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zufrieden. „Also ein venezianisches Schlitzohr und noch dazu Kaufmann! Da haben wir’s! So was schreibt ein Buch! Und was steht drin? Nur dummes Zeug, denn dieser Solo-Dingsda ist gar nicht in China gewesen. Der wollte sich nur aufspielen!“

      Dem Kutscher verschlug’s schier die Sprache. Aber er faßte sich schnell, und er setzte nur ein einziges Wort ein.

      Er fauchte: „Idiot!“ Und Sekunden später knallte er das Kombüsenschott hinter sich zu. Der Krach war derart laut, daß Sir John, der auf der Großrah gedöst hatte, vor Schreck hochhüpfte und wilde Flüche kreischte.

      Als er verstummte, tauchte Philip Hasard Killigrew an der Achterdecksbalustrade auf und sagte so ganz nebenbei: „Marco Polo hat fast ein Vierteljahrhundert in Asien verbracht, das ist völlig unstrittig, und was er über seine Erlebnisse berichtet hat, gehört historisch und geographisch zum Besten, was jemals über die Länder des Ostens geschrieben wurde. Er war kein Schlitzohr, aber ein sehr kluger Mann und scharfer Beobachter.“

      Der Kapitän lächelte freundlich auf die Kuhl hinunter, nickte ein paar Male und nahm wieder seinen Marsch zum Heck und zurück auf, also nicht quer übers Achterdeck, wie er es sonst tat. Ben Brighton schloß daraus, daß Philip Hasard Killigrew seinen Mannen Zeit zum Palavern – oder zum Nachdenken – geben wollte.

      Richtig! Sie palaverten!

      „Da stehst du ganz schön im Hemd, Old Donegal!“ dröhnte der Profos. „Gewissermaßen ohne Hose, mein Alter! Der Kapitän hat jedenfalls bestätigt, daß der Marco Polo ein gutes Buch geschrieben hat und in China gewesen ist, sogar über zwei Jahrzehnte lang. Und wie lange warst du mit der ‚Empress‘ in der Ecke?“

      „Länger!“ donnerte Old Donegal. „Bestimmt drei Jahrzehnte!“

      „Ah!“ tönte der Profos. „Und zwischendurch bist du immer mal schnell zurück nach Falmouth gesegelt, um dem nächsten O’Flynnchen aus den Windeln zu helfen …“

      Der Kapitän tauchte wieder an der Balustrade auf und sagte mit seiner ganzen Freundlichkeit: „Das finde ich sehr geschmacklos, Mister Carberry!“

      Old Donegal grinste schadenfroh, weil Carberry rote Ohren bekam, aber das verging ihm gleich wieder, als ihn ein kühler Blick des Kapitäns streifte.

      Dann verschwand der Kapitän erneut nach achtern, und Old Donegal äußerte ein: „Ähem!“

      Indessen war es Smoky, der den Faden wieder aufgriff. Er sagte etwas unruhig: „Dann stimmt also, was der Kutscher über Sokotra zitiert hat?“

      Prompt reagierte der Profos, der nach wie vor das erste Stichwort im Zitat des Kutschers anpeilte – die „karge Bedeckung“.

      Er sagte ziemlich ruppig: „Schlag dir das aus dem Kopf, Mister Smoky! Du bist mit deiner Gunnhild verehelicht, und wenn auf der Insel nackichte Weiberchen herumlaufen, zieh ich dir einen Sack über den Kopf, damit dir die Augen nicht aus dem Kopf fallen!“

      „Man wird ja mal fragen können“, nörgelte Smoky. „Und mir steht bestimmt kein Schweiß auf der Stirn, wenn ich höre, daß die Ladys nackicht seien. Außerdem hast du mit dem Thema angefangen, nicht ich, woraus klar hervorgeht, wer hier so erpicht darauf ist, was Nackichtes zu sehen.“

      „Ich doch nicht!“ sagte der Profos entrüstet. „Ich interessiere mich lediglich für die Sitten und Gebräuche von Inselbewohnern – schließlich ist England auch eine Insel, und da liegt es nahe, daß man als geistig reger Mensch Vergleiche anstellt.“

      „Ha-ha!“ sagte Smoky höhnisch. „Hast du auch vor, darüber Bücher zu schreiben? Da solltest du vorher noch üben, damit man deine Schrift lesen kann. Und der Kutscher sollte dir zeigen, wo beim Federkiel oben und unten ist. Du kannst ja deinem Don Philipp ein paar Schwanzfedern ausreißen, um dir schon einen Vorrat anzulegen!“

      Don Philipp, ein stolzer Hahn, war der Herrscher über das Hühnervolk an Bord der „Santa Barbara“. Hahn und Hennen waren die besonderen Augäpfel Mac Pellews und Carberrys, mitnichten jedoch von Old Donegal und Smoky.

      Und darum donnerte jetzt Carberry: „Laß ja Don Philipp aus dem Spiel, Mister Smoky! Dem werden weder Schwanzfedern noch sonstwas rausgerissen. Eher reiß ich dir was aus. Und was meine Schreibkünste betrifft, kannst du ganz beruhigt sein. Ich habe jedenfalls Schreiben gelernt – schon als Bübchen. Und ich bringe es dir gern bei, obwohl man sagt, daß Kerle in deinem Alter bereits zu dusselig seien, das noch zu kapieren.“

      „Stimmt!“ bestätigte Mac Pellew. „Was Klein-Smoky nicht lernt, lernt Groß-Smoky nie und nimmer.“

      „Gentlemen!“ Der Kapitän stand wieder an der Balustrade. „Darf ich daran erinnern, daß wir die Insel Sokotra ansteuern? Wir können natürlich vorbeisegeln und gleich Kurs auf den Golf von Oman nehmen. Andererseits bietet der Haupthafen von Sokotra – das ist Tamarida an der Nordküste der Insel – die Möglichkeit, unsere Vorräte zu ergänzen und einen Landgang zu unternehmen. Aber das muß nicht sein, ganz und gar nicht. Nur solltet ihr euch entscheiden, was ihr wollt.“

      „Wir sind alle für Landgang, Sir!“ rief der Profos. Er drehte sich zu den Mannen um. „Oder ist etwa einer dagegen?“

      Old Donegal ließ wieder einen Spruch vom Stapel: „Meide Zauberer und Hexenmeister, sonst geht bald dein Schiff koppheister!“

      Carberry warf ihm einen vernichtenden Blick zu und meldete seinem Kapitän: „Old Donegal ist dagegen, Sir, alle anderen sind dafür. Da die Mehrheit entscheidet, ist er überstimmt.“

      „Ich bin nicht dagegen!“ rief Old Donegal. „Ich habe nur gewarnt! Außerdem ist es meine Pflicht, den Hexenmeistern auf den Zahn zu fühlen. Denn es sind die Scharlatane und Spiegelfechter, die Goldmacher und Schlangenbeschwörer, die entlarvt werden müssen, weil sie mit arglistigen Täuschungen das Volk verdummen!“

      Kein Zweifel, Old Donegal, der sich als echter „Hinter-die-Kimm-Späher“ fühlte, war wild entschlossen, gegen die falsche „Konkurrenz“ zu Felde zu ziehen. Daß er die Arwenacks häufig genug selbst für dumm verkaufte, überging er großzügig.

      Der Profos grinste und rief: „Alle sind dafür, Sir! Keine Gegenstimme mehr! Es sei denn, unser Freund Paddy hat noch nicht mitgekriegt, daß wir über was abgestimmt haben.“

      „Doch, doch“, versicherte Paddy Rogers hastig, „ich bin auch dafür, daß die Weiberchen wegen der Hitze unverschleiert sind und sich nur karg bedecken. Das ist auch viel gesünder …“

      Der Heiterkeitssturm erlöste den guten Paddy, sich weiter äußern zu müssen. Er freute sich mit, weil sich die anderen freuten, und er wäre keineswegs beleidigt gewesen, wenn ihn jemand einen Langsam-Denker genannt hätte. Sein Freund, Jack Finnegan, hatte ihm einmal gesagt, daß derjenige, der langsam gehe, auch ans Ziel gelange. Und mit dem Denken war das nicht anders. Wer langsam dachte, der dachte viel gründlicher als jene, die für jeden Topf immer sofort einen Deckel zur Hand hatten.

      Als wieder Ruhe einkehrte, peilte Philip Hasard Killigrew seinen Profos an und sagte: „Einer hat nicht mit abgestimmt, Ed, nämlich der Kutscher. Aber die Mehrheit hat ja bereits entschieden. Außerdem war er es, der mir vorschlug, unsere Vorräte auf Sokotra zu ergänzen. Also gut, wir laufen Tamarida an, und wer Lust hat, kann sich an Land die Füße vertreten – oder die Sitten und Gebräuche der Inselbewohner studieren, um als geistig reger Mensch Vergleiche anzustellen.“ Hasard räusperte sich, und das gleiche tat der Profos.

      Und Hasard fuhr fort: „Ich möchte hier nur ganz allgemein feststellen, daß eine Prügelei in einer Kneipe und das Auseinandernehmen derselben keineswegs identisch sind mit dem Studium der Sitten und Gebräuche von Insulanern. Letzteres ist sehr empfehlenswert, ersteres hingegen ist strikt zu vermeiden. Nicht wahr, Profos?“

      „Aye, aye, Sir, sehr wohl“, verkündete Carberry mit der Biederkeit des frommen Pilgers. „Ich werde jedes einzelne dieser Rübenschweine scharfen Auges bewachen und zur Friedlichkeit ermahnen, wenn es anfangen sollte, herumzustänkern.“

      „Das freut mich“, sagte Hasard, „denn ich möchte vermeiden,

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