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dem Zustand der Haut kann man erhebliche Mangelerscheinungen ablesen.«

      »Kann man die Gesichtszüge rekonstruieren?«

      »Das kann man, Frau de Fries. Sogar ziemlich zuverlässig. Das würde aber nur Sinn machen, wenn sie den Täter im Umfeld des Opfers suchen und es deswegen eindeutig identifizieren müssen. Der arme Mann hier kreuzte rein zufällig den Weg dieses Monsters. Das ist meine Meinung.«

      »Können Sie uns ein Fazit mit auf den Weg geben?«

      »Es ist das Werk eines Psychopathen, der sich wahllos ein Opfer sucht, ein männliches Opfer, um irgendwelche erlebte und nie verarbeitete Traumata abzureagieren und seiner Umwelt dadurch etwas mitzuteilen. Mehr kann nur ein forensisch geschulter Psychologe dazu sagen.«

      »Es geht weiter?«

      »Wenn so einer einmal angefangen hat, dann können Sie damit rechnen. Hier oder anderswo. Aber es wird passieren.«

      »Sie haben Recht, Dr. Rosser. Es dauert oft Jahre, bis solcher Wahnsinn aus dem Täter herausbricht. Latent ist er vorher immer gefährlich. Aber wenn das erste Opfer erledigt ist, dann will er immer mehr.«

      »Sie ...«

      »Einige Semester Psychologie.«

      »Ah. Ich verstehe.«

      »Bevor ich es vergesse. Einen ganz wichtigen Aspekt haben wir noch gar nicht angesprochen. Es gibt keine verwertbaren Täterspuren. Keine fremde DNA. Ich vermute, der Täter hat Schutzkleidung und Handschuhe getragen. Da gibt es so gummierte ABC-Schutzanzüge, die man sogar über die Schuhe ziehen kann. Die können sie bei ebay bestellen. Genau so einen muss er getragen haben, weil wir auf dem Pflaster frischen Gummiabrieb gefunden haben, der mit dem Material der Anzüge vergleichbar ist. Kein Wunder, der Täter wird sich hingekniet haben, um die Tathandlungen auszuführen.«

      »Das sind keine guten Nachrichten. Ich muss gleich anschließend mit dem Chef reden. Wir müssen uns wegen der Sicherheit in der Stadt gründlich Gedanken machen.«

      »Da könnt ihr alles versuchen. Verhindern können wir das nicht.«

      Ich widerspreche Hannah nicht.

      »Das mag zutreffen. Aber wir sind Organe des Staates. Und niemand darf uns vorwerfen können, dass wir nichts getan haben. Das ist wie mit diesen Terrorgeschichten. Verhindern kannst du es letztendlich nicht. Aber wenn du untätig warst, dann rollt der Kopf!«

      »Komm, wir gehen noch in das Café da vorne, ich lade dich ein. Deine Frau sieht es ja nicht.«

      Und wieder sehe ich Hannah lächeln.

      Als ich auf dem Parkplatz den Wagen aufsperren will, der Schlüsselsender funktioniert mal wieder nicht, fällt mir der Schlüssel aus der Hand und ich hebe ihn vom Boden auf. Als ich mich wieder aufrichten will, legt Hannah ihre Arme um mich und zieht mich kräftig zu sich hin. Bevor ich reagieren kann, ist ihr Mund auf dem meinen. Sie drückt ihre festen Lippen gegen meinen Mund und ich öffne ihn. Gierig schiebt sie ihre Zunge hinein und ich erwidere die Zärtlichkeit.

      Wir küssen uns so für Minuten. Ich kann es einfach nicht glauben, aber ich genieße es. Sie zieht mich fester an sich. Meine Hände greifen unter ihr T-Shirt an ihre schmale Taille und ich fühle ihre sanfte Haut. Ich spüre, dass ich sie haben will. Aber mein Verstand sagt nein.

      »Hannah, lass jetzt. Das ist nicht der richtige Ort.« Ich glaube nicht, was ich da sage. »Das ist überhaupt nicht richtig, was wir da machen. Wir dürfen das nicht!«

      »Warum nicht? Ich will es und du willst es auch. Es kommt die Zeit.«

      Mit diesen Worten setzt sie sich auf den Beifahrersitz und tippt wieder in ihr Telefon. Völlig unbeteiligt. Als ob nichts gewesen wäre.

      *

      Bei Dr. Ruschka im Büro.

      »Chef, es könnte ein ernstes Problem geben. Nach allen bisherigen Erkenntnissen müssen wir mit einer weiteren Tat rechnen. Ich muss es so deutlich sagen. Wenn der Täter sich hier aufhält, dann macht er hier weiter. Wenn er herumreist, dann bekommen andere ein Problem, was mich aber auch nicht beruhigt. Wir brauchen Schutz in der Stadt und wir brauchen ein genaues Täterprofil, das wir mit anderen Fällen vergleichen können.«

      »Einen Profiler, Schmitt, so etwas?«

      »Genau das. Da reicht unsere Ausbildung nicht und unsere Erfahrung auch nicht. Und die Rechtsmedizin ist ebenfalls überfordert.«

      In diesem Moment geht die Tür ganz auf und Hannah kommt herein.

      »Ich mache das. Ich kann das. Und ich will das machen.«

      »Wird jetzt schon an der Tür gelauscht? Frau de Fries?«

      »Sie haben das wohl gar nicht bemerkt, Chef, aber Sie waren hier sehr laut und die Tür stand halb offen. Jeder, der am Flur vorbeigegangen ist, konnte Ihr Gespräch hören. Es wird sehr eng, oder? Und da wird man dann laut, ohne es zu bemerken!«

      »Ich möchte nicht, dass Hannah das macht, wir brauchen einen Externen.«

      »Das sehe ich anders, Schmitt. Das spricht sich rum. Das ist in der gegenwärtigen Situation unklug.«

      »Frau de Fries, ich habe von Ihrer Qualifikation gehört. Machen Sie sich an die Arbeit.«

      »Chef!«

      »Nein, Schmitt, das ist entschieden.«

      »Was unternehmen wir in der Stadt?«

      »Gute Frage. Wenn wir massiv Streife laufen lassen, dann kommt die Presse und schürt Panik. Wir brauchen Sondereinheiten in Zivil. Und das schnell. Ich regle das.«

      *

      Das ist der schwierigste Fall in meiner ganzen Laufbahn. Und jetzt passiert mir das mit Hannah auch noch. Ich bin ein Idiot. Ich habe am vergangenen Freitag die Frau geheiratet, nach der ich ewig gesucht hatte und die ich liebe. Und jetzt das. Was zieht mich zu Hannah hin? Klar. Sie ist sehr jung, sehr schön, irrsinnig attraktiv und betörend sinnlich.

      Aber Ilse kann da doch locker mithalten. Ganz sicher. Ich denke, es ist diese Verletzlichkeit, die Hannah ausstrahlt, wenn sie einen ansieht mit dem leicht traurigen Gesichtsausdruck. Sie sendet das Signal »hilf mir«, wenn sie ihren Blick auf einen wirft. Dazu kommt ihre kompromisslose Annäherung. Sie braucht kein Spiel, sie will nicht flirten, nicht umworben werden. Sie zeigt, was sie will, und sie nimmt es sich. Sie gibt einem das Gefühl, dass man begehrt wird, dass man sofort bekommt, was ein Mann will.

      Herbert reißt mich aus meinen Gedanken.

      »Gut, dass du mich gleich ang’rufen hast, wecher dem Einbruch in des Wandergeschäft. Ich bin gleich hin.«

      »Äh, ja, und?«

      Ich bin noch immer nicht zurück in der Wirklichkeit.

      »Da hat nix weiter g’fehlt als a großes Messer.«

      »Lass mich raten, ein Bowiemesser!«

      »Woher wasst etz du des scho widder.«

      »Deswegen hab ich dich dahin geschickt. Wir gehen davon aus, dass so ein Messer die Tatwaffe ist.«

      »Leck mich am Arsch. Ka Wunder, dass der so herg’richt war. Der Verkäufer hat mir a gleiches Modell gezeicht. Des sind drümmer Dinger. Ein ›Herbertz Bowie Messer Master Ranger‹. Des Ding iss 40 Zentimeter lang und sauschwer. Des iss wie a glans ...«

      »Schwert. Ich weiß. Und hinten hat es so ein Sägeprofil. Richtig?«

      »Wolff, du erstaunst mich!«

      »Ganz einfach. Der Rechtsmediziner hat alle Verletzungsspuren vermessen und ausgewertet. Für ihn kommt nur so ein Messer in Betracht. Hast du sonst noch was rausfinden können?«

      »Bis etz no nix. Ich bin mit der ganzen Nordseite am Hauptmarkt durch. Etz anschließend mach i die Westseit’n, also direkt den Bereich um die Fleischbrück’n.«

      »Du machst das schon, Herbert.«

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