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für ein Kind gebaut. Aber alle hatten ihren Spaß. Es wurde schon dunkel, als Fritz auf einmal anfing zu weinen. Er hatte kalte Hände und Füße. Nun merkte auch Hanna, dass ihre Kleidung nass geworden war. Und besonders kalt war es an den Oberschenkeln. Sie hatte zwar eine warme Wollhose an, die bis zu den Strümpfen reichte, aber beim Spiel war öfter Schnee unter den Rock gekommen und war durch die Körperwärme getaut. Im Ergebnis stellte sie fest, dass die gestrickte Hose steif gefroren war und Kälte sich breit machte.

      „Wir müssen uns mehr bewegen“, sagte Hanna zu Fritz und damit war der neue Plan auch schon fertig. „Wir bauen jetzt einen Schneemann.“ Als Hanna mit Fritz das Werk begannen, machten innerhalb kurzer Zeit auch noch John und Karl mit und schnell war das Werk vollbracht. Da keine Möhre für solche Sachen von Zuhause zu erwarten war, wurden Steine aus dem Schnee herausgebuddelt und für Augen, Nase und Mund verwendet. Auch der Hut wurde aus Schnee geformt, denn keiner wollte und durfte seine warme Mütze dafür hergeben. „Fertig!“ Die Kinder sahen ihr Prachtexemplar mit strahlenden Augen an und freuten sich, dass er wie ein Wächter zwischen den Bäumen, die an der Teichsohle standen, hervor schaute.

      Vielleicht hatte Mutter sie vom Küchenfenster aus beobachtet – jedenfalls genau, als der Schneemann fertig war, rief Mutter: „Kinder, kommt rein!“ In der Küche mussten dann erst Schuhe, Mantel, Kleid, Strümpfe und Wollhosen ausgezogen werden. Der Schnee wurde abgeklopft und die Sachen auf den Ofen zum Trocknen gelegt. Hemd und Leibchen – an dem die Strumpfbänder befestigt waren -waren als einzige Kleidungsstücke trocken geblieben. Mutter machte den beiden ein Fußbad mit etwas Salz und wickelte sie in eine Decke. Es dauerte auch gar nicht lange – und beide Kinder waren pudelwarm.

      Gerne hätten sich die beiden auch – wie an jedem Sonnabend – in den Waschzuber in der Küche aufgewärmt, aber Ganzkörperwäsche gab es eben nur am Sonnabend. Zu diesem Zweck wurde dann der Waschbottig in die Küche gestellt und mit warmem Wasser gefüllt. Natürlich musste dafür extra in der Küche Feuer im Herd gemacht werden, damit das Wasser erwärmt werden konnte. Zwar hatte die Wohnung auch bereits einen Gaskocher mit zwei Brennstellen, aber die großen Töpfe wurden schneller auf dem Herd heiß und die Küche gleich warm. Darum war es nur zu verständlich, dass immer gleich zwei Kinder zur gleichen Zeit gewaschen wurden, damit nicht so viel Brennmaterial für das warme Wasser verbraucht wurde. Weil das alles mit viel Arbeit verbunden war, konnte der Waschakt eben nur einmal in der Woche passieren.

      Zuerst kamen an den Waschtagen meistens Lotte und Herta in das Wasser, denn die Kleinste musste ja zuerst in das Bett und Herta konnte mit der kleinen Schwester in der Wanne herumplanschen. Oft protestierte aber Lotte mit wildem Geschrei, wenn das Badevergnügen durch Mutter beendet wurde. Bis die kleine Schwester zum Schlafen angezogen, der Hahnenkamm gekämmt und das Fläschchen getrunken war, aalte sich Herta noch ein bisschen alleine in der Wanne. Doch war sie dann auch trocken und hatte das Nachthemd an, wurde Fritz gerufen, der noch in das gleiche Wasser kam. Er war ja der Junge und durfte immer alleine in das Wasser. Die Mädchen hatten dann in der Küche keinen Zutritt. Nur Mutter beaufsichtigte den Reinigungsakt.

      Er ließ sich immer ganz besonders viel Zeit mit der Wäsche, denn meistens durfte er als „Krohn-Sohn“ auch Spielzeug mit in das Wasser nehmen und konnte sich dadurch nur schwer von seinem Schiffchen aus Papier oder Holz trennen.

      Die beiden Großen – Hanna und Lisbeth – passten zwar nicht mehr so gut zur gleichen Zeit in die Wanne, aber einer der beiden durfte als erste in das neue, saubere Wasser steigen. Wer sich also nicht schnell genug auszog, hatte das Nachsehen und musste warten oder sie mussten schon vorher das Versprechen abgeben, sich nicht zu kabbeln.

      So war der Sonnabendabend immer angefüllt vom freudigen Empfinden der Kinder über das Baden und den laufenden Ermahnungen der Mutter, nicht so viel zu planschen, damit der Fußboden nicht gar zu nass werde.

      Wie schmeckte nach dem Baden doch das Abendessen so gut. Am liebsten hätten Hanna und Fritz noch einmal Nachschlag gehabt, aber Mutter hatte den Topf Milchsuppe aufgeteilt und mehr war eben nicht da.

      Glücklich, warm, fast satt und zufrieden kniete Hanna vor dem Bett, in dem sie gemeinsam mit Lisbeth schlief, nieder und sprach das Abendgebet. Heute hatte sie zwar nicht an den Weihnachtsgeschenken gearbeitet, aber morgen wollte sie ganz fleißig sein. Das nahm sie sich ganz fest vor. Und schon war sie eingeschlafen.

      *

      Die Sorgen und Probleme, die die Eltern hatten, bemerkten die Kinder nicht. Und es gab viele Probleme. Die Welt hatte sich total verändert, seitdem der Kaiser abgedankt hatte. In Königsberg war seit November ein „Ostpreußischer Provinzial-Arbeiter- und Soldatenrat“ an der Macht, der sich nach harten Auseinandersetzungen zu Ebert und der Nationalversammlung bekannte und nicht – wie die Unabhängige Sozialdemokratische Partei es anstrebte - einen Rätestaat nach sowjetischem Vorbild schuf. Außer diesem Gremium hatte sich die „Matrosenwehr“ gebildet. Die Verantwortlichen saßen sogar im Schloss!

      Dafür wurden die Unruhen auf den Straßen immer größer, öfter und gewalttätiger. Vater erzählte Mutter dann am Abend, was er so gehört hatte: „Stell dir vor, Anna, im Weihnachtsmonat gab es in Berlin den ersten Reichskongress der Arbeiter- und Soldatenräte. Vielleicht haben die dann gesagt bekommen, was sie hier bei uns machen müssen, damit es uns besser geht.“ Aber Anna erwiderte logisch: „Die haben das doch nicht gelernt, woher sollen sie wissen, was sie tun müssen?“ „Im Betrieb haben die Arbeiter auch erzählt, dass sich die Kommunisten, die auch mitbestimmen wollen, einen erbitterten Kampf mit den Freikorps und anderen bewaffneten Einheiten geliefert haben“, sagte Otto zu seiner Frau. „Dabei hat es viele Tote und Verwundete gegeben.“ „Ach, die wollen doch alle bloß an die Macht und den Rahm abschöpfen“, war die einfache Feststellung von Anna. „Da tun einem nur die armen Leute leid, die dabei gestorben sind oder verwundet wurden.“

      Doch Otto hatte schon mehr Hintergründe erfahren: „Die Sozialdemokraten und die Kommunisten wollen eigentlich das Gleiche, aber sie sind sich nicht in allem einig. Die Kommunisten wollen es wie in Russland – der jetzigen Sowjetunion – machen und die Industriellen, Junker und die Adligen entmachten und enteignen und die Betriebe dem Volk geben. Die Sozialdemokraten wollen aber durch eine Wahl und eine allgemeine Mitbestimmung gerechte Gesetze für alle Mitbürger erlassen und die gewählten Vertreter würden dann unsere Regierung sein. Das klingt zwar gut, aber was wird dann bei uns aus den Industriellen, Bankiers und Grundbesitzern? Freiwillig werden die ihr Hab und Gut nicht hergeben. Die Sozialdemokraten haben versprochen, wenn sie an die Macht kommen, dass in den Betrieben wirklich nur acht Stunden am Tag gearbeitet werden darf und jeder dafür einen Mindestlohn erhält, der dann in allen Eisenbahnbetrieben gleich ist.“ „Na, das wäre ja nicht schlecht“, meinte Anna, dafür kannst du ja sein.“ „Ja, aber wenn ich diese Gedanken unterstütze, müsste ich in die SPD oder in die Gewerkschaft eintreten.“ „Das kommt gar nicht in Frage! Wir sind nicht für Politik! Wir sind in der Kirche! Da wissen wir wenigstens, woran wir glauben können“, war die Entscheidung von Anna. Das war eigentlich auch Ottos Meinung. Er engagierte sich ja auch schon im Gemeinderat und hatte dort genug zu tun. Aber wie sollte es werden, wenn alle Menschen so dachten?

      Und so einfach war es auch gar nicht, die Politik nicht zu beachten, denn es passierte am laufenden Band etwas. Im Januar brachte Vater ein Flugblatt der Kommunistischen Partei mit nach Hause, in dem stand, dass Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg von der Reichswehr ermordet worden seien. In Weimar – das lag irgendwo in Thüringen – sollte die Wahl zur Nationalversammlung stattgefunden haben. Das bedeutete endlich etwas Gutes, denn dann hatte Deutschland wieder eine Regierung. Ein Friedrich Ebert war zum ersten Präsidenten, ein Philipp Scheidemann zum ersten Ministerpräsidenten gewählt worden, die Reichswehr sollte in Zukunft von einem Gustav Noske aufgebaut werden. Diese Namen sollte man schon wissen, wenn sie sicher auch nicht so bekannt würden, wie die Namen der Könige und Kaiser.

      Außerdem hatte die Friedenskonferenz in Paris begonnen, über das Schicksal Deutschlands zu entscheiden.

      Doch um die Familie Krohn gab es auch ganz praktikable Vorgänge: In den Straßen – auch in Ponarth – formierten sich Demonstrationszüge mit Transparenten. Die SPD-Demonstranten forderten auf ihren Plakaten mehr Mitspracherecht, die Kommunisten wollten „Alle Macht dem Volke“, die Nationalsozialisten wollten eine saubere

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