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Blick gleichermaßen Geldgier und Verachtung zeigte.

      „Wird Zeit, daß Sie wieder zu sich finden, Doña. Sie waren beinahe eine halbe Stunde ohne Besinnung.“

      Der Verschlag wurde aufgerissen. Maria de Pasajes blinzelte geblendet in die hereinflutende Helligkeit. „Pedro!“ stieß sie überrascht hervor. Aber der Kutscher war wohl tot. Eine Frau hatte seinen Platz eingenommen, und das so verdammt gut, daß nicht einmal ihr der Unterschied sofort aufgefallen war. Die Stadtwache in Havanna würde ebenfalls nichts bemerken.

      „Sie sollten nicht mit dem Gedanken spielen, uns bei der erstbesten Gelegenheit zu verraten“, sagte die Braunhaarige warnend, als könne sie Gedanken lesen. „Sie würden uns auf dem Weg in die Hölle vorangehen.“

      Maria de Pasajes nickte zögernd. Hinter ihrer Fassade der Resignation beobachtete sie allerdings genau.

      „Du wirst mit ihr fertig, Irene?“ fragte die Frau, die Pedros Kleidung und seinen Hut trug. Der Kutscher war jung gewesen, ohne Bartwuchs und mit weiblichen Zügen. An seine Stelle zu treten, fiel dem Weib bestimmt nicht schwer. Je mehr Doña Maria darüber nachdachte, desto weniger erschien ihr der Überfall als zufällig. Die Frauen wußten genau, was sie taten. Aber gerade das ließ sie gefährlicher werden als andere Wegelagerer.

      Die mit Irene angeredete vollführte eine geringschätzige Handbewegung. Auch sie war höchstens dreißig Jahre alt und schlank, hatte aber genau jene Rundungen, nach denen Männer sich umdrehten. In der Hinsicht war sie üppiger ausgestattet als ihre Kumpanin.

      Die Fahrt ging weiter – in einem Tempo, das Pedro Carvena niemals gewagt hätte. Oft schlingerte die Kutsche, einmal raste sie so gefährlich nahe an einem Abgrund vorbei, daß Maria de Pasajes unwillkürlich aufschrie.

      „Keine Angst“, sagte Irene. „Wir haben nicht vor, Sie umzubringen. Wenigstens vorerst nicht.“

      „Glauben Sie ernsthaft daran, daß der Gouverneur Sie laufen läßt? Geben Sie Ihren Plan auf, bevor Jorge Ihnen höchstpersönlich den Strick um den Hals legt.“

      „Ich muß Sie leider enttäuschen, Doña. Ihr Jorge Martinez, auf den Sie so große Stücke halten, wird uns bestimmt nichts antun.“

      „Was soll das heißen?“ Maria de Pasajes fuhr jäh auf.

      „Der Gouverneur ist spurlos verschwunden.“ Irene betonte jedes Wort. „Er hat Sie sitzenlassen, Doña. Ist das eine Art? Selbst ein Gouverneur darf so nicht mit uns Frauen umgehen.“

      „Sie lügen.“

      „Ich dachte schon, daß Sie mir nicht glauben würden. In spätestens einer Stunde erreichen wir Havanna, vielleicht lassen Sie sich dann überzeugen.“

      Maria de Pasajes stieß ein kurzes, schrilles Lachen aus. „Warum sollte Jorge etwas so Dummes tun?“

      „Weil König Philipp tot ist und ein neuer Gouverneur eingesetzt werden soll“, erwiderte Irene. „Er hat Hals über Kopf sein Heil in der Flucht gesucht.“

      Doña Maria schwieg betreten. Ihr war nicht anzusehen, was sie dachte. Irene beobachtete sie eine Weile, lehnte sich anschließend bequemer in die Ecke und warf Jorge Martinez’ Mätresse nur noch hin und wieder unter halb gesenkten Lidern einen forschenden Blick zu.

      Die Doña schien sich mit ihrem Schicksal abgefunden zu haben und döste vor sich hin. Langsam sackte ihr Kopf vornüber. Bei jeder heftigeren Erschütterung wurde sie hin und her geworfen. Nach einer Weile gewann Irene den Eindruck, daß ihre Gefangene eingeschlafen war. Die schnelle Fahrt durch monotones Gelände wirkte ermüdend. Ihr fielen ebenfalls immer öfter die Augen zu.

      Irene entging, daß Maria de Pasajes vorsichtig ihr Sitzpolster nach vorne schob. Ebenso lautlos griff sie in den engen Hohlraum hinter dem Sitz.

      Das Knacken, das entsteht, wenn jemand einen Hahn spannt, schreckte sie auf.

      „Keine törichte Bewegung“, sagte Maria warnend. „Ich würde es bedauern, dich Miststück mit einer Kugel ins Jenseits befördern zu müssen.“ Mit der Linken fuhr sie sich demonstrativ über die Kehle. „Der Galgen eignet sich besser für deinen Schwanenhals. Und jetzt erzähle!“

      „Was?“

      „Ich will mehr von dir und deiner Kumpanin wissen – wer ihr seid, woher ihr stammt.“

      „Das interessiert Sie nicht wirklich.“

      „Doch.“ Maria de Pasajes unterstrich ihre auffordernde Handbewegung mit der Pistole. „Außerdem ist es gut, wenn du redest, das vertreibt dumme Gedanken.“

      In Irenes Augenwinkeln schimmerten plötzlich Tränen. „Wir gehören nicht zu dem üblen Pack von Wegelagerern und Halsabschneidern, denen man überall begegnet“, sagte sie. „Im Gegenteil. Vor einem Monat wurden wir selbst überfallen und unserer Habe beraubt. Nicht einmal den Schmuck, der in unserer Familie von Generation zu Generation vererbt wurde, haben uns die Piraten gelassen.“ Von der Erinnerung gequält, legte sie eine kurze Pause ein, während der sie sich mehrmals die Augenwinkel auswischte. Bedrückt fuhr sie fort: „Mein Name ist Irene Hardenberg, ich gehöre einer alten Lübecker Handelsfamilie an. Mit fünf Schiffen wollten mein Vater und meine Brüder versuchen, den Handel mit der Neuen Welt aufzubauen, nachdem bislang nur wenige hansische Schiffe Brasilien anliefen. Wir wurden von englischen Piraten aufgebracht. Nach mehr als einer Woche unglaublicher Demütigungen gelang mir in der Nähe einer kleinen Insel die Flucht. Aber wahrscheinlich wäre ich an Land verhungert, hätte mich nicht ein Fischer aufgenommen. Er übergab mich – oder sollte ich besser sagen, er verkaufte mich? – an den Kapitän eines spanischen Sklavenschiffs. Señor Montigo behandelte mich aber noch schlechter als die Piraten.“ Sie schüttelte sich in Gedanken daran, was auf dem Schiff geschehen war. „In jenen Tagen schwor ich bei allen Heiligen, Rache für die Demütigungen zu nehmen. Maria erging es ähnlich wie mir, sie litt ebenfalls unter Montigos Fuchtel.“

      „Maria ist jene, die auf dem Bock sitzt?“ fragte Doña de Pasajes.

      Irene nickte verbissen.

      „Tagsüber waren wir wie die schwarzen Sklaven unter Deck eingesperrt. Aber nahezu jede Nacht wurden wir in die Kapitänskammer geholt, um Montigo und seinen Offizieren zu Willen zu sein. Wenn es eine Chance für uns gab, dann nur bei einer solchen Gelegenheit. Maria Orlando und ich verabredeten uns, es gelang ihr tatsächlich, den Degen eines Offiziers an sich zu bringen und zwei oder drei der Kerle so schwer zu verletzen, daß sie auf absehbare Zeit keine Gelüste mehr empfinden werden. In der Verwirrung konnten wir über Bord springen. Das war bei den Florida Keys. Die Galeone kreuzte noch zwei Tage lang zwischen den Inseln, ehe Capitán Montigo die Lust verlor und weiter westwärts segelte.“

      „Sie haben einiges durchgestanden“, sagte Doña Maria, die ihre Waffe in den Schoß gelegt hatte, die Finger allerdings noch immer am Abzug. „Nur rechtfertigt das nicht Ihr weiteres Vorgehen. Sie haben meinen Kutscher getötet, betätigen sich als Straßenräuber …“

      Irene Hardenberg unterbrach sie wütend. „Fragen Sie lieber, was die Spanier mir angetan haben. Wahrscheinlich wurde meine ganze Familie ausgelöscht.“

      „Das ist tragisch, aber weiß Gott kein Grund, um selbst zur Mörderin zu werden.“

      „Sie würden anders reden, wären Sie an meiner Stelle.“

      Maria de Pasajes zuckte mit den Schultern. Nachdenklich ruhte ihr Blick auf der jungen Frau, die jetzt sichtlich zerknirscht wirkte.

      „Ich weiß nicht“, sagte sie. „Ich hätte Angst vor dem Galgen und würde schon deshalb versuchen, ein neues Leben anzufangen.“

      „In die Heimat zurückkehren, wo auf Schritt und Tritt Erinnerungen warten?“ Irene Hardenberg schüttelte den Kopf. „Das wäre schlimmer als der Tod.“ Tränen rollten über ihre Wangen. Sie begann heftig zu schluchzen. „Was soll ich tun?“ stieß sie zwischendurch hervor. „Ich kenne niemanden auf Kuba. Und wer einmal zum Wegelagerer wurde, dem haftet dieser Makel immer an.“ Vergeblich suchte sie nach einem Tuch, um ihre Wangen abzutrocknen.

      Doña

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