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      „So von Geburt an oder …“

      „Ja, so von Geburt an.“

      „Und … du bist keine Transe?“

      „Nein, bin ich nicht.“

      Kurze Stille, dann: „Cool“, und er ging wieder.

      Schließlich flog die Tür auf und Nino Goldfinger stürzte herein, mit dickem, fettem Pelzmantel um die dürren Glieder, schicken, violett glänzenden Schuhen, einem weißen Hut mit pinkfarbenem, leopardengemustertem Hutband, dicker, goldener Elvis-Sonnenbrille im Gesicht und dem markanten spitzen Kinn. Alex stand auf und ging zu ihm hinüber. Er breitete die Arme aus und nahm Alex zur Begrüßung in die Arme: „He, Alex, du kannst dich ruhig öfter melden! Was ist los?“

      „Also“, begann Alex, „dein Mr. Knochen ruft mich zur Solonummer und sagt zu Perücke und Make-up zuerst okay. Dann bin ich da und es heißt: Sorry, Mädchen“, äffte sie ihn nach, „wir haben keine Zeit für Perücke und Make-up. Also lass dich von Gartenschlauch-Joe in den Arsch ficken und von den Pennern dabei anspritzen und … oh, bevor ich es vergesse, wäre nett, wenn du auch einen hochkriegen würdest, das war verdammt noch mal los!“

      Nino stakste auf Mr. Knochen zu. „Hey, stimmt das?“

      „Ruhig. Ja, größtenteils ja“, gab Mr. Knochen zu.

      „Alex macht so was nicht mit, war dir doch bewusst, oder?“

      Mr. Knochen massierte seine Nasenwurzel. „Nino, du weißt, dass die Leute was besonders Widerliches und Abartiges sehen wollen, weil wir sie sonst verlieren.“

      „Porno ist mehr als das!“, führte Nino an.

      „Nino, du weißt, dass ich dich immer geschätzt habe, aber davon hast du keine Ahnung mehr“, sagte der kleine zu dem großen Kerl. „Du bist irgendwo in der Vergangenheit hängen geblieben. Heute heißt das hop oder top und deine Alex hat mir top schon zugesichert, also überzeug sie bitte.“

      „Nein, das werde ich nicht. Was drehst du hier überhaupt?“

      Mr. Knochen stöhnte auf. „Okay, Alex wird von Joe hier rückwärts genommen, während die Spritzer auf sie spritzen. Punkt.“

      Nino dachte kurz nach. „Wie soll es denn zu so was kommen?“

      „Nino“, sagte Mr. Knochen ruhig.

      „Was ist das denn für eine Handlung? Ich meine, worum geht’s in diesem Porno?“

      „Nino“, sagte Mr. Knochen erneut.

      „Und diese Location, hast du zum Drehen keine Strandvilla oder so?“

      „Nino!“, schrie er jetzt. „Es gibt keine Handlung, außer das Ficken!“

      „Wir waren uns doch einig, dass wir was Besseres bringen wollen als den üblichen Scheiß. Wir bringen Kunst, Mann.“

      „Tut mir leid, das sagen zu müssen, aber du hast keinen Durchblick mehr. Was du gedreht hast, war weichgespülter Softporno-Dreck und die Einzigen, die sich deine Lesbischen Gladiatorinnen vom Mars angeschaut haben, waren Idioten, die einfach mal grüne Schlampen mit Antennen sehen wollten. Denkst du, auch nur ein Mensch auf Erden hat sich die Dialoge angehört? Bei so was spult man weiter! Das will keiner sehen! Wir sind hier nicht in Hollywood! Die Leute wollen nur den Sex sehen und der soll so dreckig und deutlich wie möglich sein, der ganze Rest ist Zeitverschwendung! Dein Traum, aus Pornos Kunst zu machen, ist der letzte Dreck! So was will keiner sehen! Du bist veraltet, Alter!“ Nino stand da wie ein gerügter Junge, während Mr. Knochen weitersprach: „Was du machen willst, gucken sich nicht mal Feministinnen an. Wir haben nur Geld, weil ich drehe, was die Leute sehen wollen! Der Rest ist Mist. Denk doch mal über die erste Sache nach, die du mit Alex gedreht hast …“

      Nino blieb weiter stumm mit gesenktem Haupt stehen und Alex ahnte nichts Gutes. Sie ging langsam auf die beiden zu. Es würde tatsächlich einen Wetterumschwung geben, sie konnte das Unwetter bereits spüren, von ihrer Narbe bis in ihre Gedärme hinein.

      „Denk an diesen Mist“, fuhr Mr. Knochen fort. „Ein Mädchen träumt davon, von ihrer Freundin gefickt zu werden, und findet eine Wunderlampe, aus der Joe hier mit viel Rauch und einem falschen Schnauzbart kommt und ihrer Freundin einen Schwanz dranzaubert!“ Er schlug sich vor die Stirn. „Dann ficken sie das erste Mal nach dreißig Minuten. Die Fingerszene am Anfang war der reinste Müll! Und sie diskutieren mit ihren Eltern und hauen schließlich ab. Und – oh, ja – treiben es am Ende im Sonnenuntergang! In welcher Welt lebst du Schwachkopf überhaupt? Dein Traum vom abendfüllenden Hollywood-Porno wird niemals wahr! Irgendwann wird einer meiner Pornos einen Oscar kriegen“, äffte Mr. Knochen Nino nach. Die Sexszenen werden eher stören, weil alle wissen wollen, wie es weitergeht!“ Er lachte.

      Als Mr. Knochen wieder aufsah, hatte Nino schon die goldene Beretta gezogen und drückte sie gegen dessen künstlich gebräunte Stirn. Mit weit aufgerissenen Augen schrie er: „Was verfickt machst du kranker Idiot da?!“

      „Du hast recht“, meinte Nino. „Mein Traum wird nie etwas, nicht in dieser Welt. Aber ich werde einen Schmierfleck wie dich ganz sicher nicht weiter rumlaufen lassen.“

      „Scheiße, das meinst du nicht ernst!“

      Alex war mit ihren Cowboystiefeln am Boden festgefroren. Ebenso wie die Spritzer. Nino verkniff sich die Tränen unter seiner riesigen Sonnenbrille.

      Dann kam der Sturm.

      Die Mündung flammte auf und schickte eine vom Drill angedrehte Kugel voran, die in Mr. Knochens künstlich gebräunte Stirn eintrat, dessen Augen in diesem traumatischen Moment in zwei verschiedene Richtungen starrten. Die Kugel bahnte sich ihren Weg, sein Hinterkopf explodierte und zog einige rosafarbene Schlangen an Gehirnwindungen mit sich, die wie ein Vektor auf dem Boden aufschlugen und zum Ausgang zeigten. Der Rest des Körpers folgte dem Pfeil aus Hirnmasse und schlug mit dem Kopf voran auf.

      Die dünnen Krallen mit den langen goldenen Fingernägeln zitterten, während sie verkrampft die Pistole hielten. Einige Blutspritzer waren auf seinem Mantel und seinem Hut wie auch auf seiner Sonnenbrille gelandet. Langsam senkte er die Pistole und schaute zu Alex. Zum ersten Mal, soweit sie sich erinnern konnte, nahm er die Elvis-Sonnenbrille ab und Alex konnte seine traurigen, dunkel umrandeten Augen sehen.

      Sie wussten beide, dass es das Ende war.

      Alex löste ihre Stiefel vom Boden, während die Spritzer paralysiert dastanden und nichts zu tun wussten. Sie würden, sobald es vorbei war, diesen schrecklichen Ort verlassen und nie zurückkehren. Seit dem Knall verließen bereits alle das Gebäude, bis auf diejenigen in diesem Raum. Der tote Mr. Knochen starrte mit einem Auge die Spritzer an und mit dem anderen Alex, die seinem losgelösten Blick entging, indem sie zu Nino lief, der dort weinend und verloren stand, und ihn in die Arme nahm. Nino weinte und ließ die Brille fallen, die auf dem Boden aufschlug.

      „Tut mir leid, Nino“, sagte Alex, ohne so recht zu wissen, was. Sie löste sich von ihm.

      Nino deutete auf die Exit-Tür, wo eine Tasche stand. „Ich habe es gewusst.“

      „Was?“, fragte Alex.

      „Dass es so kommen würde. Ich habe es gewusst.“

      In dieser Melancholie standen sie da, inmitten des Porno-Sets.

      „Was willst du jetzt tun?“

      „Ich könnte mich erschießen oder …“

      „Oder was?“

      „Oder mich ergeben … was ich nicht tun werde“, fügte er hinzu. „Oder …“

      „Oder?“

      „Oder ich fahre dorthin, wo ich es schaffen kann. Wenn ich schnell genug fahre, komme ich an, ehe ich losgefahren bin.“

      Alex sagte nichts, vor allem, weil sie Nino nicht so recht folgen konnte.

      „Die Tasche an der Tür ist für dich.

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