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      Serdar Kilic

       DRACULA IN ISTANBUL

      Schatten des Orients

      Engelsdorfer Verlag

      Leipzig

      2016

      Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:

      Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

      Copyright (2016) Engelsdorfer Verlag Leipzig

      Alle Rechte beim Autor

      Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)

       www.engelsdorfer-verlag.de

       Inhaltsverzeichnis

       Cover

       Titel

       Impressum

       Der Anfang

       Vlad Draculas Kindheit und Jugend

       Liebesgeschichte auf dem Markt Taksim

       Die Vermählung des Prinzen Mustafa mit Aysenur, der Tochter des Großkalifen

       Besuch beim Sultan auf den Prinzeninseln

       Van Helsings Ankunft und die Fahrt nach Erlangen, Bayern

       Draculas Ankunft in der Türkei

       Die Nervenklinik in Istanbul – Verlies der verlorenen Seelen

      DER ANFANG

      12. März 1853.

      Es regnete kräftig, es donnerte, der Wind peitschte durch die Bäume und wühlte das Meer auf. Istanbul stand unter Wasser, die Einkaufsgassen waren überflutet, der berühmte Kapali Carsi, der große Basar, mussten schließen und jeder verbarrikadierte sich zu Hause. Mehmet schaute aus dem Fenster seines bescheidenen Zimmers im zweiten Stock des Turms direkt auf das Meer und auf das Schloss Kiz Kulesi. Er träumte wieder von der schönen Tochter des Sultans, die vor langer Zeit mit einem Fluch belegt worden war. Eine Wahrsagerin sagte dem Sultan voraus, dass seine Tochter von einem Schlangenbiss getötet würde. Daraufhin ließ der Sultan für seine Tochter eine Burg mitten auf dem Meer erbauen, damit sie weit entfernt von Schlangen lebte. Mit einem kompletten Heer und Dienern zog die Prinzessin auf die Burg, doch nach nur wenigen Wochen verstarb sie an den Folgen eines Schlangenbisses. Als Gemüse und Obst vom Land ins Schloss gebracht worden waren, lauerte eine Schlange in einem Korb und diese schlich sich eines Abends unbemerkt aus der Küche durch die Korridore der Burg hinauf in das Gemach der Prinzessin. Die nichtsahnende Prinzessin, die gerade dabei war sich bettfertig zu machen und ihre Haare vor dem großen Spiegel kämmte, wurde von der sich von hinten anschleichenden giftigen Schlange in den Fuß gebissen, sodass sie binnen Sekunden eines qualvollen Todes starb. Die Schönheit der Sultanstochter, die mit nur achtzehn Jahren starb, war weltweit bekannt: schneeweiße Haut, pechschwarze Haare so dunkel wie die Nacht, saphirgrüne Augen. Sah man ihr lang und tief in die Augen, schaute man in das Paradies, so sagte man. Seitdem, so erzählte man weiter, könne man des Nachts ihre Schreie und ihren Gesang vernehmen, wenn man sich auf dem Meer befand und sich der Burg näherte.

      Mehmet war einundzwanzig Jahre alt und ein sehr gut aussehender, junger, lediger Mann mit dunkelbraunen Augen. Er trug schulterlanges schwarzes Haar, war von normaler Statur und kleidete sich im westlichen Stil, was zu jener Zeit als modern galt. Er studierte Architektur an der Universität in Istanbul, wo sein Onkel Sahin Hodscha Medizin, Theologie und Geschichte lehrte. Sahin Hodscha war Ende fünfzig, knochendürr, fast zerbrechlich. Seine grauen Haare versteckte er unter einem Fez – eine osmanische Kopfbedeckung –, und er trug immer ein grünes Seidentuch um den Hals, egal, ob es Winter oder Sommer war. Er galt als weiser Mann, der viel von der Welt gesehen hatte. In den Kriegen des Osmanischen Reiches diente er als Berater und Wissenschaftler dem Sultan Mehmed. Dazu sprach er fließend fünf Fremdsprachen – Arabisch, Englisch, Deutsch, Französisch und Spanisch. Die Leute sagten, er habe nicht alle Tassen im Schrank. Er verschwand einst spurlos für ein Jahr in Rumänien, und die Mehrheit der Leute erklärte ihn damals für tot. Er gelangte jedoch wieder nach Istanbul und erzählte mysteriöse Dinge von blutsaugenden Menschen, die fliegen können, sowie von Untoten. Der Sultan wusste über alles Bescheid und unterstützte ihn, stellte Sahin Hodscha sogar eine Einheit zur Verfügung, doch von den sieben Männern kehrten lediglich drei zurück. Das Unternehmen blieb ein Geheimnis des Sultans, der jedem, selbst Mehmets Onkel, verbot, je darüber zu sprechen; er verhängte sogar die Todesstrafe darauf. Von den Dreien, die zurückkamen, nahmen sich im Laufe der Jahre zwei das Leben und Sahin Hodscha war auch nicht mehr derselbe.

      Als Mehmets Eltern bei einem Schiffsunglück ums Leben kamen, gab es nur diesen Onkel, der sich fortan um Mehmet kümmern musste. Die beiden lebten in einem Turm, gemütlich ausgestattet mit einem Kamin im ersten Stock des Wohnbereiches neben einer kleinen Sitzecke. Daneben eine provisorische, offene Küche mit einem Waschbecken und drei Regalen, die an der Wand befestigt waren, wo sich wenige Teller und Gläser stapelten. Frisches Trinkwasser holten sie aus dem Brunnen, der direkt an den Turm angrenzte. Im zweiten Stock befanden sich das stille Örtchen und das Badezimmer mit einer großen Wanne. Im dritten Stock fand man zudem zwei Gästezimmer vor. In Sahin Hodschas Schlafgemach standen ein schlichter, zweitüriger Kleiderschrank aus massivem Kiefernholz, ein Bett und ein Stuhl. Sein Schreibtisch war mit Büchern übersät. Mehmets Zimmer war ähnlich spartanisch eingerichtet. Seine architektonischen Zeichnungen von Gebäuden und Brücken, die ihrer Zeit voraus waren, hingen überall an der Wand. Vor dem Bett stand eine Truhe aus Kiefernholz, in der er die Sachen seiner verstorbenen Eltern aufbewahrte, die sein Onkel hineingelegt hatte: eine Schreibfeder, ein Anzug, eine goldene Taschenuhr seines Vaters, die nicht mehr funktionierte, ein Diamantring und ein Block voller Gedichte der Mutter. Im obersten Stock des Turms gab es eine bescheidene Bibliothek. Im Hintergrund hörten sie die Stimmen der Wellen, die unermüdlich gegen die alten Mauern prallten.

      In jener Nacht 1853 wachte Sahin Hodscha schreiend und schweißgebadet auf. Mehmet der noch wach war, lief direkt in dessen Zimmer.

      »Hattest du wieder einen Albtraum von diesem Dracula?«, fragte er seinen Onkel.

      »Diesmal war es mehr als das! So real, so echt! Ich konnte fühlen, dass er immer näher kommt.«

      »Schlaf wieder ein! Wir müssen im Morgengrauen aufstehen.«

      Mehmet deckte den verschreckten Sahin zu.

      »Er wird bald hier sein!«, flüsterte Sahin verwirrt.

      Mehmet ging schmunzelnd zur Tür hinaus.

      13. März, der Regen ließ nach, aber die Straßen blieben überflutet. Man konnte nicht vor die Tür treten. Mehmet entzündete das Feuer im Kamin, setzte Wasser für Tee auf und er und sein Onkel begannen zu frühstücken. Nur selten verbrachten sie solche innigen und gesprächigen

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