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Takt Unterschiede zu machen. Selbst wenn sie sich bürgerlich und grob benahm, dann nie auf eine Weise, welche die Öffentlichkeit gegen sie eingenommen hätte. Ihre Kenntnis der Gesellschaft im Allgemeinen musste natürlich beschränkt sein, so wie das bei allen weiblichen Souveränen der Fall sein muss; aber sie schien die Gabe eines intuitiven Wissens über die menschliche Natur zu besitzen, die sie dazu verwendete, Herrschaft über sie zu erringen. Ich zweifle nicht daran, dass sie, wäre sie plötzlich als Wildfremde in die Welt von London versetzt worden, sich bald ihren Weg zu den auserlesensten Kreisen gebahnt hätte und dort, einmal angelangt, ihre Stellung selbst gegen eine Herzogin behauptet hätte.

      Ich habe berichtet, sie täuschte niemals etwas vor; das mag einer der Gründe ihrer Regentschaft über einen Personenkreis gewesen sein, in dem beinahe jede andere Frau versuchte, eher als ein Jemand erscheinen zu wollen, als wirklich jemand zu sein.

      Wenn Mrs. Colonel Poyntz auch nicht künstlich war, so war sie kunstreich – oder vielleicht sollte ich eher sagen artistisch. In allem, was sie sagte und tat, war Haltung, Führung und Plan. Sie konnte ein äußerst hilfreicher Freund oder ein gefährlicher Feind sein; obwohl ich persönlich glaube, dass sie selten die Grenzen zu extremer Vorliebe oder abgrundtiefem Hass überschritt. Alles war Politik – der Politik eines großen Parteiführers vergleichbar, der entschlossen ist, diejenigen mit besonderen Ehrungen zu würdigen, die es aus Gründen der Staatsräson zu begünstigen empfiehlt und die, die es aus denselben Gründen zu erniedrigen gilt, zu demütigen und zu zerstören.

      Seit meinem Streit mit Dr. Lloyd hatte mich diese Lady mit ihrer freundlichsten Seite beehrt und nichts konnte geschickter sein, als die Art und Weise, in der sie, in dem sie mich anderen als orakelhafte Autorität vorstellte, danach strebte, das Orakel selbst ihrem Willen zu unterwerfen.

      Sie pflegte in einer bestimmten mütterlichen Art mit mir zu sprechen, so als ob sie das aufs tiefste empfundene Interesse an meinem Wohlergehen, Glück und Ansehen habe. Gleichzeitig wusste sie in jedem Kompliment, in jedem scheinbaren Beweis des Respekts die überlegene Würde einer Autorität zu behaupten, die aus der Verantwortung ihrer Stellung die Pflicht ableitet, aufstrebenden Verdienst zu ermutigen; ein Umstand, der bewirkte, dass ich, trotz allen Stolzes, der mich glauben machte, ich brauche keine helfende Hand um vorwärts zu kommen oder meinen Weg in der Welt zu machen, mich des Gedankens nicht erwehren konnte, Mrs. Colonel Poyntz habe auf irgendeine mysteriöse Weise mein Patronat übernommen.

      Wir mögen ungefähr fünf Minuten so Seite an Seite dagesessen haben - in einer Stille, als befänden wir uns in der Höhle des Trophonius – als Mrs. Poyntz plötzlich, ohne von ihrer Arbeit aufzusehen, sagte:

      „Ich denke über Sie nach, Dr. Fenwick. Und Sie – Sie denken an eine andere Frau. Undankbarer Mann!“

      „Was für eine ungerechte Anschuldigung! Gerade mein Schweigen sollte als Beweis dafür dienen, wie intensiv meine Gedanken auf Sie und Ihr zauberhaftes Gewebe gerichtet waren, welches unter Ihrer Hand aus Maschen entsteht, die den Blick verwirren und die Aufmerksamkeit fesseln.“

      Mrs. Poyntz sah einen Moment zu mir auf – ein einziger Blick aus großen haselnussbraunen Augen – und sagte:

      „Haben Sie wirklich über mich nachgedacht? Sagen Sie die Wahrheit.“

      „Ganz ehrlich – ja.“

      „Das ist eigenartig. Wer kann es sein?“

      „Wer es sein kann? Was meinen Sie damit?“

      „Wenn Sie über mich nachgedacht haben, dann geschah das in Verbindung mit einer anderen Person – einer anderen Person meines Geschlechts. Es ist ganz sicher nicht die arme liebe Miss Brabazon. Aber wer dann?“

      Und wieder schoss ihr Blick über mich hinweg und ich fühlte, wie ich unter ihm errötete.

      „Ganz ruhig!“ sagte sie und senkte ihre Stimme; „Sie sind verliebt!“

      „Verliebt! – ich! Erlauben Sie mir zu fragen, wie Sie auf diesen Gedanken kommen?“

      „Die Anzeichen sind unverkennbar; seit ich Sie zuletzt gesehen habe, hat sich Ihr Benehmen, ja sogar der Ausdruck Ihres Gesichts verändert; Ihr Verhalten ist sonst ruhig und beobachtend – jetzt aber unruhig und zerstreut. Ihr sonst so stolzer und heiterer Gesichtsausdruck ist jetzt gedrückt und verstört. Sie tragen etwas mit sich herum! Es handelt sich nicht um Ihren Beruf – da ist alles im Besten. Es handelt sich auch nicht um einen Ihrer Patienten, sonst wären Sie kaum hier. Aber Sie sind besorgt – eine Besorgnis, die nichts mit Ihrem Beruf zu tun hat, aber Ihr Herz berührt und eine neue Erfahrung für Sie ist!“

      Ich war erstaunt und beinahe erschrocken, versuchte aber meine Verwirrung unter einem gezwungenen Lachen zu verbergen.

      „Gründlicher Beobachter! Scharfsinniger Analytiker! Sie haben mich gerade davon überzeugt, dass ich verliebt sein muss, obwohl ich vorher gar keine Ahnung davon hatte. Aber wenn ich erraten soll, um wen es sich dabei handeln könnte, bin ich genauso ratlos wie Sie selbst und stelle die gleiche Frage: wer könnte es sein?“

      „Wer immer es sein mag,“ sagte Mrs. Poyntz, die während meiner Erwiderung ihre Arbeit ruhen gelassen hatte und nun langsam und sorgfältig wieder aufnahm, als ob ihr Verstand und ihre Strickzeug in direkter Verbindung stehen würden – „ wer immer es sein mag, für Sie ist Liebe eine ernste Angelegenheit und mit oder ohne Liebe ist Heirat für uns alle eine ernste Angelegenheit. Nicht jedes hübsche Mädchen würde zu Allen Fenwick passen.“

      „Oh je, gibt es irgendwo ein hübsches Mädchen zu dem Allen Fenwick passen würde?“

      „Unsinn! Sie sollten über die ärgerliche Eitelkeit, nach einem Kompliment zu haschen, erhaben sein. Ja; die Zeit ist gekommen, in der es für Sie und Ihr weiteres Fortkommen ratsam wird zu heiraten. Meinen Segen haben Sie,“ sagte sie und lächelte dabei wie im Scherz, obwohl ein leichtes Nicken andeutete, dass sie es ernst meinte. Sie strickte jetzt entschiedener und rascher. „Aber ich kann mir immer noch nicht vorstellen, wer es sein könnte. Nein! Es ist schade, Allen Fenwick (jedes Mal wenn Mrs. Poyntz mich bei meinem Vornamen nannte, nahm sie ihre majestätische mütterliche Haltung ein) – „schade, dass Sie mit Ihrer Herkunft, Tatkraft, Beharrlichkeit, Ihrem Talent und lassen Sie mich das hinzufügen, bei Ihrem guten Aussehen und Benehmen – schade, dass Sie keine Laufbahn gewählt haben, die Ihnen ein höheres Einkommen und größeren Ruf einbringen könnte, als der glänzendste Erfolg als Provinzarzt. Aber gerade durch diese Entscheidung bin ich auf Sie aufmerksam geworden. Ich habe eine ähnliche Wahl getroffen – ein kleiner Kreis, aber die Erste darin. Wäre ich oder mein lieber Colonel ein Mann gewesen, den die Kraft der Frauenkunst eine Stufe höher auf der metaphorischen Leiter zu heben vermocht hätte, die nicht die Leiter der Engel ist, dann – ja, was dann? Egal! Ich bin zufrieden. Ich habe meinen Ehrgeiz an Jane übertragen. Finden Sie sie nicht hübsch?“

      „Ohne Zweifel,“ sagte ich, sorglos und ungezwungen.

      „Ich habe große Pläne mit Jane,“ Mrs. Poyntz nahm ihre Arbeit wieder auf. „Sie wird einen adligen Großgrundbesitzer heiraten. Er wird ins Parlament gehen. Sie wird sich um seine Karriere kümmern, wie ich für den Komfort des Colonels sorge. Wenn er klug genug ist, wird sie ihm dabei behilflich sein, Minister zu werden; ist er nicht klug genug, wird ihr sein Reichtum dabei behilflich sein, sie zu einer bedeutenden Persönlichkeit zu machen und ihm als Gatten einer Persönlichkeit Bedeutung zu geben. Sie sehen also, Allen Fenwick, dass meine Heiratspläne nicht auf Sie abzielen, denken Sie also darüber nach, ob es nicht von Vorteil für Sie sein könnte, mich ins Vertrauen zu ziehen. Vielleicht kann ich Ihnen nützlich sein....“

      „Ich weiß nicht, wie ich Ihnen danken soll; aber ich habe nichts, was ich Ihnen anvertrauen könnte.“

      Während ich das sagte, blickte ich aus dem offenen Fenster, neben dem ich saß. Es war eine wundervolle, milde Nacht und der Maimond glänzte in seiner vollen Pracht. Unterhalb erstreckte sich in einiger Entfernung, soweit das Auge reichte, die Stadt mit ihren zahllosen Lichtern; dazwischen lag ein großes Viereck, in dessen Mitte einsam die mächtige alte Kirche stand, etwas weiter entfernt die Gärten und verstreuten Land- und Herrenhäuser, welche die Seiten des Hills bedeckten. Nach einer kurzen Pause sagte ich:

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