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und asoziale, das heißt kaum noch erziehbare Schutzhäftlinge“, tatsächlich aber befinden sich 93 Prozent der Insassen auf Grund ihrer nationalen, rassischen, religiösen Zugehörigkeit oder ihrer politischen Orientierung im Lager.

      Franz Ziereis, der 1942 auch Betriebsdirektor der Granitwerke Mauthausen wird und in der SS-Hierarchie bis zum SS-Standartenführer aufsteigt, verantwortet als Lagerkommandant von Mauthausen und seinen Nebenlagern die Ermordung von etwa 105.000 Menschen. Über seinem Schreibtisch hängt eingerahmt sein Wahlspruch:

       Ein Pfui dem Mann,

       der nicht schlagen kann. Noch lebt das Gebot: Schlag’ tot, schlag’ tot!

      Zwei Tage vor der Befreiung Mauthausens, am 3. Mai 1945, flieht Ziereis mit seiner Frau zu einer Jagdhütte am Pyhrn; am 22. Mai wird er von US-Soldaten aufgestöbert und bei einem Fluchtversuch schwer verwundet: In seiner „Beichte“ am Totenbett spricht er von 4.000 Häftlingen, die er persönlich getötet hätte. Am 25. Mai 1945 erliegt Franz Ziereis seinen Verletzungen.

       Hungerunruhen

      Vielfach ist das Thema „Hunger“ bereits aus unserer Wahrnehmung verschwunden. Zu Unrecht, wenn man genauer hinblickt: So kommt es am Höhepunkt der Nahrungsmittelkrise nach dem Ersten Weltkrieg in ganz Österreich zu Plünderungen und Unruhen. So auch im steirischen Leoben, wo am 10. Februar 1920 Donawitzer Arbeiter in das Gebäude des „Bezirkswirtschaftsamtes“ eindringen und die zusätzliche Ausgabe von Mehl und Lebensmitteln fordern. Als die Beamten dieser Forderung nicht nachkommen und die Klagen der Arbeiter über die schlechte Ernährungslage nicht ernst nehmen, eskaliert die Situation:

      Die Arbeiter erhalten Unterstützung von „kommunistischen“ Demonstranten; es kommt zu blutigen Zusammenstößen mit der Gendarmerie. Die erschreckende Bilanz: fünf Tote und 45 Verletzte.

      Der Vorfall sorgt in der ganzen Steiermark für großes Aufsehen und heizt das Gemüt der ausgehungerten Bevölkerung weiter an. Offiziell werden – man ist versucht zu sagen: wie gewohnt – die Kommunisten als Schuldige angeprangert: „Von kommunistischen Elementen aufgehetzt, rotteten sich heute Nachmittag zahlreiche, vorwiegend aus der Umgebung der Stadt erschienene Personen, Männer, Frauen und halbwüchsige Burschen, in Leoben zusammen und zogen vor das Gebäude des Bezirkswirtschaftsamtes, dessen Eingang bereits von Gendarmerie bewacht war“, teilt der Steiermärkische Landespressedienst über den Vorfall mit.

      Der Bürgermeister von Leoben versucht die Stimmung zu beruhigen: „Der Bürgermeister von Leoben erließ an die Bevölkerung von Leoben einen Aufruf, worin darauf hingewiesen wird, dass die Gemeindevertretung alles Menschenmögliche getan habe, um Lebensmittel herbeizuschaffen.

      Sie werde auch fernerhin ihre Pflicht erfüllen und der Bürgermeister hoffe, dass die Bemühungen wenigstens insofern einen Erfolg haben werden, als es gelingen werde, der Bevölkerung über die schwere Zeit hinwegzuhelfen. Die Bevölkerung wird aufgefordert, alles zu unterlassen, was zu weiteren Ruhestörungen führen könnte“, zitiert ihn die Arbeiter-Zeitung am nächsten Tag. Sofort nach diesem Zwischenfall werden alle Funktionäre der großen Parteien und Gewerkschaften zu einer Versammlung gebeten, um die Lage zu besprechen und Lösungen zu finden.

      Es brodelt jedoch nicht nur in der Steiermark zu dieser Zeit. Auch in Oberösterreich und Wien kommt es zu heftigen Hungerunruhen, die im Winter 1920/​1921 ihren Höhepunkt erreichen: Hotels, Restaurants und Cafés, in denen sich, wie man glaubt, vorwiegend die „Reichen“ aufhalten, werden geplündert und demoliert. Auch das berühmte Café Sacher bekommt die Auswirkungen der Hunger- und Teuerungsunruhen zu spüren: Fenster werden eingeschlagen, die „Randalierer“ können nur mit Mühe im Zaum gehalten werden.

       Der Matrosenaufstand in Cattaro

      Österreich-Ungarns Natur-Kriegshafen Cattaro (Kotor) an der Südspitze Dalmatiens, Stützpunkt der k. u. k. Kriegsmarine. Es ist 6 Uhr 50 am Morgen. An der Friedhofsmauer der Stadt stehen vier Männer: der Bootsmannmaat Franz Rasch von der Küstenflugstation Kumbor, der Deckmatrose 1. Klasse Anton Grabar vom Panzerkreuzer „SMS St. Georg“ und die beiden Geschützmeister Jerko Sisgoric von der „St. Georg“ und Mate Bernicevic von der „SMS Gäa“ – alle vier vom Standgericht des k. u. k. Kriegshafengerichts Cattaro des „Verbrechens der Empörung nach § 157 M. St. G.“ für schuldig befunden und zum Tode durch Erschießen verurteilt. Die vier sühnen als „Rädelsführer“ stellvertretend für ihre Kameraden: Etwa 6.000 Matrosen auf 40 Schiffen haben sich an der Meuterei vom 1. Februar beteiligt, ausgelöst durch unerträgliche Missstände auf den untätig in der Bucht liegenden Stahlkolossen: Die Matrosen hungerten, von den Offizieren um einen Teil ihrer Menage betrogen, gequält mit harten Strafen für jede kleinste Verfehlung; nur selten gab es die Erlaubnis zum Landgang oder gar Heimaturlaub. Die Nachrichten von den Aufständen der russischen Soldaten und Matrosen und dem Streik in den Wiener Neustädter Daimler-Motorenwerken hat auch sie, die „Gedemütigten und Getretenen“ (Julius Braunthal), zum Widerstand bewogen. Vor dem Standgericht beweist vor allem der aus dem mährischen Prerau (Přerov) stammende Arbeiter Franz Rasch Mut und bekennt sich offen zu seinem Tun: „Ich wüsste nicht, welche mildernde Umstände ich für mich geltend machen könnte. Ich wollte den Frieden, ich bereue es nicht. Ich wusste, dass es mich das Leben kosten würde. Aber schließlich sterbe ich dann für meine eigene und nicht für eine fremde Sache […]“ Ein Gnadengesuch, das der zivile Verteidiger der Verurteilten an Kaiser Karl richtet, bleibt unbeantwortet.

       Ausgangspunkt der Revolte: der Panzerkreuzer „SMS St. Georg“.

      Vor den vier Männern nimmt das Erschießungskommando Aufstellung; Franz Rasch lehnt die ihm angebotene Augenbinde ab, seine letzten Worte sind: „O, dass so viel Blut fließen muss!“ – dann krachen die Schüsse …

      Eine Gedenktafel in der Festung Kotor, heute Montenegro, erinnert an die Hingerichteten.

       Die Februarkämpfe

      Das traditionsreiche Café Central im Palais Ferstel in der Wiener Herrengasse. General a. D. Theodor Körner, der Vorsitzende des Bundesrates, genießt an diesem Montagmorgen wie jeden Tag seinen Kaffee, als plötzlich ein Schutzbündler ins Lokal stürzt und meldet: „In Linz wird geschossen. Die Polizei lässt eine Waffenbeschlagnahme durchführen und der Schutzbund wehrt sich dagegen.“ Körner, der 1930 aus dem Schutzbund ausgetreten und ein scharfer Kritiker des „Pseudomilitärs“ ist, eilt daraufhin ins Parlament und bespricht sich mit seinem Parteifreund Adol Schärf; dann sucht er Bundespräsident Wilhelm Miklas in der Hofburg auf. Der Bundespräsident zeigt sich besorgt über die Lage, meint aber: „Ich kann gar nichts machen. Dollfuß sagt mir nichts, selbst wenn ich um Auskunft oder Orientierung ersuche. Er weist mich direkt ab.“ Miklas verweist Körner an den niederösterreichischen Landeshauptmann Alfred Reither, vor dem Dollfuß noch „einigen Respekt“ habe. Inzwischen hat jedoch der sozialdemokratische Landeshauptmann-Stellvertreter Oskar Helmer bereits vergeblich versucht, Reither zu konkreten Taten zu überreden.

      Der „Aufmarschplan“ des Schutzbundes sieht für Wien einen „Sturmangriff“ aus den Gemeindebauten auf die Innenstadt vor, wobei auch die Regierungsgebäude besetzt werden sollen. Der sozialdemokratische Parteivorstand zögert jedoch und wartet zu, Parteichef Otto Bauer will erst losschlagen, nachdem die Regierung das Feuer eröffnet hat. Als man sich um 1.30 Uhr endlich entschließt, den Generalstreik zu proklamieren, ist es zu spät, denn nun haben Dollfuß und Major Fey, der am Vortag bei einer Heimwehr-Übung mit dem Ausspruch „Wir werden morgen an die Arbeit gehen und … ganze Arbeit leisten!“ provoziert hat, die Initiative bereits

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