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war gewiß kein leichtes Unterfangen, darüber war sich Cubera im klaren, aber gerade deshalb konnte er als erfahrener Seemann nicht verstehen, daß man die ganze Sache so überstürzt in Angriff genommen hatte. Der Verband war nicht aufeinander eingestimmt, es gab keine Konzeption, und man wußte noch nicht einmal genau, wie stark der Gegner war. Lediglich der Gouverneur hatte behauptet, es seien fünf Schiffe.

      Don Garcia Cubera ärgerte sich darüber, daß er sich um diese mitternächtliche Zeit den Kopf über diese Dinge zerbrach, während Don Antonio einen Glaskelch Rioja nach dem anderen in sich hineinsoff und dabei tat, als gäbe es nichts Wichtigeres auf der Welt.

      Als sich der Dicke ein weiteres Mal das Glas nachfüllen ließ, platzte dem Capitán beinahe der Kragen. Befand er sich nun auf Kriegsmarsch, oder geruhte der erlauchte Gouverneur eine Lustfahrt zu unternehmen? Er verspürte jedenfalls nicht die geringste Neigung dazu, dem feisten Kapaun rund um die Uhr als Gesellschafter zur Verfügung zu stehen.

      Don Antonio störte die schlechte Laune des Verbandsführers nicht im geringsten.

      „Ich hoffe, Sie haben Ihre Vorräte dieses edlen Tropfens nicht zu knapp bemessen, mein lieber Cubera“, sagte er mit einem süffisanten Lächeln. „Der menschliche Gaumen gewöhnt sich rasch an einen solchen Schluck.“

      „Die Vorräte sind natürlich begrenzt, Don Antonio“, erwiderte Cubera steif. „Anders geht das nun mal nicht auf einem Schiff, wie Sie wissen. Und ob der Vorrat an Rioja ausreicht“, fügte er diplomatisch hinzu, „hängt einerseits von der Dauer unserer Mission ab, andererseits natürlich auch von dem Zuspruch, den der Wein findet.“

      Der Gouverneur kicherte amüsiert.

      „Das war eine sehr kluge Antwort, Don Garcia, aber ich kann Sie beruhigen. Unsere Mission wird bald beendet sein, und diesmal werden dieser englische Verbrecher und sein übles Piratenpack keine Chance mehr haben, das verspreche ich Ihnen.“

      Capitán Cubera konnte sich eine kühle Entgegnung nicht verkneifen.

      „Ich bin mir da nicht so sicher“, sagte er. „Wir haben zwar Grund zu der Annahme, daß wir in der Übermacht sind, aber ich muß dennoch daran erinnern, daß wir es mit äußerst schlagkräftigen und intelligenten Gegnern zu tun haben, die den Schiffen der Krone schon so manches Schnippchen geschlagen haben.“

      „Papperlapapp!“ Der Dicke winkte ab. „Sie sollten etwas mehr Zuversicht an den Tag legen, Don Garcia. Außerdem scheinen Sie vergessen zu haben, daß es nicht zum offenen Kampf auf See kommen wird. Das Gesindel wird ganz einfach in seinem Schlupfwinkel überrascht. Bis die begreifen, was geschieht, haben wir das Nest schon ausgeräumt.“

      „Ich hoffe sehr, daß Ihre Worte in Erfüllung gehen, Don Antonio“, sagte Cubera kühl. „Das Überraschungsmoment dürfte unbestreitbar auf unserer Seite sein.“

      Daß er sich mit dieser Annahme genauso irrte wie der Gouverneur, das konnte Capitán Cubera zu diesem Zeitpunkt nicht wissen. Ja, niemand auf Kuba ahnte auch nur im entferntesten, daß die Bewohner der Schlangen-Insel über sämtliche Einzelheiten des Unternehmens unterrichtet worden waren. Der Türke Jussuf, der zu Arne von Manteuffels Faktorei in Havanna gehörte, hatte die Ereignisse durch den zuverlässigen und bewährten Brieftäuberich Achmed zur Schlangen-Insel gemeldet. Insofern konnte auf Seiten des Schiffsverbands von einem Überraschungsangriff keine Rede mehr sein.

      Es gab jedoch noch weitere Ereignisse, von denen weder Don Antonio noch Don Garcia etwas ahnten.

      Niemand hatte etwas davon bemerkt, daß sich nach dem Auslaufen des Verbands aus Havanna die Schebecke Don Juan de Alcazars „angehängt“ hatte. An Bord befanden sich außer dem Kapitän und der Crew auch Arne von Manteuffel und Jörgen Bruhn.

      Außerdem folgte den Kriegsschiffen die gekaperte Zweimast-Schaluppe der berüchtigten Black Queen, die es sich zum Ziel gesetzt hatte, nach ihrem Verrat der genauen Position der Schlangen-Insel vom Kriegszug der Spanier zu profitieren.

      Don Antonio de Quintanilla unternahm noch immer keine Anstalten, sich zurückzuziehen. Statt dessen zerkaute er genüßlich eine weitere kandierte Frucht und trank dann einige Schlucke Wein.

      Cubera war daher froh, als das „traute Beisammensein“ eine plötzliche Unterbrechung erfuhr.

      Einer der Offiziere klopfte an das Schott der luxuriös ausgestatteten Kapitänskammer und trat ein.

      „Was gibt es?“ fragte Don Garcia knapp.

      „Die ‚Gaviota‘ segelt zu uns auf, Señor Capitán. Offenbar hat sie eine Meldung zu überbringen.“

      Er meinte damit eine Kriegs-Karavelle, die am Ende des Verbandes segelte.

      „Ich komme“, sagte Cubera und erhob sich. Zu Don Antonio gewandt sagte er: „Sie müssen mich leider entschuldigen, Don Antonio, aber ich muß mich um diese Sache kümmern. Gewissermaßen ruft die Pflicht, Sie verstehen?“

      Der Dicke lächelte verständnisvoll.

      „Aber natürlich, mein Lieber. Niemand hält Sie auf. Ich hatte ohnehin vor, mich zurückzuziehen. Wahrscheinlich steht uns auch morgen ein anstrengender Tag bevor.“ Er entließ den Kapitän der „San José“ mit einer gnädigen Geste.

      Cubera aber schoß die Zornröte ins Gesicht. Am liebsten hätte er den feisten Kapaun gefragt, wieso der vergangene Tag für ihn anstrengend gewesen wäre und warum es der morgige Tag gleichfalls werden sollte. Außer seiner hemmungslosen Genußsucht hatte der Kerl ohnehin nichts im Sinn. Während für ihn, Cubera, die Meldung des Offiziers Arbeit und Wachsamkeit bedeutete, geruhte der Gouverneur gähnend in die Koje zu steigen.

      Der Capitán folgte dem Offizier zum Achterdeck.

      In der Tat, die „Gaviota“, was soviel wie Möwe bedeutet, befand sich bereits auf gleicher Höhe mit der „San José“. Der Abstand zwischen den beiden Schiffen betrug weniger als eine halbe Kabellänge.

      Don Garcia Cubera befand sich kaum auf dem Achterdeck, da wurde er auch schon von dem Kommandanten der Karavelle angepreit.

      „Zweimaster an der achteren Kimm gesichtet“, lautete die kurze Meldung. „Das fremde Schiff folgt dem Verband. Erwarte entsprechende Weisungen.“

      Cubera befahl dem Kommandanten, die Identität des Zweimasters zu überprüfen und dann wieder Meldung zu erstatten. Danach ließ er Segel wegnehmen, um die Fahrt der „San José“ zu verlangsamen. Dieses Manöver sollte der „Gaviota“ nach Insichtnahme des fremden Zweimasters beim Wiederaufschließen behilflich sein.

      Während der Capitán die Ausführung seiner Befehle überwachte, zerzauste ihm der kühle Nachtwind das eisgraue Haar. Der Mond stand wie eine riesige gelbe Kugel am Himmel und überschüttete die kabbelige Wasserfläche mit fahlem Licht. Irgendwie hatte Cubera das Gefühl, sich an diesem Platz wesentlich wohler zu fühlen, als in der Gesellschaft des Gouverneurs von Havanna.

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