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einem Hai. Wer diese furchtbaren Narben sah, den konnte das kalte Grausen packen. Er mußte sich auch fragen, wie dieser Mann einen derartigen Biß hatte überstehen können.

      Zweifellos hatte Mel Ferrow eine eiserne Konstitution, die ihm vermutlich auch das Leben gerettet hatte. Mel Ferrow sprach nie darüber, aber unauslöschlich brannte in ihm der Haß auf den Mörder – auf alle Mörder.

      Mel Ferrow suchte den Kampf mit den Tiburones. Er versuchte auch, den Feind, den er so grenzenlos haßte, zu überlisten. Manchmal hockte er draußen auf den Klippen vor der Schlangen-Insel, bewaffnet mit einem Blunderbuss, und warf blutige Fleischbrocken ins Wasser. Und wenn sie heranpfeilten, dann schoß er.

      Jean Ribault, der diese Massaker für sinnlos erklärte, fand bei ihm kein Gehör und hatte in dieser Beziehung auch keine Befehlsgewalt über ihn. Das Töten von Haien war für Mel Ferrow wie ein Zwang, kaum etwas konnte ihn davon abhalten, auch nicht die Warnung Jean Ribaults, daß Mel Ferrow eines Tages den kürzeren ziehen werde, wenn er diese verdammte Haifischjagd nicht aufgäbe. Aber Mel Ferrow war auf diesem Ohr taub.

      Karl von Hutten hatte Hasard nach vorn in den Bug der Jolle beordert, wo er nach Riffspitzen unter Wasser Ausschau halten sollte. Die sechs Rudergasten hatten Anweisung, die Riemen nicht zu kräftig durchzuholen – auch das war eine Vorsichtsmaßnahme. Rammte man trotz aller Aufmerksamkeit dennoch eine Riffspitze, dann war es besser, nicht allzuviel Fahrt draufzuhaben.

      So näherte sich die Jolle eher langsam dem Riff, auf dem der Schiffbrüchige mit seinem Boot gelandet war. Natürlich war der Mann glücklich, aus seiner aussichtslosen Lage befreit zu werden – auf dem Riff hätte er nie überlebt –, aber er verhielt sich sonderbar. Immer wieder bückte er sich und redete auf die Kisten ein.

      Scheint ’n Spinner zu sein, dachte Hasard, dem dieses Gebaren keineswegs entging. Aber dann zuckte er zusammen, als er die Dreiecksflosse sah, die auf die Jolle zuraste.

      „Hai steuerbord voraus!“ schrie er.

      „Auf Riemen!“ befahl Karl von Hutten.

      Er kannte das. Die Biester attackierten manchmal sogar Ruderblätter und verbissen sich darin. War das der Fall, dann konnte man fürderhin auf den Riemen verzichten, weil der mit seinem zerfetzten Blatt nichts mehr taugte.

      „Riemen ein!“ befahl Karl von Hutten.

      Die Riemen schwangen hoch und polterten binnenbords, wo sie ihre Plätze mittschiffs und an den Seiten über den Duchten hatten.

      „Mußte das sein?“ fragte Arne.

      Karl von Hutten zeigte ein flüchtiges Lächeln.

      „Ich wollte euch ersparen, daß ihr euch um neue Riemen kümmern müßt“, sagte er. „Die Haie haben auch auf Holz Appetit.“

      „Ach so.“ Arne rieb sich das Kinn. „Und jetzt?“

      „Abwarten“, erwiderte Karl von Hutten.

      Der Hai bog ab und umkreiste die Jolle, verfolgt von den Augen der Männer. Das Tier war mindestens an die fünf Yards lang.

      „Laß das Messer stecken, Mel!“ sagte Karl von Hutten scharf.

      Arne schaute verdutzt zu dem Backbordschlagmann, der ein Messer in der Hand hielt. Es hatte eine zweischneidige Klinge.

      „Ich bring das Vieh um!“ knurrte Mel Ferrow.

      „Oder umgekehrt“, sagte Karl von Hutten kalt. „Wenn du außenbords springst und den Kampf überlebst, kannst du dich auf das Riff verholen und dort deinen Lebensabend beschließen. Ich nehme dich nicht mehr in der Jolle auf. Von mir aus tob dich an den Haien aus, wenn du auf der Schlangen-Insel bist, aber nicht hier, verstanden?“

      „Schon gut“, sagte Mel Ferrow zwischen zusammengebissenen Zähnen.

      „Was ist los?“ fragte Arne von Manteuffel. Die Schärfe, mit der Karl von Hutten gesprochen hatte, war nicht zu überhören gewesen.

      „Er ist wild darauf, Haie abzuschlachten“, sagte Karl von Hutten hart. „Dabei steht jetzt schon fest, daß er eines Tages in einem Haifischmagen landen wird, dieser Narr. Ich versuche weiter nichts, als ihn davor zu bewahren. Wenn nötig, schlage ich ihm die Pinne über den Schädel!“

      Der Hai umkreiste immer noch die Jolle, die allmählich nach Süden abtrieb. Der Mann auf dem Riff stand in seinem Boot und bewegte hilflos die Arme. Vielleicht dachte er, die Männer in der Jolle trauten sich wegen des Hais nicht näher. Tatsächlich sah es so aus, als habe der Hai die Absicht, die Jolle nicht an das Riff heranzulassen, obwohl das unsinnig war. Oder meinte er, seiner Beute auf dem Riff sicher zu sein? Wenn ja, woher wußte er von dem Mann? Konnte er ihn aus dem Wasser heraus erkennen?

      Arne schossen diese Gedanken durch den Kopf, während er den Hai beobachtete. Dann wandte er sich an den Backbordschlagmann.

      „Was meinen Sie, Mister Ferrow, kann der Hai den Mann auf dem Riff sehen?“

      „Ja“, sagte Mel Ferrow, „sogar sehr gut. Die Behauptung, diese Biester hätten ein schlechtes Sehvermögen, stimmt nicht. Ich habe andere Erfahrungen gesammelt. Wenn ich mich zum Beispiel aufrecht hier ins Boot stelle, kann er mich sehen – ich schätze, weil ich mich dann deutlich von der Helligkeit über Wasser abhebe. Auf den Klippen vor der Schlangen-Insel habe ich das ausprobiert. Wenn ich graues Gestein hinter mir hatte, wurde ich von den Haien kaum gesehen. Trat ich dagegen vor, jetzt scharf von der Helligkeit umrissen, waren sie plötzlich da. Sie schossen aus Entfernungen von über hundert Yards heran, teilweise waren sie noch weiter weg gewesen. Das beweist, daß sie sehen können. Passen Sie auf, Sir!“

      Mel Ferrow stand auf und stieg auf seine Ducht. Prompt verließ der Hai seine Kreisbahn und glitt auf das Boot zu, zog am Heck vorbei, schnellte jedoch urplötzlich herum und jagte auf das Ruderblatt zu. Bevor er es erreichte, flog ihm das Messer Mel Ferrows in einem silberblitzenden Wirbel entgegen und verschwand bis zum Heft in den linken Kiemenöffnungen hinter dem Maul. Mel Ferrow hatte das Messer mit unheimlicher Wucht geschleudert.

      Der Hai bäumte sich auf und schoß, einen knappen Yard vom Heck entfernt, in die Tiefe. Die sichelförmige Schwanzflosse klatschte im Abtauchen mit einem krachenden Schlag aufs Wasser, und es klang, als sei eine Culverine abgefeuert worden. Die Jolle stieg mit dem Heck hoch, als sei es von einer Riesenfaust angelüftet worden.

      Mel Ferrow, der nach dem Messerwurf lauernd auf der Ducht gestanden hatte, wurde angehoben, verlor die Balance und krachte rücklings an der Backbordseite auf die Duchten, während sich die anderen Rudergasten alle nach vorn geworfen hatten, um dem Aufsteigen des Bugs entgegenzuwirken.

      Hasard junior, vorn im Bug, kippte außenbords, tauchte aber schnell wieder auf, stieß auf den Steven zu, warf die Arme hoch und zog sich wieder an Bord, bevor jemand zupacken konnte, um ihm zu helfen.

      Das geschah innerhalb, weniger Sekunden.

      Hasard junior fluchte wie ein Fuhrknecht und fuhr Mel Ferrow, der sich gerade wieder hochrappelte, an: „Bist du noch zu retten, Mister Ferrow?“ Er tobte vor Wut, der Kleine! Und dann kriegte Mel Ferrow eine gescheuert, daß es ihm den Kopf nach rechts riß.

      „Mister Carberry würde dir die Haut von deinem verdammten Affenarsch schneiden“, brüllte Hasard junior, „daß die Streifen nur so qualmten!“

      „Aye, aye, Sir“, murmelte Mel Ferrow völlig verdattert und bewegte den Kopf hin und her, als säße der nicht mehr richtig auf den Schultern.

      „Ach, Scheiß!“ tobte Hasard junior. „Scher dich auf deine Ducht, du abgespeckte Filzlaus …“

      „Na, na, na“, sagte Arne von Manteuffel, „was sind das denn hier für Reden an Bord der Jolle meiner ‚Wappen von Kolberg‘?“

      „Ist doch wahr“, sagte Hasard junior und wischte sich wütend das klatschnasse Haar aus der Stirn. „Wenn der Hai noch lebte, hätte er mich jetzt am Wickel. Oder etwa nicht?“

      „Verzeihung“, murmelte Mel Ferrow. Jetzt rieb er sich den Hinterkopf, an dem eine Beule zu wachsen begann.

      Hasard

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