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liebe diese Rose, denkt Hope.

      Die Blume erinnert sie an die Geschichte von der Rose und dem Schmetterling. Es ist Hopes Lieblingsgeschichte, die sie aus der Schule kennt.

      Unter der Rose liegt ein kleiner Stoffbeutel. Darin bewahrt Hope ihre Ersparnisse auf. Es sind nur wenige Schillinge. Aber Hope hofft, dass es am Ende des Tages mehr sein werden.

      Hope öffnet die Holztür, die kika, die aus Ästen zusammengebunden ist, und geht hinaus. Ihre vier Schwestern, mit denen sich Hope die Hütte teilt, schlafen noch. Draußen ist es warmund still. Es ist Trockenzeit im Norden Ugandas.

      Hope streckt sich, gähnt laut und bewundert den Mangobaum, der zwischen den vier Lehmhütten der Familie steht: eine für die Mädchen, eine für die Jungen, eine für die Eltern und eine für die Großeltern.

      Die Früchte des Baumes sind fast reif. Hope freut sich auf den Geschmack der Mangos, die sie bald ernten darf. Süß werden sie schmecken. Der Saft der Mangos wird ihre Finger verkleben und das Fleisch der Früchte wird sich zwischen ihren Zähnen verfangen.

      Wunderbar, denkt Hope und rennt flink zu dem Brunnen, der sich zum Glück nur wenige Meter von den Hütten der Familie befindet.

      Hope spritzt sich ein wenig Wasser ins Gesicht, füllt den Eimer und trägt ihn zurück zu den Hütten, damit sich die anderen daraus waschen können, wenn sie aufstehen.

      "Ich gehe zum Markt", ruft Hope anschließend den noch schlafenden Eltern zu.

      "Viel Glück", ruft ihr Vater aus seiner Hütte. "Danke", antwortet Hope und lacht.

      Die Straße zum Markt in Ayam ist sicher, sagen die Leute. Hopes Eltern brauchen sich demnach keine Sorgen um ihre Tochter zu machen. Außerdem hat sie ihren Eltern am Abend zuvor gesagt, was sie heute geplant hat. Hopes Vater ist damit einverstanden gewesen.

      "Du bist zwar unser zweitältestes Kind und ein Mädchen, aber immer die Erste und Beste", sagt der Vater oft. "Voller Energie und Leben. Es ist ein Segen, dich zu haben." Hope wird sehr verlegen, wenn ihr Vater sie lobt. Wie zwölfjährige Mädchen halt so sind.

      Hope hebt eine blaue Plastikschale mit noch grünen Tomaten vom Boden neben ihrer Hütte auf, um diese auf dem Markt zu verkaufen. Hope träumt von einem weißen Kleid, das sie sich amliebsten schon dieses Jahr zu Weihnachten kaufen möchte, um schön auszusehen im Kirchenchor, in demsie jeden Sonntag singt.

      Nicht immer nur diese Sachen hier anhaben, nein, denkt Hope, endlich einmal etwas Schönes tragen und wie eine echte Prinzessin aussehen.

      Die Eltern können Hope diesen Wunsch nicht erfüllen. Die Schuluniform, obwohl gebraucht gekauft, ist bereits teuer genug für sie gewesen. Mehr ist beimbesten Willen nicht zu machen. Für die braunen Lederstiefel, die eigentlich zu der Uniformgehören und die auch gegen Schlangenbisse schützen sollen, hat es schon nicht mehr gereicht. Deshalb trägt Hope nur Plastikschuhe, und auch die fallen schon fast auseinander. Oft läuft Hope nur barfuß.

      Hope geht es gut an diesemfriedlichen Morgen im Dezember. Die Sonne scheint. Seit neun Tagen sind Ferien. Knapp zwei Monate schulfrei liegen noch vor ihr. Weder Hopes Mutter noch ihr Vater haben ihr heute Aufgaben gegeben. Hope muss nicht putzen, Holzkohle heranschleppen, auf den Feldern arbeiten oder die Hühner füttern. Dieser Tag gehört Hope. Das ist etwas Besonderes. Hope weiß das zu schätzen. Sie freut sich.

      Schnellen Schrittes geht Hope die sechs Kilometer bis zum Markt. Vorbei an den Nachbarhütten, aus denen der Qualm der Feuerstätten in den Himmel zieht. Ab und zu prescht ein hupender, mit Menschen und Tieren völlig überfüllter Bus an Hope vorbei, meist aber sind es nur Fahrräder, boda-boda-Taxis, denen Hope auf der mit Schlaglöchern verzierten Straße immer wieder Platz machen muss.

      "Hey, du hübsches Ding, pass doch auf", rufen ihr die jungen Burschen auf den Fahrrädern zu und grinsen dabei frech.

      Hope ist schön gewachsen, schlank und groß. Ihre Haare sind kurz und gepflegt, die Zähne schneeweiß und eben. Es ist kein Wunder, dass sich die Jungen nach ihr umgucken.

      Hope beachtet die Jungen auf ihren Fahrrädern aber nicht. Das Mädchen ist zu sehr damit beschäftigt, die Schale mit den Tomaten in seinen Händen zu balancieren, damit diese nicht hinauskullern.

      Als Hope schließlich den Markt erreicht hat, herrscht dort schon ein reges Treiben. Frauen verkaufen getrockneten Fisch, Tomaten, Ananas, Mehl und Maniokwurzeln. Männer bieten Plastikschüsseln, Stoffe, Taschen, Schuhe, Hosen und allerlei Werkzeuge an. Es duftet nach Kräutern und Gewürzen, nach gebratenem Huhn, Knoblauch und Zwiebeln.

      Hope sucht sich einen Platz am Rande des Marktes und setzt sich auf den Boden. Sie stellt die Schüssel vor sich auf den Boden und wartet auf Kunden.

      Ab und zu stoppt jemand, blickt auf das unreife Gemüse und geht weiter. Einige Frauen schütteln den Kopf und blicken mitleidig auf Hope, die ihnen aber immer wieder ein Lächeln schenkt.

      "Guten Morgen", sagt Hope, "auch meine Tomaten werden bald rot." Die Marktbesucher antworten mit einem Brummeln, wenn überhaupt.

      Davon lässt sich Hope aber nicht entmutigen. Das weiße Kleid ist ihr Ziel. Dafür lohnt es sich, zu Fremden freundlich zu sein.

      Die Komplimente, die Hopes Vater ihr immer wieder macht, machen sie zwar oft verlegen, dennoch weiß Hope schon früh, wie sie entschlossen, wenngleich freundlich wirken kann. In der Schule zum Beispiel. Oder im Gottesdienst. Für ihr Alter wirkt Hope schon sehr erwachsen.

      Doch als es Nachmittag wird und sich die Sonne langsam zu senken beginnt, sitzt Hope noch immer mit der gefüllten Schale Tomaten auf der Straße vor dem Markt. Sie hat keine einzige verkauft und der Markttag nähert sich dem Ende.

      Es ist bestimmt schon spät, denkt Hope.

      Vor Einbruch der Dunkelheit muss sie zu Hause sein. So lautet die Abmachung mit dem Vater.

      Hopes Magen knurrt, sie hat Durst. Doch für Wasser oder gar eine leckere Portion Hühnchen hat sie kein Geld.

      Hope isst nur einmal am Tag, wenn überhaupt. Ihre Familie ist sehr arm. Der Vater, ein Tischler, findet kaum Arbeit. Trotzdem muss er sich, seine Frau, die zehn Kinder und die Großeltern ernähren. Es ist ein hartes Leben im Norden Ugandas, wo seit fast zehn Jahren Krieg herrscht. Hope weiß das und versucht ihrer Familie, wann immer sie kann zu helfen. Oft geht Hope nicht in die Schule. Stattdessen arbeitet sie auf den Feldern für ein paar Schillinge am Tag, was ihr Vater im Innersten missbilligt, aber hinnehmen muss, weil er keine andere Wahl hat.

      "Du bist die Klügste in der Familie. Du musst weiter in die Schule gehen, studieren, damit wir eines Tages alle etwas davon haben. Es reicht, wenn du uns manchmal an den Nachmittagen, an den Wochenenden und in den Ferien hilfst", sagt Hopes Vater, ein sanfter, ruhiger Mann, immer wieder. Und Hopes Mutter, ein wenig mollig um die Hüften, aber immer noch sehr schön, fügt gewöhnlich liebevoll hinzu: "Hör auf deinen Vater. Er meint es gut mit dir. Schone dich."

      Nur Hope und ihr älterer Bruder können die Schule besuchen. Für die anderen Kinder hat die Familie kein Schulgeld übrig. Außerdem, was der Vater aber selten sagt, um seine Familie nicht zu verunsichern, fürchtet er um das Leben seiner Tochter, wenn diese zu weit weg von den Hütten der Familie arbeitet. Zu oft hat er Berichte über Kinder gehört, die von Rebellen entführt wurden und nie zu ihren Familien zurückgekehrt sind.

      "Wir müssen auf uns aufpassen, damit die Familie zusammenbleibt", sagt er meist nur und versucht den Ernst der Lage vorerst noch zu ignorieren, obwohl einige Dörfer im Auftrag der Regierung in Kampala vor zwei Monaten sogar schon evakuiert und die Menschen, wie es heißt, in sichere Zonen umgesiedelt worden sind.

      Dass die Rebellen aber auch diese Siedlungen angreifen und Kinder rauben, schreiben die zensierten Zeitungen in der Hauptstadt selten, wenn überhaupt.

      "Aufstände kommen und gehen", sagt Hopes Vater oft resigniert, "zehn, zwanzig, ich weiß nicht mehr, wie viele ich schon gesehen habe, seit Museveni 1986 die Macht übernommen hat. Die meisten waren unbedeutend, dieser aber, seltsam, dieser scheint mir ernster zu sein, gefährlicher."

      Selbst

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