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ein schlechtes Gewissen. Nur weil wir der Truppe, die unsere Mine verteidigen sollte, eine modernere Ausrüstung verweigert haben, konnten die Türken erfolgreich sein.«

      »Halte mich auf dem Laufenden, Oktavian! Du weißt, wo du mich finden kannst!« Otto war froh, in seinem Kampf nicht mehr allein zu sein.

      15

      »… und das ewige Licht leuchte ihr. Herr, lass sie ruhen in Frieden. Amen«, stimmten die Marianischen in die letzten Worte des Pfarrers ein. Die alte Keggelbäuerin lag aufgebahrt zwischen den Schneebergen vor dem Haus. »Endlich hot dia arm Seel a Ruah«, die Mesnerin war die Erste, die den Weihwasserpinsel von Pfarrer Engelschalk in die Hand nahm und die Tote besprengte. Nacheinander verabschiedeten sich die Marianischen von der alten Bäuerin. »Mei Zenz, jetzt kommsch halt doch in an luthrische Friedhof«, jammerte die Schmelzerin. Die Trauernden wollten gerade der Aufforderung der jungen Bäuerin Folge leisten, ins Haus zu kommen, als sie von Weitem das Glöckchen des Totengräbers hörten, das dieser seiner alten Mähre umgehängt hatte. Er saß auf einem Schlitten und zog hinter sich einen Sarg durch den Schnee.

      »Brr, alter Knabe! Von wegen Mattheis bricht’s Eis«, war seine Begrüßung, als er schwungvoll vom Schlitten stieg und den alten Schlapphut mit der langen Feder vom Kopf nahm. »Mein Beileid, Keggel. Ich werde deine Mutter einsargen, aber beerdigen können wir sie erst, wenn der Boden aufgetaut ist, und das wird noch gut einen Monat dauern.«

      »Des hau i mir scho denkt«, antwortete der Keggel und sah besorgt zu seiner Frau.

      »Du nimmsch se aber doch mit, oder?«, fragte der Keggel.

      »In meiner Scheune stapeln sich die Särge, ich habe keinen Platz mehr, wir müssen sie schon so lange hier lassen«, verkündete der Totengräber.

      »Kansch denka, dia kommt mir nimma ins Haus, des sag i ui glei!«, rief die junge Bäuerin energisch dazwischen.

      »Wie ihr wollt«, bemerkte der Totengräber und machte sich an die Arbeit.

      »Kommet rei, es gibt ebbas Warms zum Drinka!«, lud der Keggel die Trauergemeinde, die sich nicht zweimal bitten ließ, in die warme Stube.

      16

      »Die Flößer sind wieder da, Gerhild! Stell den durstigen Brüdern das Bier hin, aber sofort kassieren, gell, die seh ich, wenn überhaupt, ein ganzes Jahr nicht mehr.« Der Wirt hatte frisches Bier gezapft und vier schäumende Humpen bereitgestellt, die Gerhild an den Tisch der bärtigen und ungepflegten Gesellen brachte.

      »Mach dir nichts draus, Gerhild«, versuchte der Wirt zu beschwichtigen. »Es sind halt raue Burschen, die das Holz auf dem Lech aus den Bergen herunterbringen. Die haben seit Wochen keinen Rock mehr gesehen und sind große Sprücheklopfer.« Dann wandte er sich an die Flößer. »Lasst mir die Gerhild in Ruh, sonst setz ich euch so schnell vor die Tür, dass ihr mit Schauen gar nicht mehr nachkommt!«

      Das beeindruckte die Männer wenig. Gerhild sammelte eifrig die Münzen ein, die auf dem Tisch verstreut waren und suchte so schnell wie möglich das Weite.

      Fast ein Jahr stand sie nun im Dienst des Sternenwirts. Nach ihrer Befragung und der üblen Erpressung durch den Dillinger Stadtrat hatte sie das Haus und alle Habseligkeiten verkauft, die nicht in eine Reisekiste passten, und hatte mit ihrer kleinen Tochter Maria die Heimat auf einem Fuhrwerk in Richtung Süden verlassen. Weit waren sie nicht gekommen. Auf der Fahrt von Dillingen nach Italien übernachteten sie im Gasthaus »Sternen« in Schongau. Nach nur vier Tagen als alleinstehende junge Frau auf den Straßen hatte sie es sattgehabt, von wildfremden Knechten, Kutschern und Fuhrleuten als billige Hure betrachtet und dementsprechend angesprochen zu werden. Der Wirt, Hans Semmer, hatte sofort Gefallen an ihr gefunden und ihr eine Stelle als Magd angetragen. Niemand hatte sie nach Stand, Herkunft oder Vergangenheit gefragt. Sie wurde schnell beliebt bei den Wirtsleuten und den Gästen, führte ein arbeitsreiches, aber sorgenfreies Leben und konnte es sich sogar leisten, Maria in die Schule zu schicken. Mehrere Heiratsangebote von Gästen der Wirtsstube hatte sie bisher abgelehnt. Zu sehr hing ihr Herz noch an ihrem verstorbenen Mann, als dass sie eine neue Bindung hätte eingehen können.

      Mit einem Mal wurde es totenstill in der Gaststube.

      »Meister Christoph, kommt herein, auch wenn Ihr nicht willkommen seid, und setzt Euch an Euren Tisch, so sehen die fahrenden Holzknechte, dass in Schongau Ordnung und Gesetz in Ehren gehalten werden.« Der Sternenwirt hatte so laut gesprochen, dass es für alle in der Stube vernehmbar war.

      Der Scharfrichter schlenderte grußlos an den Tischen vorbei an seinen Platz. Schweigend hängte er seinen Umhang an den Haken in der Holzvertäfelung und setzte sich.

      Den Flößern hatte es buchstäblich die Sprache verschlagen; als wenn ihnen der Herrgott beizeiten die Antwort auf ihre frechen Reden geschickt hätte.

      »Das ist der Henker aus Biberach, Gerhild. Niemand gibt ihm die Hand und er bezahlt auch nichts, weil ich kein blutiges Geld im Haus haben möchte. Er kommt immer, wenn der Schongauer Henker verhindert ist«, flüsterte der Wirt Gerhild zu.

      »Ein Bier, Herr Christoph? Wir haben den beiden Kirchenräubern, die morgen gehängt werden sollen, schon die Henkersmahlzeit ins kleine Stüble gebracht. Ich nehme an, dass die Zeche wie immer auf die Stadt geht?«, fragte er über zwei Tische hinweg, drehte sich zu Gerhild und wollte ihr den Krug mitgeben, um dem Henker einzuschenken, aber Gerhild war nicht mehr da.

      Ohne einen Laut von sich zu geben, war sie hinter dem Bierfass zusammengesackt.

      »Gerhild, um Gottes willen, was ist passiert? Was hast du gesehen?« Die Stimme des Semmers überschlug sich in der Aufregung. Seine Magd lag bewusstlos auf dem Boden. Er ging auf die Knie, beugte sich zu ihr und tätschelte verzweifelt ihr bleiches Gesicht. Hastig knöpfte er die Bluse auf und öffnete das vorne geschnürte Mieder. Einer der Flößer war aufgesprungen und brachte aus der Küche eine Schale mit Wasser, das ihr der Wirt mit zitternder Hand über das Gesicht und über die Brust träufelte. Alles Tätscheln und Fächern half nichts. Gerhild Maierin rührte sich nicht.

      17

      Augsburg, Herbst 1579

      »Du hast ja im letzten Jahr mächtig aufgeholt, Raymund! Wenn du so weitermachst, werden wir unsere Gesellenprüfungen noch gemeinsam machen.« Jos lachte und trällerte ein Liedchen. Raymund konnte ebenso wenig einschlafen wie sein Freund. Er hatte die Hände hinter dem Kopf verschränkt und beobachtete die Schattenspiele der Kerzen.

      »Wenn du

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