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Mannes« ein so plötzliches Ende gefunden hatte. Leider ist es uns Christen schon immer ziemlich gut gelungen, den Eindruck zu erwecken, wir wären himmlisch gesinnte Spielverderber, die Spaß vor dem Tod für verboten halten (selbst wenn es ganz harmloser Spaß ist). Nicht, dass es besonders harmlos wäre, wenn zwei Kerle im vorgerückten Alter sich gegenseitig eins auf die Glocke geben. Aber es gibt immer noch manche Jesusnachfolger, die jede Art von Spaß mit der gleichen schmallippigen Abscheu betrachten wie einen dringend salbungsbedürftigen Hautausschlag. Zu Christen fällt den meisten Leuten nicht unbedingt irgendetwas Lautes, Ausgelassenes oder gar Riskantes ein. Man erwartet von uns, dass wir durch und durch »ausgeglichen« und »konservativ« sind – nur fürchte ich, dass das nur Codewörter für

      »fade« sind. Kürzlich kam ein ziemlich griesgrämiger Mann auf mich zu, nachdem ich eine Predigt mit etwas Humor gewürzt hatte (das ist Dir bestimmt auch schon mal passiert, Adrian, oder?). Er behauptete, Christen sollten keinen Spaß, sondern Freude haben. Er selber freilich schien keines von beiden zu haben. Und überhaupt, im Vergleich zu einem lauthals schallenden Lachen kommt mir »tiefe Freude« wie eine unwillkommene zimperliche Cousine zweiten Grades vor. Ich kenne Christen, die behaupten, voller Freude zu sein, aber so ein verkniffenes Gesicht machen, dass man meinen könnte, sie versuchten gerade, etwas von der Größe eines Kamels in die Schüssel zu drücken. Du bist doch so etwas wie ein Pionier auf dem Gebiet, Christen zum Lachen zu bringen. Warum fällt es uns eigentlich so schwer, uns zu entspannen?

      Aber was ich interessant finde, ist die Reaktion von Tom, dem Kneipenwirt.Wie Du sagst, hätte er die beiden faltigen Möchtegerngladiatoren sicher auch so rausgeworfen, weil er nun einmal einer ist, der seinen Laden in Ordnung hält. Aber offensichtlich meinte er ja, er täte Dir einen Gefallen damit. Er wollte nicht, dass Du Dich durch die krakeelenden alten Knacker belästigt fühlst, wo Du doch in einer Fernsehsendung mitwirktest, in der es um Gott ging. Also eilte er zu Deinem Schutz herbei, um Deine Ohren vor den anstößigen Kraftausdrücken zu bewahren.

      Mir scheint, Leute, die keine Christen sind, nehmen gegenüber ihren christlichen Zeitgenossen einen von zwei extremen Blickwinkeln ein – entweder den, wir seien zu schwach, um mit der wirklichen Welt fertig zu werden, oder den, wir seien zu stark, um uns mit ihr abzugeben.

      Lass mich das erklären. Manche von uns erwecken den Eindruck, unser Glaube sei so zerbrechlich, dass wir uns unmöglich dem rauen Gerangel der realen Welt um uns her aussetzen könnten. Wir perfektionieren den Blick von oben herab und das missbilligende Zungenschnalzen und benehmen uns wie leidende Patienten. Am anderen Ende der Skala sind die Christen, die den Eindruck vermitteln, wir seien unangreifbar stark und hätten alles im Griff. Wir seien Leute, die schon angekommen sind, nicht solche, die noch auf dem Weg sind. Deshalb fluchen wir nicht, wir werden nicht lüstern, wütend oder deprimiert, und wenn wir mit der großen schmutzigen Welt aneinandergeraten, benehmen wir uns wie Ned Flanders aus Die Simpsons auf einem Striptänzerinnen-Kongress.Vielleicht müssen wir uns einfach gegenseitig zubilligen, die menschlichen, chaotischen, unfertigen Gotteskinder zu sein, die wir sind.Vielleicht würde das dem einen oder anderen betagten Kneipenstreithahn eine Unterkühlung ersparen.

      Wo ich gerade beim Thema bin, Adrian, würde ich Dir gerne auch eine Kneipengeschichte erzählen, die ich kürzlich erlebt habe. Leider ist es eine der wenigen Geschichten, die ich habe, in denen ich ziemlich gut dastehe. Entschuldige bitte. In den meisten meiner Anekdoten bin ich so eine Art Mr. Bean mit einer Bibel: ein total tollpatschiger Typ, der von einer Riesenblamage in die nächste segelt. Ich habe schon an anderer Stelle darüber geschrieben, deshalb erzähle ich sie hier nur in groben Zügen.

      Ich war mit Kay (sie lässt herzlich grüßen!) auf einer landesweiten Pastorenkonferenz in San Diego. Dort waren zweitausend Pastoren versammelt, und ich war einer der Referenten. An einem Abend gingen wir in die Hotelbar, und drei leicht angetrunkene Männer gesellten sich zu uns. Anfangs plauderten sie nur und erzählten uns in bester Laune alles Mögliche von sich. Dann fragten sie Kay, wie eine so schöne Frau dazu komme, einen so alten Mann wie mich zu heiraten. Schließlich schwankten sie hinüber zur Karaoke-Anlage.Vor den Augen der anderen Pastoren widmete einer von ihnen uns das Lied, das sie singen wollten.

      Zuerst war mir das äußerst peinlich. Was würden die anderen Pastoren denken? Aber dann dachte ich mir, sei’s drum. Das Entscheidende war doch, dass diese drei gerne Zeit mit uns verbrachten. Daraus habe ich etwas gelernt … Genau wie Du möchte ich jemand sein, mit dem Leute, die Gott nicht kennen, gerne zusammen sind. Das heißt nicht, dass unser Leben andere Leute niemals vor Herausforderungen stellen sollte: Schließlich sind wir berufen, das Salz der Erde zu sein, nicht der Zucker. Ich will keineswegs sagen, dass wir uns stromlinienförmig anpassen sollten, bis wir genauso aussehen und uns genauso anhören wie alle anderen, nur damit uns die Leute mögen.

      Doch die Unterhaltung an jenem Abend und die Widmung dieses Liedes stoßen mich an zu dem Gebet, Gott möge mich zu jemandem machen, der gewinnend genug ist, um der einen oder anderen Einladung zu einer Party oder zum Essen für wert erachtet zu werden. So war es schließlich auch bei Jesus, dem wir nachfolgen. Aber das wird immer ein bisschen gefährlich sein. Dass er sich mit den Unheiligen abgab, brachte es mit sich, dass er von den Frommen ständig missverstanden wurde. Doch er ließ sich nicht davon abbringen und war fest entschlossen, Zeit mit den

      »falschen« Leuten zu verbringen, die ihn liebten, und das nicht nur wegen seiner legendären Fähigkeit, auf Partys für hervorragenden Wein zu sorgen. Um Deine Analogie von den frommen Herren in der Ecke auszuborgen – Jesus wechselte die Ecken. Diejenigen, die ihm nachfolgen, sollen so sein wie er. Und so zu sein wie er bedeutet, die gleichen Risiken einzugehen.

      Diese ganze Geschichte mit der Frömmigkeit in der Ecke bringt mich zu Deinem Freund Ted. Ich war traurig und froh zugleich, von seinem verloren gegangenen Glauben und eurer Unterhaltung zu hören. Im Laufe der Jahre habe ich auch eine Menge von meinem Glauben verloren. Adrian, Du kanntest mich schon in meinen frühen Jahren als christlicher Eiferer. Ich konnte mit »Antworten« um mich werfen wie ein Karnevalsprinz mit Plombenziehern. Die Konturen meines Glaubens waren ganz klar und scharf. Und die Menschen betrachtete ich mit demselben Schwarz-Weiß-Denken, mit dem ich auch an meinen Glauben heranging – sie waren entweder drinnen oder draußen, gut oder schlecht, »einwandfrei« oder fragwürdig. Dass ich mich bei einer Unsicherheit oder einem Zweifel hätte erwischen lassen, war ungefähr so wahrscheinlich wie ein Auftritt des Erzbischofs von Canterbury als Modell bei einem »Friseur-des Jahres«-Wettbewerb. Ich machte mir auch große Sorgen um die Wiederkunft Jesu, was Besuche im Supermarkt zu regelrechten Zitterpartien werden ließ. Kay verschwand irgendwo in den Gängen, und nachdem ich zehn Minuten lang fieberhaft nach ihr gesucht hatte, war ich fest davon überzeugt, dass Jesus wiedergekommen sei. Mist. Ich war zurückgelassen worden, und jetzt blühte mir, in kochendes Öl geworfen zu werden, weil ich ein Christ war. Dann stellte ich fest, dass sie gar nicht den vertikalen Abflug gemacht, sondern nur auf der Suche nach Fischstäbchen in der Kühltruhe herumgewühlt hatte. Mein Glaube damals war ein seltsamer Cocktail aus blinder Gewissheit, durchsetzt mit blankem Schrecken (eine sehr merkwürdige Kombination).

      Vieles hat sich verändert. Ich bin immer noch genauso überzeugt von Jesus wie eh und je (meistens jedenfalls – es gibt immer noch Momente, in denen ich im Stillen hoffe, dass wir uns nicht alle nur etwas vormachen), aber mir rollen sich heute regelmäßig die Zehennägel auf, wenn Christen mit einfachen Antworten auf schwere Fragen um sich werfen. Aus diesem Grund hat Kay mir inzwischen strikt untersagt, mir bestimmte Evangelisten auf christlichen Fernsehsendern anzuschauen. Hauptsächlich, weil sie es nicht leiden kann, eine Ladung Müsli von der Mattscheibe tropfen zu sehen.

      Einen davon schaute ich mir neulich an, als ich gerade mein »Special K« mit Himbeeren und fettarmer Milch zu mir nahm (das sind viele Einzelheiten, ich weiß, Adrian, aber ich spüre eine Welle der Andacht in mir aufsteigen, wenn ich von einer so gesunden Mahlzeit spreche). »Gott hat mir einen Weg gezeigt, wie man Ärger und Druck in dieser Welt vermeiden kann«, tönte er und wedelte mit der Bibel in die Kamera. Die Ironie dieses Bibelgewedels entging mir nicht: Ist dieses Buch doch voller Geschichten von treuen und gläubigen Nachfolgern Gottes, die gejagt, in Öfen geworfen, gesteinigt und geschlagen und sogar gekreuzigt wurden. Das alles hört sich für mich nicht gerade nach Vermeidung von Ärger und Druck an.

      Aber offenbar

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