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Beutewelt V. Bürgerkrieg 2038. Alexander Merow
Читать онлайн.Название Beutewelt V. Bürgerkrieg 2038
Год выпуска 0
isbn 9783954888139
Автор произведения Alexander Merow
Издательство Автор
Wenn sie ihn noch weitere Wochen, Monate oder gar Jahre in diesem Loch lassen würden, dann würde Herr Irrsinn wieder auftauchen, da war sich Frank sicher. Auf ihn konnte man sich zumindest verlassen, denn er fand den Weg in jede Zelle auf der ganzen Welt. Der imaginäre Freund benutzte nämlich nicht die üblichen Ein- und Ausgänge, wie die gewöhnlichen Menschen. Nein, er kam durch das klaffende Portal des Wahnsinns, das sich wieder in Franks Kopf geöffnet hatte.
„Wenn sie mir jedoch den Kopf abhacken, dann kann auch Herr Irrsinn nicht mehr kommen“, erklärte sich Frank in diesen Stunden die Situation vollkommen logisch.
Aber im Gegensatz zur immer gleichen Holozelle bot die Gefangenschaft bei den Kollektivisten zumindest ab und zu etwas mehr Abwechslung, auch wenn es sich hierbei lediglich um Verhöre und Folterungen handelte. Die Schmerzen, welche sie ihm zufügten, erinnerten ihn zumindest daran, dass er noch lebte.
„The pain is here, to tell me that I’m still alive!”, schoss es Frank manchmal durch den Kopf. Es war die Textzeile eines alten Heavy Metal Liedes, das er als Jugendlicher oft gehört hatte. Hier passte sie durchaus.
Zwei lange Wochen waren inzwischen vergangen und Kohlhaas war noch mehrfach verhört worden. Er hatte den Kollektivisten nichts erzählt und immer wieder beteuert, dass ihm die Stärke von Tschistokjows Armee nicht bekannt war. Und das war nicht gelogen. Denn der General wusste bezüglich dieser Fragen lediglich Bruchstücke, definitiv zu wenig, um den Verhörenden brauchbare Informationen liefern zu können.
Doch sie glaubten ihm nicht und übersäten seinen geschundenen Körper mit Schnitten, Einstichen und Schlägen, so dass Frank nach stundenlanger Folter oft halb ohnmächtig in seine Zelle zurückgeschleift werden musste.
Blutige Schwellungen bedeckten sein Gesicht und nach jedem Verhör waren neue dazugekommen. Seine Oberarme waren mit scharfen Klingen zerschnitten worden und der Gefangene hatte sich längst damit abgefunden, dass es keinen Ausweg mehr aus dieser Hölle gab. Er war nur noch ein blutendes Stück Fleisch, dessen Auslöschung bereits beschlossen war. Diesmal konnte ihm auch sein Glück nicht mehr helfen, dessen war sich Kohlhaas sicher. Daher versuchte er sich mit dem Gedanken an ein baldiges Ableben anzufreunden. Oft lächelte er mit einem Anflug von geistiger Umnachtung in sich hinein und erklärte sich, dass er bald vom Leid der Welt erlöst sein würde. Er hatte den Horror der Holozelle überlebt, nur um noch mehr zu leiden, wie er meinte.
Sein Gefühl für die Zeit war Frank mittlerweile abhanden gekommen und es interessierte ihn auch nicht mehr, was aus Tschistokjows Revolution wurde. Das waren Angelegenheiten der Sterblichen hier auf Erden, doch ihre Welt würde er bald verlassen. Zu Tode gepeinigt in diesem grauen Gefängniskomplex oder mit zerschossenem Kopf auf einem schlammigen Acker.
Das einzige, was ihn immer wieder kurzzeitig aus seiner Lethargie und Depression herausriss, waren die flüchtigen Gedanken an Julia. Aber auch sie, seine große Liebe, deren Herz er am Ende doch gewonnen hatte, war letztendlich auch nicht mehr als nur ein Trugbild gewesen.
„Gott wollte es nicht!“, haderte er immer wieder mit sich selbst. Und so verstrichen die Wintertage weiter in Qual und Einsamkeit.
Anfang Februar 2039 begann der russische Bürgerkrieg mit voller Härte. Artur Tschistokjow hatte nicht weniger als 15 Infanteriedivisionen seiner Volksarmee der Rus, etwa 380.000 Mann, aus dem Boden gestampft und fast jeden waffenfähigen jungen Mann in seinem Herrschaftsbereich rekrutieren lassen.
Mit japanischer Hilfe und einer fieberhaften Rüstung gelang es dem weißrussischen Präsidenten etwa 450 Gunjin Panzer, kaum 2 Divisionen, aufzustellen. Knapp 250 Kampfflugzeuge verschiedenster Art konnten zudem dank Matsumotos Unterstützung ebenfalls aufgeboten werden. Das alles war jedoch lächerlich gegen die Streitmacht, welche Vitali Uljanin mit Hilfe der GCF und einer auf Krieg umgestellten Wirtschaft auf die Beine stellen konnte.
Mindestens 2 Millionen Soldaten hatten die Kollektivisten bis zum Jahresbeginn rekrutiert und sie füllten ihre Reihen täglich mit weiteren Männern auf. Inzwischen verfügte die schwarz-rote Macht über 2.000 Panzer und fast 1.500 Flugzeuge. Somit war sie Tschistokjows Streitkräften etwa 5:1 überlegen.
Mitte Februar stießen die beiden Bürgerkriegsarmeen in Orel zum ersten Mal im größeren Stil aufeinander. Die Rus hatten die Stadt, eine ihrer äußersten Stützpunkte im Osten, kaum mit einer Infanteriedivision der Volksarmee besetzt, als sie schon von einer gewaltigen Feindstreitmacht angegriffen wurden.
Etwa 10 Divisionen der schwarz-roten Armee unternahmen am 17.02.2039 einen ersten Großangriff auf Orel und verwickelten die Volksarmisten in einen verzweifelten Abwehrkampf. Wie ein aufgescheuchter Wespenschwarm fielen die kollektivistischen Scharen über den östlichen Außenbezirk her und schwemmten die Verteidiger durch ihre schiere Masse hinweg. Die Rus zogen sich in die Innenstadt zurück und verschanzten sich dort in den Häuserschluchten.
Die meisten Einwohner Orels hatten die Stadt zu diesem Zeitpunkt bereits in weiser Voraussicht verlassen und waren nach Westen geflüchtet.
Uljanins Soldaten konnte letztendlich trotz verbissener Gegenwehr und gewaltigen Verlusten nicht aufgehalten werden. Welle um Welle der Kollektivisten brandete gegen die befestigten Stellungen der Verteidiger und Tausende von heranstürmenden Angreifern wurden von den MG-Salven der Volksarmisten niedergemäht, doch ihre Zahl erschien endlos. Unzählige Menschenleiber warfen sich fortwährend in das wütende Abwehrfeuer der Rus und türmten sich in den verwüsteten Straßen Orels auf, doch die schwarz-rote Masse wurde nicht kleiner.
Einige von Uljanins Milizionären waren bereits mit den modernen Reaper Sturmgewehren der GCF ausgerüstet worden oder trugen Flammenwerfer, andere hatten lediglich veraltete Schusswaffen und manche trugen nicht mehr als Äxte und Eisenstangen. Doch das störte die Befehlshaber der schwarz-roten Bürgerkriegsarmee nicht. Ihre menschlichen Ressourcen waren gigantisch und deshalb auch größere Verluste zu ertragen.
Nach drei Tagen waren die Soldaten Tschistokjows fast besiegt und die wenigen, die das Gemetzel in den Straßen überstanden hatten, flüchteten in den Westteil der brennenden Stadt.
Rasende Horden, die alles und jeden in ihrem Weg abschlachteten, waren ihnen auf den Fersen. Artur Tschistokjow, der Orel als strategisch und psychologisch enorm wichtig betrachtete, beorderte daraufhin 10.000 Mann seiner mittlerweile stark vergrößerten Warägergarde zur Unterstützung der sich zurückziehenden Volksarmisten in die schon fast gefallene Stadt. Darunter war auch Alfred Bäumer, den der weißrussische Präsident zum höheren Offizier ernannt hatte. Mit einem mulmigen Gefühl machte sich der Hüne mit seinen Kameraden am 20.02.2039 auf den Weg nach Osten.
Alf stockte der Atem, als er vor sich die halb verhungerten und vollkommen verdreckten Kameraden von der Volksarmee erblickte. Diese hatten gejubelt, als sie hörten, dass die Waräger auf dem Weg nach Orel waren, um ihre Verteidigung zu unterstützen.
Jetzt bezogen Tschistokjows Elitesoldaten in den zerschossenen Häuserblocks im Süden der Stadt Stellung, während ihnen einige Panzer und Geschütze folgten. Es sah allerdings keinesfalls gut aus, denn der Gegner hatte sich bereits nahe der Innenstadt verbarrikadiert und wartete ebenfalls auf Verstärkungen aus Zentralrussland, um Orel in einem letzten Großangriff vollständig zu erobern.
Bäumer, der mittlerweile zu einem führenden Befehlshaber der Warägergarde aufgestiegen war, tat einfach, was ihm befohlen wurde. Er wirkte jedoch still und mürrisch und es schien fast so, als ob er versuchte, seine Gedanken so gut es ging abzuschalten, um die ständige Trauer um seinen Freund Frank nicht wieder in seinen Kopf eindringen zu lassen.
Mit seinen weißrussischen Kameraden wechselte er nur die nötigsten Worte, ansonsten befolgte er lediglich die Anweisungen des Oberkommandos mit einer gewissen Lethargie.
„Wir haben ohnehin keine Chance!“, flüsterte er leise vor sich hin, nachdem er sich hinter einem schweren Maschinengewehr postiert hatte und nachdenklich über die ausgestorbene Straße vor sich spähte.
„Was, Herr Offizier?“, kam auf Russisch von der Seite.
Bäumer lächelte gequält, winkte ab, schüttelte nur den Kopf.