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      Impressum

      © 1976/2015 Pabel-Moewig Verlag KG,

      Pabel ebook, Rastatt.

      ISBN: 978-3-95439-488-3

      Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]

      Inhalt

       Kapitel 1

       Kapitel 2

       Kapitel 3

       Kapitel 4

       Kapitel 5

       Kapitel 6

       Kapitel 7

       Kapitel 8

       Kapitel 9

       Kapitel 10

      1.

      Florinda Martinez Barrero konnte nicht schlafen. Sie kauerte in dem niedrigen, fensterlosen Schiffsraum – er wurde, wie sie sich immer wieder ins Gedächtnis zurückrief, das Kabelgatt genannt – und hielt ihre Beine, die sie dicht an den Leib herangezogen hatte, mit den Armen umschlungen. Sie kaute auf ihrer Unterlippe und überlegte bedrückt, daß zwischen einem stickigen, düsteren Versteck wie diesem und einem richtigen Verlies tief unten im Kellergewölbe eines Gemäuers kein großer Unterschied bestehen konnte.

      Tagsüber vermochte sie es hier unten einigermaßen auszuhalten. Dann drang etwas Licht durch die Ritzen des Schotts und an Oberdeck hantierten und lachten die Männer. Manchmal konnte sie die Stimme von Andrés heraushören. Allein ihr Klang erfüllte sie mit Freude und Zuversicht.

      Die Nacht kündigte sich indessen, wie jetzt, mit dem Abebben der Geräusche an Deck an. Wenn die Finsternis wie eine große schwarze Spinne durch das Schiff kroch, fühlte sich Florinda von Schwermut, ja, von Verzweiflung befallen.

      So stellten sich die dumpfen, drohenden Gedanken ein, alle jene seltsamen und bedenklichen Fragen, wie sie nur die Dunkelheit und das Alleinsein hervorrufen können. Florinda kämpfte gegen die deprimierenden Gefühle an und versuchte, sich zu bezwingen, unterlag aber immer wieder. Es war, als wollten die Geister der Nacht und der schier endlosen See sich an ihr rächen für das, was sie getan hatte.

      So hatte sie nur selten geschlafen, seit sie Cadiz verlassen hatten. Entsprechend war es um ihren Gemütszustand bestellt. Sie erzählte Andrés, der jede unbeobachtete Minute wahrnahm, um sie zu besuchen, jedoch kaum etwas davon, denn sie wollte ihm die Sache nicht noch schwerer machen, als sie ohnehin schon war.

      Andrés – seinetwegen hatte sie es getan. Aus Liebe zu ihm hatte sie den elterlichen Hof heimlich verlassen und war durchgebrannt, wie man sagte. Was sie für ihn empfand, mußte echte Liebe sein, denn sonst hätte sie es niemals auch nur bis hierher durchgehalten, soviel war ihr klar.

      Ein neunzehnjähriges Mädchen an Bord eines Schiffes, als „blinder Passagier“ unter einer Meute von rauhen Männern – das war ungeheuerlich und verwegen zugleich. Aber es war auch weitaus weniger abenteuerlich und romantisch, als Florinda es sich daheim ausgemalt hatte. Mittlerweile hatte sie Furcht vor ihrer eigenen Courage bekommen.

      Sie preßte die Lippen zusammen.

      Durchhalten, sagte sie sich, du mußt durchhalten, um jeden Preis! Nur jetzt nicht verrückt spielen!

      Das Knarren und Knacken im Schiffsleib war allgegenwärtig, das Rauschen des Wassers nahm sich bei Nacht überlaut aus. Irgendwo raschelte und knirschte es, und Florinda fragte sich voll Entsetzen, ob das wieder eine Ratte sei – wie jene, die gestern oder vorgestern durch das Kabelgatt gehuscht war.

      Ratten greifen auch erwachsene Menschen an, dachte sie.

      Du bist albern, sagte sie sich dann.

      Sie versuchte, an etwas anderes zu denken. Die wievielte Nacht war dies nun? Sie hatte aufgehört, die Tage zu zählen und konnte sie nur noch schätzen. Eine Woche mochte seit dem Auslaufen aus dem Hafen von Cadiz vergangen sein, vielleicht waren es auch anderthalb Wochen – oder gar schon zwei?

      Wie viele Wochen noch, um die Neue Welt, diesen rätselhaften, faszinierenden Kontinent, zu erreichen? Viele Wochen. Zwei oder drei Monate. Manchmal konnten auch vier daraus werden, je nach Wetterlage. Andrés hatte es ihr gesagt, damit sie sich mit entsprechender Geduld für die Reise wappnete.

      Er hatte ihr auch Einzelheiten über den Kurs des Schiffes, der „Gran Duque de Almeria“, mitgeteilt, wenn sie sich im Kabelgatt heimlich getroffen hatten, aber sie, Florinda, konnte sich der meisten Details nicht mehr entsinnen, weil ihr die erdkundlichen und nautischen Begriffe zu fremd waren.

      Nur eins hatte sie behalten: daß die Galeone in dieser Nacht die Azoren passierte.

      Florinda sehnte den Augenblick herbei, in dem Andrés zu ihr in das unbequeme Versteck schlüpfen würde, um ihr mitzuteilen: „Die Neue Welt ist in Sicht!“

      Daran richtete sie sich innerlich auf. Es war ihre einzige seelische Hilfe. Die Hoffnung war ein großer weißer Schwan, der vor der „Gran Duque“ dahinrauschte und zielsicher auf die Küsten der Zukunft zustrebte.

      Florinda überlegte, ob sie die Apfelsine essen solle, die sie sich aufbewahrt hatte, ganz einfach nur, um etwas zu tun. Sie gelangte aber zu dem Schluß, daß das Obst dazu viel zu wertvoll war. Die letzte andalusische Apfelsine, die sie mit an Bord des Schiffes genommen hatte – Florinda wollte sie doch lieber so lange wie möglich aufbewahren. Sie wußte ja nicht, wieviel Zeit noch verstreichen würde, bis sie wieder so etwas zu essen erhielt.

      Die Verpflegung an Bord der Galeone bestand größtenteils aus Dörrfleisch und hartem Schiffszwieback. Andrés, der in unregelmäßigen Zeitabständen erschien und nie genau sagen konnte, wann er zurückkehrte, brachte stets etwas davon mit. Sie wußte, er sparte sich diese Bissen im wahrsten Sinne des Wortes vom Mund ab, denn sie waren Bestandteil der Mahlzeiten, die er täglich wie alle anderen als Ration empfing.

      Sie war ihm unendlich dankbar und himmelte ihn an. Wie er sie in Cadiz an Bord geschmuggelt hatte – allein das war ein Meisterstück gewesen. Wie rührend er um ihr Wohlergehen bemüht war und wie er sie verehrte! Sie würde ihm seinen Mut und sein aufopferndes Verhalten nie vergessen. Sie wußte, daß er sein Leben riskierte. Die Strafen für ein Mannschaftsmitglied, das einem blinden Passagier eines Segelschiffes half, waren drakonisch. Sie hörte nicht auf, es sich vor Augen zu halten.

      Aber bei allem, was sie für Andrés Nortes de Checa empfand, würde sie sich an dieses Gefängnis nie gewöhnen können. Der unerlaubte Aufenthalt an Bord war für sie gleichsam ein Schlüsselerlebnis. Sie würde dieses Schiff und die ganze Seefahrt immer hassen und niemals vertraut werden, mit diesen schwankenden Bewegungen und der Übelkeit, die sie hervorriefen, mit dem Knarren der Blöcke und Rahen, dem Schwappen und Gurgeln der Fluten an den Bordwänden. Sie war für dieses Leben nicht geboren. Auch in einer gemütlichen Kammer des Achterkastells stellte sie sich eine solche Überfahrt kaum erfreulicher vor.

      Aber welche andere Wahl hätte sie gehabt? Ihre Eltern hatten ihr den Umgang mit Andrés, dem Abkömmling eines verarmten Adelsgeschlechts aus Algeciras, strikt verboten.

      „Dieser Hidalgo!“ hatte ihr Vater gerufen. „Dieser Nichtsnutz, dieser andalusische Schweinehirt! Er kann dir keine Zukunft bieten, er wird dich

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