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brüllte Smoky. „Das gilt nicht! Einmal ist keinmal. Das ist überhaupt kein Beweis! Das war Zufall, daß der Arsch – äh – Barsch angebissen hat. Reiner Zufall, da geh’ ich jede Wette ein!“

      Der Profos stemmte die Fäuste in die Hüften und pumpte sich derart auf, daß ihm ein Knopf vom Hemd wegsprang.

      „Sag mal, spinnst du?“ donnerte er. „Bist du noch zu retten? Willst du hier bescheißen, was, wie? Da hört sich doch alles auf! Na warte, dir zieh’ ich die Haut in Streifen von deiner Rübe …“

      „Mister Carberry, Sir“, sagte Philip junior freundlich, „ich muß Mister Smoky zustimmen. Vielleicht war es wirklich Zufall.“

      „Die Wette hat gegolten!“ schnaubte Carberry. „Dieser Windmacher namens Smoky hat nichts davon gesagt, daß zweimal gebunkert werden soll, verdammt noch mal!“

      „Nein, das hat er nicht“, sagte Philip junior. „Das stimmt. Aber wenn wir fair sein wollen, müssen wir ihm zugestehen, daß ein gelungener Blinkerfang noch gar nichts beweist. Ich lasse mir auch den Vorwurf nicht gefallen, hier sei Glück mit im Spiel gewesen. Hasard und ich wollen beweisen, daß unsere Blinker was taugen. Also bin ich auch noch dran.“

      „Gut, noch ein Versuch“, sagte Carberry, wechselte den Blick zu Smoky und fügte drohend hinzu: „Aber dann gilt die Wette. Ist das klar?“

      „Einverstanden“, sagte Smoky.

      Philip junior verfuhr genauso wie sein Bruderherz, indem er säuberlich einen Teil der Angelschnur Bucht für Bucht aufschoß. Inzwischen entfernte Hasard mit Macs Hilfe den Blinkerhaken aus dem Barschmaul und spulte die Schnur auf die Rolle.

      Philip warf. Auch bei ihm liefen die Buchten ohne Komplikationen aus, der Blinker verschwand in der See – ebenfalls in einem Querabstand zum Schiff von etwa vierzig Yards –, und die Schnur wanderte nach achtern aus.

      Aber noch früher als bei Hasard ruckte sie ein, und nun begann die gleiche Prozedur. Auch bei Philip saß Gegenzug dahinter, seine Beute kurvte ab, ein undeutlicher Schatten unter Wasser, etwa von gleicher Große wie Hasards Fang. Philip gab Lose und biß die Zähne zusammen, als die Schnur durch seine Hände raste. Der Bursche, den er da am Haken hatte, schien kämpfen zu wollen.

      Philip setzte jetzt Gegenzug ein, stemmte ein Bein gegen das Schanzkleid und holte die Schnur Hand über Hand heran. Der Fang schoß zappelnd aus dem Wasser – ja, auch ein Zackenbarsch mit seinem breiten Maul. Er gebärdete sich wie verrückt und klatschte auf das Wasser zurück.

      Und in diesem Moment schnitt eine Dreiecksflosse durchs Wasser. Sie raste auf das Gezappel zu.

      „Ein Hai!“ brüllte Hasard junior, sprang hinzu und packte mit an. „Schnell!“

      Doch da war’s auch schon geschehen. Alle Arwenacks konnten es genau verfolgen, es spielte sich nahezu an der Oberfläche ab. Der Hai drehte sich etwas, riß das Maul mit den messerscharfen dreieckigen Zähnen auf, schnappte zu und verschluckte den Barsch samt Blinkerhaken.

      Die Schnur ging dabei zum Teufel.

      Und dann gab es einen furchtbaren Stoß, die „Santa Barbara“ stieg mit dem Bug hoch, die Masten ächzten und knarrten, der Kiel schrammte über Widerstand, ein Knirschen drang von unten hoch, die Segel schlugen vor und zurück – und dann war Stille.

      Vorbei war die „große Brause“ – die „Santa Barbara“ stand.

      Einige Arwenacks, darunter die Zwillinge, hatte es von den Füßen gerissen. Sie rappelten sich auf und sahen reichlich belemmert aus.

      Verdattert sagte Smoky: „Ich – ich glaube, wir sind aufgebrummt.“

      Carberrys Blick war mörderisch. Aber bevor er loslegen konnte, erklang Hasards scharfe Stimme vom Achterdeck her.

      „Weg mit den Segeln, Freunde! Beeilung, wenn ich darum bitten darf! Mister Rogers, bitte aufs Achterdeck!“

      Da geriet Bewegung in die Mannen. Sie enterten auf, um die Segel aufzupacken, Paddy Rogers enterte ab und schlich nach achtern. Sein Gesicht hatte die gleiche Farbe wie seine Haare, nämlich rot.

      Aus den Laderäumen tauchte Ferris Tucker auf – er war sofort hinuntergestiegen – und meldete: „Kein Wassereinbruch, Sir!“

      „Danke, Ferris.“ Hasard atmete etwas auf und musterte den Unglücksraben Paddy Rogers aus schmalen Augen. „Hast du geschlafen, Mister Rogers?“

      „N-nein, Sir“, sagte Paddy hilflos, „bestimmt nicht, Sir. Ich – ich wollte den Hai melden, aber da hatte ihn auch Hasard junior schon gesehen. Ich – ich war abgelenkt …“ Paddy verstummte und senkte den Blick. Als er ihn wieder hob, klang seine Stimme fester: „Ich nehme jede Strafe an, Sir, auch Auspeitschen oder Kielholen.“

      „Letzteres dürfte kaum möglich sein“, sagte Hasard trocken. „Unter einem aufgebrummten Schiff kann man keinen Mann durchziehen.“

      „Ach so.“ Unwillkürlich kratzte sich Paddy hinter dem rechten Ohr. „Nein, das geht nicht.“ Paddy war völlig zerknirscht. „Aber es geht, wenn wir wieder freigekommen sind, Sir. Das wäre doch eine Möglichkeit.“

      Jetzt senkte Hasard den Blick und starrte auf seine Stiefelspitzen. Er legte die Hände auf den Rücken, drehte sich ab und marschierte nach Steuerbord. Dort blickte er über die See, wandte sich dann wieder um und marschierte zurück.

      Vor Paddy blieb er stehen und sagte: „Geh in die Kombüse zum Kutscher und laß dir einen doppelten Rum einschenken, Paddy!“

      Paddy stand da – mit Augen so groß wie Spiegeleier. Und sein Mund war offen.

      „Wenn du noch einmal als Ausguck dahin schaust, wo du nicht hinschauen sollst“, sagte Hasard, „holen wir das Kielholen nach. Ist das klar?“

      „Aye, Sir.“

      „Dann ab in die Kombüse. Und denke immer daran, wie tödlich es sein könnte, wenn ein Schiff auf eine Untiefe zusegelt, während der Ausguck woanders hinschaut, zum Beispiel dorthin, wo eine Wette ausgetragen wird.“

      „Aye, Sir. Ich werde es nicht mehr vergessen.“ Und Paddy trabte ab, um seinen doppelten Rum in Empfang zu nehmen.

      Als er in der Kombüse verschwunden war, fragte Don Juan de Alcazar: „Du belohnst ihn auch noch?“

      „Ja.“

      „Kannst du mir das erklären?“

      „Ich belohnte seine Ehrlichkeit“, erwiderte Hasard. „Was dagegen?“

      „Nein. Aber ob er das begreift?“

      „Das spielt keine Rolle. Viel wichtiger ist, daß er seine Rolle als Ausguck begriffen hat. Und das hat er jetzt, darauf kannst du dich verlassen.“

      „Keine Bestrafung“, murmelte Don Juan, als könne er das nicht begreifen.

      „Dann hätte ich alle bestrafen müssen“, erklärte Hasard.

      „Wieso das denn?“

      „Weil nicht ein einziger aufgepaßt hat – keiner von uns“, entgegnete Hasard. „Wir alle haben bei dieser verdammten Wette zugesehen – ich auch. Da wäre es billig, einen Sündenbock zu suchen und zu bestrafen. Im Grunde hat die Schiffsführung versagt, weil sie ihre Kontrollfunktion nicht wahrgenommen hat, Kontrolle zum Beispiel des Ausgucks, ob der auch aufmerksam den Voraussektor beobachtet.“

      „Verstanden.“ Don Juan nickte. „Du hast mal wieder recht. Allmählich wird mir klar, warum ich dich nicht aufs Kreuz legen konnte, als ich von der Krone auf dich angesetzt worden war.“

      Hasard blickte den schlanken, hochgewachsenen Spanier, der vom Saulus zum Paulus wurde, erstaunt an.

      „Mann, Mann“, sagte er. „Was hat denn nun das eine mit dem anderen zu tun?“

      „Eine ganze Menge“, erwiderte Don Juan. „Du denkst immer schon ein Stück weiter als jeder andere.“

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