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      »Ich arbeite aus Prinzip nicht mit anderen zusammen.«

      »Ihre Prinzipien gehen mir am Arsch vorbei, Mann.« Das künstliche Lächeln war einer steinernen Maske gewichen. »Die Mission ist für vier Personen ausgelegt. Finden Sie sich damit ab, oder gehen Sie. Ihre Antwort?«

      Giacomo ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Das gehörte zum Spiel. Er bereute nur, die Zigarettenschachtel weggeworfen zu haben. »Einverstanden.«

      Das breite Lächeln kehrte zurück. »Ich wusste, dass Sie die richtige Entscheidung treffen würden. Sie sind engagiert, Señor Salvadore. Wenn Sie mir bitte folgen würden.«

      Leichtfüßig sprang der Fremde auf das Boot. Dem Stewart gab er ein Handzeichen, und mit dröhnendem Motor verließen sie das Hafenbecken und steuerten hinaus aufs offene Meer.

      ***

      Das kleine Motorboot verfügte zwar über eine Kajüte, doch Giacomo hatte darum gebeten, an Deck bleiben zu dürfen. Über ihm leuchteten die Sterne mit einer Intensität, die er seit seiner Kindheit nicht mehr erlebt hatte. Jede Minute, die er unter Deck verbracht hätte, wäre Verschwendung gewesen.

      Insgesamt befanden sich fünf Mann an Bord: Der Fremde, der sich in der Zwischenzeit als Phillip Scholz vorgestellt hatte, drei namenlose Wachposten sowie er selbst. Die See hatte sich beruhigt, weshalb sie schnell vorankamen. Mit einer Geschwindigkeit von mindestens zwanzig Knoten jagten sie über die leicht wogende Wasseroberfläche. In der Ferne tauchten mehrere Inseln auf. Giacomo spähte angestrengt in die relative Dunkelheit, bis er die einzelnen Konturen klar voneinander abgrenzen konnte.

      »Wir sind bald da«, stellte Scholz überflüssigerweise fest.

      Als Gesprächspartner war er denkbar ungeeignet, wenn nicht sogar unangenehm. Nach mehreren Versuchen, etwas aus ihm herauszuquetschen, hatte Giacomo aufgegeben und sich mit der Tatsache abgefunden, dass er gegen eine Wand redete.

      Er hoffte nur, dass die hinter Scholz stehenden Aufraggeber großzügiger mit ihren Informationen waren. Wenn er eines hasste, dann waren es schlecht abgeklärte Missionen. Um ein perfektes Ergebnis garantieren zu können, benötigte er alle Informationen, die er kriegen konnte, nur so ließen sich Fehlkalkulationen und Fehlentscheidungen noch im Vorfeld verhindern. Allerdings schienen die Drahtzieher alles andere als Anfänger zu sein, darum vertraute er ihnen. Vorerst.

      Am Ufer der ersten Insel tauchte eine nicht unbedeutende Anlegestelle auf, an deren Seiten weitere Bote vertäut lagen. Bullige Wachposten in schwarzen T-Shirts patrouillierten bewaffnet mit Maschinenpistolen davor auf und ab. Im Giebel des Bootschuppens brannte eine einsame Glühbirne, ansonsten gab es keine erkennbaren Lichtquellen. Nur die auf einer Anhöhe erbaute Villa strahlte noch etwas Licht ab.

      Giacomo meinte, die meisten Mafiaverstecke zu kennen, doch diese Insel war ihm nicht vertraut. Entweder gehörte sie einem eher unbedeutenden Mafiosi, oder er hatte die Ausmaße der Organisation unter- und seine Rolle darin überschätzt.

      »Aussteigen!«, befahl einer der muskelbepackten Bodyguards mit russischem Akzent.

      »Nana, Signor Salvadore ist unser Gast. Wo bleibt dein Benehmen, Gregor? Als neulich die nette Signorina zu Besuch war, hast du doch auch geschnurrt wie ein Kätzchen«, spottete Scholz.

      Giacomo deutete einen übertriebenen Knicks an, der selbst den finsteren Gregor zum Lachen brachte. Kriminelle verfügten über einen ausgeprägten Humor. Nicht selten diente ein qualvoller Akt, den die Polizei gemeinhin als Mord bezeichnete, zur humoristischen Erquickung mancher Mafiabosse. Giacomo war stets darauf bedacht, nicht zu einem jener Vergnügen zu werden.

      Die Villa war beeindruckend, mehrstöckig und von einer Eleganz vergangener Tage. Die mit Terrakotta geflieste offene Veranda besaß die Größe eines Basketballfeldes samt Schiedsrichtertribüne. Der Ausblick aufs Mittelmeer war ungetrübt, kein einziger Baum befand sich im Sichtfeld. Die Landschaft war geprägt von Zypressen, hohen Gräsern und Kakteen, die zwischen Steinansammlungen wuchsen. Eine Idylle inmitten des Ozeans. Unten hörte man die Wellen im vorgegebenen Takt der Natur gegen das steinige Ufer klatschen.

      Irgendwann, wenn die Zeit gekommen war, würde sich Giacomo an einem solchen idyllischen Ort zur Ruhe setzen. Dann würde er einegenau zwischen sich und Villa erbauen, noch imposanter und luxuriöser als diese hier. Er würde eine nette Frau finden und mit ihr gemeinsam seinen Lebensabend verbringen. Bis jetzt war es nur eine schöne Vorstellung, doch der neue Auftrag und die unfassbar hohe Bezahlung konnten seine Zukunftsträume Wirklichkeit werden lassen. Wenn alles glatt lief, konnte er sich danach ein für alle Mal aus dem Geschäft zurückziehen. Er hätte ausgesorgt.

      Nur mit Mühe gelang es ihm, aus der Traumwelt in die Realität zurückzufinden. Vor ihm lag der wohl mit Abstand schwierigste Auftrag seines Lebens. Die Zukunft war noch nicht geschrieben, alles war möglich. Der Erfolg könnte ausbleiben, die Auftraggeber nicht zahlen. Schon so manches Mal war es ihm nur unter Einsatz gewisser Druckmittel gelungen, sein Honorar einzutreiben.

      Im ersten Stock brannte helles Licht, während das Erdgeschoss weitestgehend im Halbschatten lag. Scholz führte ihn durch die Terrassentür. Drinnen präsentierte sich ihm ein überaus geräumiges Wohnzimmer mitsamt angrenzendem Essbereich. Die Möbel – gleich mehrere Sofas, Sessel, Tische und Schränke – waren aus den teuersten Materialien gefertigt. Das Material der Bücherschränke erkannte Giacomo als westindisches Satinholz.

      Die Villa war ein regelrechter Stützpunkt, und Giacomo schloss nicht aus, dass sie eigens für diese Mission erbaut worden war, denn sie war noch nicht von dem rankenden Wein befallen, der überall an den kleineren Gebäuden nahe des Anlegestegs emporspross. Die Anordnung und Planung der Räumlichkeiten erinnerte ihn an eine Militärkaserne. Alles war so angelegt, dass eine reibungslose Missionsplanung gewährleistet war. Allmählich gefiel es ihm.

      »Ich wurde ermächtigt, Sie auf Ihr Zimmer zu führen.« Scholz war für einen Augenblick verschwunden gewesen und hatte Giacomo staunend zurückgelassen, nun stand er wieder vor ihm. »Wenn Sie möchten, können Sie vorher noch eine Mahlzeit in der Küche einnehmen. Alle weiteren Erklärungen folgen morgen.«

      Giacomo lehnte ab, Hunger verspürte er keinen. Scholz geleitete ihn über einen Korridor zu seinem Zimmer mit der Nummer 17.

      »Ich wünsche ein angenehme Nachtruhe.« Mit diesen Worten verschwand er und ließ Giacomo alleine zurück. Warum schloss man ihn nicht ein? fragte er sich. Die Antwort waren in die Tür eingelassene Bewegungsmelder, die sofort anschlagen würden, sollte er den Raum verlassen – sie auszutricksen war ohne technische Hilfsmittel so gut wie unmöglich.

      Sein Quartier war stilvoll eingerichtet und verfügte neben einem großen Himmelbett über einen 3D-Fernseher sowie einen begehbaren Kleiderschrank, in dem sich eine komplette Herrengarderobe einschließlich Schuhe befand.

      Im Badezimmer wusch sich Giacomo das Gesicht unter kaltem Wasser. Plötzlich kamen ihm erste Zweifel, ob seine Entscheidung richtig gewesen war. Die Villa war beeindruckend und der erste Eindruck bestätigte die Professionalität der Auftraggeber, doch konnte er eine unterschwellige Besorgnis nicht mehr leugnen. Alles schien eine Spur zu groß für ihn zu sein. Mit welchen Leuten hatte er sich da nur eingelassen, und worum mochte es bei dem Auftrag gehen? Früher hatte er nie darüber nachgedacht und alles so hingenommen, wie es war. Damals hatte er rundliche Firmenchefs von gegenüberliegenden Parkdecks mit einem Scharfschützengewehr ausgeschaltet oder Industriespionage betrieben. Mit einer derart einfachen Tätigkeit konnte er in diesem Fall wohl kaum rechnen.

      Im Schlafzimmer stellte er sich breitbeinig vor das Panoramafenster und genoss den Ausblick. Er war hier, daran konnte er nun nichts mehr ändern. Bald schon würde die Sonne aufgehen, Zeit zum Schlafen. Ohne sich auch nur die Mühe zu machen, aus seinen Klamotten zu schlüpfen, legte er sich aufs Bett und schlief sofort ein. Ein Segen, der ihm nie verwehrt blieb.

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