach; wir sprangen auf, der Hufschlag von Pferden würde uns die Wiederkunft unserer Geliebten haben ahnden lassen, wenn eine so schleunige Endigung des Streites möglich gewesen wär. Wir schickten unsere Dirnen hinaus, um Erkundigung einzuholen, und flogen selbst an die Fenster, um uns durch eigne Augen zu belehren.

      Die Gräfinn stürzte mit einem lauten Geschrey zurück, und mich versetzte der Anblick eines einigen blutenden Reuters, mit etlichen leeren Handpferden fast in den nemlichen Zustand. Ists Friede? rief ich mit halb erstorbener Stimme vom Altan herab. Ach Gott, Fräulein, erwiederte der

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