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Beide verfärbten sich, der eine wurde blass, der andere rot. Ein Augenblick verging, bis Mr. Wickham seinen Hut berührte – eine Begrüßung, die Mr. Darcy kurz und herablassend erwiderte. Was mochte dahinterstecken? Unmöglich, es zu erraten; unmöglich, nicht neugierig darauf zu sein.

      Kurz darauf verabschiedete sich Mr. Bingley, anscheinend ohne den Vorgang bemerkt zu haben, und ritt mit seinem Freund davon.

      Mr. Denny und Mr. Wickham begleiteten die jungen Damen bis zu Mr. Philips’ Haus und verabschiedeten sich dort mit einer Verbeugung, obwohl Miss Lydia sie eindringlich bat, einzutreten, und Mrs. Philips sogar das Wohnzimmerfenster aufstieß und die Einladung laut wiederholte.

      Mrs. Philips freute sich immer über den Besuch ihrer Nichten. Nach ihrer vorübergehenden Abwesenheit begrüßte sie die beiden ältesten besonders herzlich und zeigte sich sehr überrascht über ihre plötzliche Rückkehr nach Hause. Hätte sie nicht zufällig Mr. Jones’ Laufburschen gesehen, der ihr erzählt hatte, dass keine weiteren Arzneien nach Netherfield geschickt werden sollten, weil die beiden Misses Bennet abgefahren seien, dann hätte sie nichts davon gewusst, da ihre eigene Kutsche sie nicht abgeholt hatte. Während sie dies noch berichtete, wurde ihre Aufmerksamkeit von Mr. Collins in Anspruch genommen, der ihr von Jane vorgestellt wurde. Sie begrüßte ihn aufs liebenswürdigste, wurde aber darin von Mr. Collins noch übertroffen, der sich dafür entschuldigte, dass er ohne vorherige Bekanntschaft eindringe, sich aber zugutehielt, er sei durch seine verwandtschaftliche Beziehung zu den jungen Damen gerechtfertigt, die ihn ihrer Aufmerksamkeit empfahlen. So viel Wohlerzogenheit fand Mrs. Philips furchterregend, aber sie konnte über diesen Fremden nicht weiter nachdenken, weil sie mit Fragen nach dem anderen Fremden überfallen wurde, über den sie ihren Nichten aber nur berichten konnte, was sie selbst schon wussten: Mr. Denny hatte ihn von London mitgebracht, und er sollte ein Leutnantspatent im Oxfordshire Regiment erhalten. Sie hatte ihn, wie sie sagte, gerade eine halbe Stunde lang vom Fenster aus beobachtet, wie er die Straße auf und ab ging, und Kitty und Lydia hätten sich dieser Beschäftigung sicher weiter hingegeben, wenn Mr. Wickham erschienen wäre, aber leider gingen am Fenster nur ein paar Offiziere vorbei, die nun im Vergleich zu dem Fremden ›langweilige, nichtssagende Burschen‹ waren. Einige von ihnen sollten am folgenden Tag bei den Philips speisen, und ihre Tante versprach ihnen, ihren Mann dazu zu veranlassen, auch Mr. Wickham aufzusuchen und zum Abend einzuladen, wenn die Bennets von Longbourn herüberkämen. Man stimmte zu, und Mrs. Philips stellte ihnen ein schönes, gemütliches, aufregendes Lotteriespiel und ein anschließendes kleines warmes Abendbrot in Aussicht. Das Versprechen solcher Genüsse steigerte ihre Stimmung, und sie schieden voneinander in der besten Laune. Mr. Collins wiederholte beim Hinausgehen seine Entschuldigungen und wurde mit unverminderter Höflichkeit ihrer völligen Überflüssigkeit versichert.

      Auf dem Heimweg erzählte Elizabeth Jane, was sie bei der Begegnung der beiden Herren beobachtet hatte; aber obwohl Jane die möglichen Fehler des einen wie des anderen verteidigt hätte, konnte sie sich ihr Verhalten ebenso wenig erklären wie ihre Schwester.

      Bei ihrer Ankunft bereitete Mr. Collins Mrs. Bennet durch seine Bewunderung für Mrs. Philips’ Umgangsformen und Höflichkeit eine große Freude. Feierlich erklärte er, außer Lady Catherine und ihrer Tochter habe er noch nie eine so elegante Frau kennengelernt; sie habe ihn nicht nur mit der größten Zuvorkommenheit empfangen, sondern ihn auch ausdrücklich in ihre morgige Einladung einbezogen, obwohl er ihr doch vorher völlig unbekannt gewesen sei. Vermutlich dürfe er ihre verwandtschaftlichen Beziehungen dabei in Rechnung setzen, aber trotzdem sei er in seinem ganzen Leben noch nie mit so viel Liebenswürdigkeit behandelt worden.

      Kapitel 16

      Da keine Einwendungen gegen die Einladung der jungen Leute bei ihrer Tante erhoben und Mr. Collins’ ganze Skrupel, Mr. und Mrs. Bennet einen einzigen Abend während seines Besuchs allein zu lassen, standhaft zurückgewiesen wurden, brachte die Kutsche ihn und seine fünf Cousinen zur verabredeten Stunde nach Meryton; und beim Eintreten ins Wohnzimmer hörten die Mädchen zu ihrer Freude, dass Mr. Wickham die Einladung ihres Onkels angenommen hatte und gekommen war.

      Als diese Bemerkungen ausgetauscht waren und alle Platz genommen hatten, konnte sich Mr. Collins in Ruhe umsehen und in Bewunderung ausbrechen. Größe und Mobiliar des Zimmers rissen ihn so hin, dass er erklärte, er fühle sich beinahe wie im kleinen Sommer-Frühstücks-Salon auf Rosings; der Vergleich brachte ihm zuerst nicht viel Anerkennung ein, aber als Mrs. Philips begriff, was Rosings und wer seine Besitzerin war; als sie der Beschreibung auch nur eines von Lady Catherines Wohnzimmern gelauscht und erfahren hatte, dass allein der Kaminsims 800 Pfund gekostet hatte, da spürte sie die ganze Wucht seines Kompliments und hätte fast auch einen Vergleich mit dem Zimmer von Lady Catherines Haushälterin anstandslos hingenommen.

      Bis die Herren sich zu ihnen gesellten, ging Mr. Collins in der Beschreibung all der Großartigkeit Lady Catherines und ihres Hauses völlig auf, mit gelegentlichen Abschweifungen zum Lobpreise seiner eigenen bescheidenen Hütte und der Verbesserungen, die sie ständig empfing. In Mrs. Philips fand er eine höchst aufmerksame Zuhörerin, und er gewann im Laufe seiner Ausführungen in ihren Augen so an Bedeutung, dass sie in Gedanken schon alles unter ihren Nachbarn verbreitete. Den Mädchen, denen ihr Vetter auf die Nerven fiel und denen nichts übrigblieb, als ein Klavier herbeizusehnen und die eigenen nichtssagenden Porzellanmalereien auf dem Kaminsims zu betrachten, verging die Zeit sehr langsam. Aber schließlich war sie um. Die Herren kamen, und als Mr. Wickham eintrat, wusste Elizabeth, dass sie ihn bei ihrer ersten Begegnung und in Gedanken danach keineswegs zu Unrecht bewundert hatte. Die gesellschaftlich versierten Offiziere machten dem Regiment Oxfordshire im Allgemeinen Ehre, und die besten von ihnen waren hier; aber Mr. Wickham übertraf sie in Figur, Ausdruck, Benehmen und Bewegung so, wie sie ihrerseits den rundköpfigen, dicken Onkel Philips übertrafen, der nach Portwein roch und hinter ihnen ins Zimmer trat.

      Mr. Wickham war der Glückliche, auf den sich alle weiblichen Augen richteten, und Elizabeth die Glückliche, zu der er sich schließlich setzte; und die umgängliche Art, mit der er gleich ein Gespräch begann, wenn auch nur über den nächtlichen Regen und die Möglichkeit eines verregneten Winters, überzeugte sie davon, wie der gängigste, langweiligste und dürftigste Gesprächsstoff durch das Geschick des Sprechers gewinnen kann.

      Bei solchen Rivalen wie Mr. Wickham und den Offizieren schien Mr. Collins zur Bedeutungslosigkeit herabzusinken; in den Augen der jungen Damen galt er gar nichts. Aber hin und wieder hatte er in Mrs. Philips eine geduldige Zuhörerin, und infolge ihrer Aufmerksamkeit war er mehr als ausreichend mit Kaffee und Gebäck versorgt.

      Als die Kartentische aufgestellt wurden, hatte er Gelegenheit, sich zu revanchieren, indem er sich ihr als Whistpartner erbot.

      »Ich beherrsche das Spiel noch nicht gut«, sagte er, »aber ich werde mir Mühe geben, Fortschritte zu erzielen, denn in meiner Position …« Mrs. Philips nahm sein Angebot dankend entgegen, konnte aber auf seine Begründung nicht warten.

      Mr. Wickham spielte beim Whist nicht mit und wurde am anderen Tisch zwischen Elizabeth und Lydia mit hellem Entzücken empfangen. Zunächst bestand die Gefahr, dass Lydia ihn gänzlich mit Beschlag belegen würde, denn sie redete gern und viel; aber da sie ebenso gern bei der Lotterie mitmachte, wandte sie sich mehr und mehr dem Spiel zu und war zu sehr damit beschäftigt, Einsätze zu machen und das Ausrufen der Gewinne lautstark zu begleiten, um noch für irgendjemanden ein Auge zu haben. Mr. Wickham hatte deshalb Muße, sich mit Elizabeth zu unterhalten, und sie hörte ihm bereitwillig zu, obwohl sie nicht zu hoffen wagte, das zu hören, was ihr vor allem am Herzen lag: die Geschichte seiner Bekanntschaft mit Mr. Darcy. Ja, sie traute sich nicht einmal, ihn zu erwähnen. Aber unerwartet wurde ihre Neugier befriedigt. Mr. Wickham selbst begann davon zu sprechen. Er fragte, wie weit Netherfield von Meryton entfernt sei, und erkundigte sich nach ihrer Antwort zögernd, wie lange sich Mr. Darcy dort schon aufhalte.

      »Ungefähr einen Monat«, sagte Elizabeth und fügte, um das Thema nicht fallenlassen zu müssen, hinzu: »Ich habe gehört, er hat große Besitzungen in Derbyshire.«

      »Ja«, erwiderte Wickham, »sein Besitz dort kann sich sehen lassen. Glatte 10000 pro Jahr. Sie hätten niemanden treffen können, der Sie darüber besser informieren könnte als ich, denn seit meiner Kindheit bin

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