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damit wir eine Chance zum Überleben hatten. Der Bunzol und der Wyschka, sie waren oft zusammen, waren gute und aufrichtige Menschen.“ Leider war keine Zeit mehr zu intensiveren Gesprächen, er mußte zur Feierstunde zurück. Ich schrieb ihm und er hat mir viele interessante und unschätzbare Details per E-Mail über die Zusammenarbeit von polnischen und deutschen Kameraden geschildert.

      Als ich die von meiner Mutter hinterlassenen Dokumente alle gesichtet hatte, wurde mir eigentlich schnell klar, dass mit dem angeblichen Selbstmord etwas nicht stimmen konnte. Leider sind einige der Dokumente, eigentlich sehr viele, wie viele wird man wohl nie mehr erfahren, nicht mehr vorhanden. Mutter hat sie leider Anfang der 60er Jahre vor allem einem gewissen K. R.iii auf nimmer Wiedersehen verborgt. Von anderen Personen kann ich keine Namen mehr nennen, weiß aber noch, daß einige aus diesem Grund öfter bei Mutter waren. Was spricht gegen den Selbstmord. Seine Äußerung in der Nacht vor seinem Tod, die mir lange Kopfzerbrechen bereitete, um den Sinn und Zusammenhang dieser wichtigen Worte zu verstehen. Es für mich einige Zeit dauerte, bis ich zu begreifen begann, dass sich hinter den Worten eine Botschaft verbarg. Er sagte, diese wichtigen Worte „Schatz kennst Du die Pariser Prozesse, so geht es mir jetzt … “. Ich konnte mir lange keinen Reim darüber machen, und fand auch niemanden der sie mit den Selbstmord in Verbindung bringen konnte. Bis ich auf Professor Leonhardtiv stieß. Als ich ihm telefonisch und per E-Mail die Situation schilderte, brachte er sie sofort in Verbindung mit einem Willy Münzenbergv, Mitglied des Zentralkomitees der KPD und Reichstagsabgeordneter sowie zweit größter Zeitungsverleger im Vorkriegsdeutschland. Münzenberg soll ebenfalls, 1940 in Frankreich, Selbstmord begangen haben. Ich komme im Buch noch mal darauf zurück. War aber mit hoher Wahrscheinlichkeit, zu 99 %, Auftragsmord des NKGB. Laut Professor Leonhardt zu 100 %. In der DDR war Münzenberg tabu, er wurde als Trotzkist, der er nicht war, abgestempelt. Ahnte Vater etwas Derartiges. Er musste es, sonst hätte er diese Äußerung nicht gegenüber seiner Frau gemacht. Das Mutter etwas mit „Pariser Prozessen“ anfangen konnte, bezweifle ich, er wußte das auch. Sie konnte sich aber ein Leben lang gut an seine letzten Worte erinnern. Es war wahrscheinlich die einzigste Hoffnung von ihm, dass man irgendwann jene geheimnisvollen Worte zu enträtseln und zu deuten versteht. „Sollte mir etwas passieren, es war kein Selbstmord“!? Im nachhinein betrachtet, klingt es wie ein Hilferuf. Er, der den münzenbergischen Ideen zumindest nicht widersprach, somit auch so seine Bedenken gegen Stalin, Ulbricht und die Entwicklung in der Ostzone hatte. Zum damaligen Zeitpunkt sehr gefährlich, wenn nicht gar tödlich. Er nicht der Typ war, das haben meine Recherchen über Ihn eindeutig ergeben, der eine Frau mit 4 Kindern ohne jegliche Absicherung zurücklässt. Wusste er doch genau, dass eine finanzielle Absicherung ein notwendiges Übel für jede Familie ist, um zu existieren im Kampf gegen Armut. Er sich nach Hessen absetzen wollte. Koffer standen gepackt im Flur (Hansi). Die Tat ca. 6.00 Uhr früh passierte, und sofort Polizei und Russen da waren. Etwas ungewöhnlich bei den damaligen logistischen Möglichkeiten. Man hat, außer Randnotizen in Polizeiprotokollen (22. 5. 1951) von Teltow und Malow, keinerlei Untersuchungen eingeleitet. Selbstmord wurde sofort als Todesursache hingenommen. Frau mußte unterschreiben, das es ein Autounfall war und nicht Selbstmord? Sie sollte mit keinen darüber sprechen. Drohung durch Russen, die sie auch im Interesse Ihrer Kinder absolut ernst nahm. Was ich jetzt voll verstehe. Hätte sie sich doch nur früher dazu geäußert! Das der russische Offizier der bei Note wohnte und mit dem sie verkehrten, laut Dokument sagte „Es tut in so leid, so unendlich Leid, dass das passiert ist.“. Auch dessen Äußerung gegenüber Onkel Kurt, es musste wie ein Unfall aussehen, die ich in nachhinein durch Marianne erfuhr? Sonst hätte keiner, Mutter gegenüber, Worte des Bedauerns aus seinem beruflichen Umfeld geäußert? Dafür spricht, denn ich schließe auch die Möglichkeit in meiner Betrachtung nicht aus, Selbstmord begangen zu haben, das er Seelisch ziemlich angeknackst und manchmal verzweifelt wirkte. Kein Wunder, Buchenwald, später das Beginnende Moppig in Weimar, die ständigen Verhöre durch die Russen in Mahlow. Alle, die die Hölle Buchenwald überstanden hatten, vor allem die, die sehr lange dort waren und dazu zählt auch Bunzol einen seelischen Knacks weg hatten. Es hätte bei allen eine intensive physische Behandlung stattfinden müssen. Aber sie wurden mit ihren seelischen Problemen nach der Befreiung allein gelassen und das vor allem in Deutschland. Im Gegenteil, es kamen durch die Besatzermächte, Russen, auch Amerikaner (à Stalinismus, bzw. durch die Entwicklung der Geschichte, die sie sich vielfach anders vorgestellt haben), neue seelische Belastungen hinzu. Das er in das Netz eines anderen Wahnsinnigen, Stalin, geraden ist, hat er früh erkannt. Dies liest man aus seinen Aufzeichnungen heraus. Wie groß muss seine politische Enttäuschung gewesen sein. Stalin war die Säule, der Hoffungsträger, für viele, vor allem der kommunistischen Kameraden, in Buchenwald, auch für ihn selbst. Für viele der Inhaftierten die Stütze zum Überleben. So in etwa oder ähnliches bestätigt mir auch Ingrid, als ich sie bei einem unser alljährlichen Familientreffs, 2007 in Ziegenrück, übrigens zum ersten Male fragte, ob sie etwas über den Selbstmord weiß. Ob Tante Mischa, Ingrids Mutter, mit ihr darüber gesprochen hat. Sie sagte mir, dass Ihre Mutter ihr einmal sagte, dass der Bunzol unter der politischen Situation stark litt. Er hatte Angst, nicht vor dem Leben, sondern das er so etwas wie in Buchenwald noch einmal durchmachen müsse. Dazu hätte er keine Kraft mehr. Ingrid sagte auch, dass seine Angst so übermächtig wurde, dass er oft mit der Pistole unterm Kopfkissen schlief. Mutter hatte nie derartiges geäußert, geschweige auch nur angedeutet. Seine Angst war aber sicherlich nicht unbegründet. Ich berichte noch über Anklagen, Prozesse und Urteile gegen einige seiner damaligen engeren Buchenwaldkameradenvi. Ich habe nach meinen berechtigten Zweifeln am Selbstmord mit intensiveren Nachforschungen begonnen. War unter anderen im Buchenwaldarchiv, im Staatsarchiv Thüringen, Staatsarchiv Brandenburg, bei der Gauck-Behördevii, Kontakt mit der Rosa Luxenburg Stiftung aufgenommen, habe auch versucht noch Zeitzeugen von Buchenwald (wie schon beschrieben, leider nur noch zwei) zu finden und mit Ihnen zu sprechen. Habe in den Personalabteilungen der Polizeibehörden von Potsdam, Teltow, Mahlow nachgefragt. Telefonische und E-Mail Kontakte mit Professor Leonhardt wegen den „Pariser Prozessen“ hergestellt. Ich sprach aber auch mit Marianne, der Tochter von Notens (laut Mutters Nachlass waren Note, die einzigen, denen sie sich offenbarte. Leider sind Onkel Kurt und Tante Irmchen auch schon tot.) aus Rangsdorf. Sie wusste nicht viel, nur einmal äußerte sich ihr Vater zu dem damaligen Ereignis, „Der russische Offizier, mit denen auch Bunzol verkehrten, sagt Ihm in Vertrauen: Es musste wie ein Unfall aussehen?“. Das Bemerkenswerte an dieser Freundschaft zu Notens, vielleicht aber auch das erstaunliche. Tante Irmchen war Mitglied der Sekte „Zeugen Jehovas“, auch Bibelforscher genannt. Eine für Außenstehende etwas merkwürdig erscheinende Mischung. Vater es ja wusste. Er sah aber keinen Grund, diese Freundschaft aufzugeben geschweige sie sich verbieten zu lassen, trotz seiner Stellung in der Polizei. Zu dieser Freundschaft zu stehen und mit ihnen zu verkehren! Mit Hubertus aus Kassel sprach ich über seine Mutter, Elfriede Nagel, die auch aus Bielschowitz kam. Deren große und einzige Liebe Paul (Bruder von Vater) war. Sie sagte auch mehrmals zu Hubertus, die Bunzols waren in Bielschowitz eine Musterfamilie … Er hatte leider nur noch 2 Bilder über Bielschowitz, alle anderen sind weg, schade. Sprach mit Ingrid, der Tochter von Tante Mischa. Es hat mir Spaß gemacht in der Geschichte. unserer Familie zu forschen. Je mehr ich erfuhr, desto mehr offene Fragen stellten sich mir, aber auch umso interessanter wurden die Lebenswege für mich, keine null acht fünfzehn Leben. Die Geschichte einer Familie, mit der ich so niemals gerechnet hätte. Wenn ich mir überlege, was in diesem halben Jahrhundert alles gewesen ist in ihren Leben, dann kann ich es manchmal nicht fassen, was alles in ein einziges Leben reinpasst. Ich schreibe es auf, um es meiner Familie, meinen Kindern und Enkelkindern und was da noch so kommen sollte, zu hinterlassen. Denn eine Familiengeschichte kann ihr Zusammengehörigkeitsgefühl stärken. Meine Kinder ermunterten mich auch zu diesem Schritt, damit es nicht in Vergessenheit gerät. Aus unserer Familiengeschichte ist ein Spiegelbild der Zeitgeschichte geworden. Ich schreibe sie für Mutter, die, wie ich aus den Dokumenten erfuhr, ein schweres Leben hatte. Gerade durch das Erbe Ihres Mannes. Plötzlich und unerwartet alleingelassen mit Schwangerschaft und Kindererziehung. Sie musste lernen zu planen und ihre Zeit, für all die Dinge, die ab jetzt nur auf ihrer schmalen Schulter lagen, ausgleichen. Verantwortung, Kosten der Kindererziehung und der Haushaltung. Mutter zu der gebeutelten Generation des Krieges gehörte. Ihr Leben und ihre Geschichte wurden eindeutig vom Krieg bestimmt. Sie weitere Schicksalsschläge durch den frühen Tod ihrer Kinder, Jutta und Hansi, hinnehmen mußte. Man sollte seine Kinder nicht überleben. Vielleicht ist dies nur ein Spruch, ich bin

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