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hin einen Kranken oder Verletzten auf irgendeine Weise zu behandeln oder ihm etwas zu verschreiben, dazu gezwungen wird, einen bestimmten Wissensstandard in Fächern wie Anatomie, Physiologie und Geburtshilfe zu erreichen, welches Therapiesystem er auch immer vertritt.“

      So sieht es das Gesetz in Illinois vor, das zwischen Behandlung mit und ohne innere Medikation unterscheidet. Es geht aber noch nicht weit genug. Obgleich es anerkennt, dass Krankheiten auch mit einer nicht-medikamentösen Methode geheilt werden können, diskriminiert es zugunsten der Medikamentenmethode. Wir halten das für illegal bzw. für verfassungswidrig. Beseitigen Sie diesen Fehler, und das Gesetz von Illinois ist perfekt.

      Dr. Shrady konzediert offensichtlich, dass es verschiedene therapeutische Systeme geben kann. Dies gesteht auch die Osteopathie zu. Ihr Ziel ist es nicht, dass Allopathen oder Homöopathen per Gesetz ausgeschlossen, sondern vielmehr dass Osteopathen per Gesetz eingeschlossen werden. Das osteopathische System ist unabhängig und unverwechselbar. Wie schon unsere Definition verdeutlicht, schließt die osteopathische Schule alles ein, was gemeinhin auch zum Praktizieren von Medizin gehört, nämlich Diagnose, Therapie und Chirurgie.74 Und diese bilden zusammen die drei Faktoren eines neuen und eigenständigen Heilungssystems. Was erbeten wird, ist ein freies und offenes Feld mit dem gleichen Qualifikationsstandard wie die anderen Schulen der Medizin und Chirurgie. Das Gesetz von Illinois macht die Osteopathie aber zu einer Unterabteilung der Medizin, wie es etwa auch Medikamententherapie und Geburtshilfepraxis sind, und das ist es mit Sicherheit nicht, was wir als unser verfassungsmäßiges Recht einfordern. Die Verfassung der verschiedenen Staaten garantiert, dass es keinerlei Diskriminierung unter den verschiedenen Schulen oder Systemen des Heilens geben darf. Wir hoffen, dass Dr. Shrady bei dem Versuch mithelfen wird, dieses Ergebnis zu erreichen, das nicht mehr ist als das nackte Minimum an Gerechtigkeit. Es wird keinerlei Vergünstigung erbeten, sondern einfach nur das, was rechtens ist. Die Wissenschaft wird nicht untergehen.

      Einer unserer Abonnenten fragt: „Ist Ihre Anschauung von Medizin nicht neu?“ Er meint damit natürlich unsere Anschauung, dass Medizin nicht gleichzusetzen ist mit Medikamenten, sondern dass jede Form von Behandlung Medizin ist. Hier die Meinung von Richerand, Professor der Medizin an der Universität von Paris und Chefchirurg am dortigen St.-Louis-Krankenhaus, in einem 1811 veröffentlichten Werk:

      „Medizin, die von einigen als die Kunst des Heilens, von anderen richtiger als die Kunst der Behandlung von Krankheiten bezeichnet wird, kann man definieren als jene Kunst, mit der sich Gesundheit erhalten und Krankheit heilen bzw. erträglicher machen lässt. Die Medizin wird in allen ihren Teilen durch die Physiologie erhellt und kann keinen sichereren Führer haben. Infolge einer Missachtung dieses viel versprechenden Führers blieben Therapie und Materia medica lange im Nebel von Konjekturen und Hypothesen gefangen. Ärzte sollten nie auch nur für einen Augenblick vergessen, dass sehr viele Krankheiten in einer Unordnung der vitalen Funktionen bestehen, und all ihre Anstrengungen darauf richten, Sensibilität und Kontraktilität in ihre natürlichen Zustände zurückzubringen.“

      Dr. De Lys, der Richerands Werk ins Englische übersetzt hat, kommentiert diese Aussage in einer Fußnote zur 1819 erschienenen dritten Auflage der Übersetzung so:

      „Alle Krankheiten bestehen in physischer Unordnung wie Auflösung der Kontinuität, Dislozierung, organische Veränderungen – beispielsweise Polypen, Aneurysmen und andere Leiden, die sich aus einem organischen Leiden und aus der Strukturveränderung ergeben – oder auch in vitalen Läsionen wie Fieber, Ataxie usf.“

      Richerand spricht an anderer Stelle von

      „[…] Synergien oder aggregierten Bewegungen, die auf ein Ziel zulaufen und sich aus den Gesetzen der Sympathie erhegen.“

      Sie erzeugen, wie er sagt, allgemeine Krankheiten und die meisten lokalen Krankheiten.

       „Durch sie und durch diese Art organischen Aufruhrs kämpft die Natur erfolgreich und befreit sich selbst von dem krankheitserregenden Prinzip bzw. von der Ursache der Krankheit; und die Kunst, diese Vorgänge anzuregen und zu leiten, liefert das Material für die bedeutendsten Lehren der Praxis der Medizin. Ich habe die Begriffe ,leiten‘ und ,anregen‘ verwendet, weil man die Intensität und Kraft dieser Bewegungen manchmal verstärken, manchmal abschwächen, und manchmal auch anregen muss, wenn die Natur, von Krankheit überwältigt, nahezu reaktionsunfähig ist. Dieser letzte Umstand gehört zu den Krankheiten der gefährlichsten Art, sofern wir jene mit einschließen, bei denen die Anstrengungen der Natur, obwohl sie sich durch einen gewissen Grad an Energie auszeichnen, ohne Verbindung oder Zustimmung sind und in ihrem Verlangen nach Kohärenz enttäuscht werden […] Leben besteht in der Wirkung von Stimuli auf die vitalen Kräfte.“ 75

      Besser kann man sie nicht ausdrücken, jene Anschauung von Medizin, die wir akzeptieren – nämlich das Behandeln einer Krankheit oder des in einem kranken Zustand befindlichen Körpers, indem man die Krankheitsursache beseitigt und die Erholung zum oder in Richtung Normalzustand unterstützt, wobei dieses Behandeln auf physiologischen Linien erfolgen muss. Das ist Osteopathie.

      Es häufen sich Beweise dafür, dass jeder Teil des Körpers durch irgendeine Art peripherer Stimulation erreicht werden kann. Wie Abrams entdeckt hat, bewirkt ein posterior über den unteren Lungenrändern angewendetes Ätherspray, dass diese sich um 8–10 Zentimeter senken. Das bedeutet also, dass Hautreizung eine Dehnung der Lungen auslöst. Dies hilft bei der Differenzialdiagnose von Atelektasen bei manifester Bronchopneumonie. Im ersten Fall ruft die Hautreizung eine Lungendehnung hervor, indem sie die regionale Trägheit aufhebt, wohingegen im zweiten Fall die Trägheit bestehen bleibt. Die gleiche Methode kann bei Atelektasen therapeutisch zum Stimulieren pulmonaler Dilatation verwendet werden.

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      Unter der Überschrift „Die menschlichen Nerven mit der Hand massiert“ veröffentlichte das Ohio State Journal am 13. März Folgendes:

      „Zu den großen Fortschritten, über die man im neuen Jahrhundert berichten wird, gehört eine ganz neue Art der Behandlung menschlicher Krankheiten durch direkte Massage der Nerven. Im deutschen Bonn wurden drei Patienten, die man, nachdem sie den Wirkungen von Äther ausgesetzt worden waren, durch gewöhnliche Mittel nicht reanimieren konnte, dank Wirkung von Nervenerschütterung über dem Herzen wiederbelebt. Einer der entscheidungsberechtigten Behandler hatte, als der Patient schon in den letzten Atemzügen lag, diesen – rundum erfolgreichen – Lebensrettungsversuch unternommen.

      In der Postgraduiertenschule in New York wird diese Entdeckung nun in der elektrischen Abteilung genutzt. Wie sich gezeigt hat, sind die bislang zur Stimulation der Nervenkraft verwendeten elektrischen Batterien gar nicht erforderlich, denn deren Wirkung lässt sich besser durch die Hand erzielen. Mit fabelhaftem Geschick lokalisiert der Elektrowissenschaftler die Nerven mittels seines Fingers und klopft den Fleck dann ganz sanft, bis Leben in den schlaffen Körper zurückkehrt. Es ist allerdings notwendig, dass der Arzt gründlich mit jedem Nerv vertraut ist, bevor er seine Kunstfertigkeit anwendet, um mittels Nervenvibrationen neues Leben zu verleihen. Dies eröffnet eine Spezialdisziplin in der medizinischen Praxis, die der medizinischen Profession ebenso großen Nutzen bringen wird wie den Kranken.

      Es gibt bestimmte Beschwerden, etwa Pneumonie, Tuberkulose, Typhusfieber und verschiedene Kinderkrankheiten, bei denen eine Behandlung mit Medikamenten wenig gebracht hat. Bei diesen Krankheiten tobt stets ein Kampf zwischen der Konstitution des Patienten und den Angriffen des Feindes. Alles, was man bislang tun konnte, war, die Kraft des Patienten aufrechtzuerhalten und ihm zu helfen, eine siegreiche Schlacht zu führen.

      Hier bringt die neue Entdeckung der Nervenschwingungen einen unschätzbaren Vorteil, denn diese unterstützen den Patienten beim Kampf, indem sie ihm die Muskeln eines starken, gesunden Mannes verleihen.

      Die Nerven sind kraftlos vor Erschöpfung. Und der Patient befindet sich kurz davor, in jenes Koma zu fallen, welches auf einen erfolglosen Kampf mit tödlicher Schwäche folgt. Ihm stark tonische Medikamente verabreichen, ist in dieser Situation wie das Absägen der Masten eines sinkenden Schiffs. Es hält zwar sozusagen noch etwas länger Leben im Rumpf, hinterlässt den Patienten aber in noch schlechterer Form und damit noch

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