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      Impressum

      © 1976/2016 Pabel-Moewig Verlag KG,

      Pabel ebook, Rastatt.

      ISBN: 978-3-95439-589-7

      Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]

      Inhalt

       Kapitel 1

       Kapitel 2

       Kapitel 3

       Kapitel 4

       Kapitel 5

       Kapitel 6

       Kapitel 7

      1.

      Nil, in der Nähe von Abydos, Mitte März 1592.

      In den heißen Ländern nannte man es Tropenkoller, in den Eisregionen Polarkoller. Zwar sprach keiner von einem Nilkoller, aber viel fehlte daran wohl nicht an Bord der „Isabella“.

      Sie waren für vierundzwanzig Stunden zur Untätigkeit verdammt, diese Seewölfe, und sie hingen an Deck herum wie abgeschlaffte Flögel, durch die kein Wind pustet.

      Sie gammelten.

      Die Gammelei hing damit zusammen, daß sie sich – Gäste in einem fremden Land – einem alten Brauch beugten, der besagte, daß der Nil nach einer Totenzeremonie für einen verstorbenen Hohepriester vierundzwanzig Stunden lang weder talnoch bergwärts befahren werden dürfte, um nicht die Ruhe des Toten zu stören, der brennend auf dem Fluß beigesetzt und dann versunken war.

      Darum gammelten sie also und traten sich gegenseitig auf die Füße.

      Sehr entzückend war das Land zu beiden Seiten des Nils auch nicht. Zwar wuchsen drüben am Ostufer ein paar Palmen, aber so schön waren die nun auch wieder nicht, um sie stundenlang zu betrachten. Und im Westen starrte man auf bergige Wüstenlandschaft, das heißt, auf zerrissene, teils geborstene Felsen und Steintrümmer – und Sand in jeder Menge.

      Außerdem wehte seit ein paar Tagen ein heißer, trockener Wind von der östlichen Wüste herüber, und der brachte etwas mit, was sie keineswegs lustig fanden, nämlich rötlichen Staub.

      Sie konnten im wahrsten Sinne des Wortes mit den Zähnen knirschen, und das taten sie auch, vor allem Edwin Carberry, dem es ganz gewaltig stank, daß die „Isabella“ allmählich rötlich überpudert wurde.

      „Sie schämt sich, die alte Tante“, meinte Pete Ballie, der Rudergänger der „Isabella“, tiefsinnig, „und darum wird sie rot.“ Er lümmelte auf der Back am Steuerbordschanzkleid, die Ellbogen aufgestützt, das Kinn auf den Händen.

      In der gleichen Pose verharrte Gary Andrews rechts neben ihm, während zu Pete Ballies Linken Smoky lehnte, ebenfalls abgestützt vom Schanzkleid.

      Es war gut, daß es dieses Schanzkleid gab – nicht nur als Deckungsmöglichkeit im Gefecht oder als Wellenbrecher im Seegang, nein, auch für gammelnde Männer war dieses Schanzkleid vorzüglich geeignet, und es sorgte dafür, daß sie nicht außenbords fielen, wenn sie sich dagegenflegelten.

      „Ha-ha“, sagte Smoky lustlos nach Petes Feststellung über das Rotwerden „der alten Tante“.

      Von hinten schlich Carberry heran, blieb hinter Smoky stehen und räusperte sich drohend.

      Der stämmige Decksälteste drehte sich gelangweilt um, musterte den Profos und fragte: „Ist was?“

      „Ich seh nur noch rot“, sagte Carberry grimmig.

      Pete Ballie und Gary bequemten sich dazu, sich ebenfalls umzudrehen. Jetzt lehnten sie alle drei mit dem Rücken am Schanzkleid, so richtig lässig, Denkmäler der Gammelei, wie sie seit Ende der Totenzeremonie an Bord Einzug gehalten hatte – ein rotes Tuch für Carberry, den Stier, der sowieso nur noch rot sah.

      „Was du nicht sagst“, meinte Pete Ballie und gähnte. Dann kratzte er sich das Blondhaar, und eine rötliche Staubwolke stieg auf.

      Gary Andrews hustete ein bißchen und wedelte den Staub mit der rechten Hand weg.

      „Habt ihr nichts zu tun?“ fauchte der Profos.

      „Frag mich was anderes“, erklärte Smoky.

      „Mich auch“, sagte Pete Ballie.

      „Mich auch“, sagte Gary Andrews.

      „Außerdem“, fuhr Smoky fort, „liegen wir vor Anker, und das, was unser Kapitän ist, hat gesagt, die Freiwache könne der Ruhe pflegen. Also pflegen wir, da wir Freiwächter sind. Deine Frage, ob wir nichts zu tun hätten, Mister Carberry, war völlig überflüssig und stört außerdem unsere Ruhe, die wir laut Kapitän pflegen sollen. Und wenn wir nicht der Ruhe pflegen, ist das Verweigerung eines Befehls, Mister Carberry.“

      „Jawohl“, sagte Pete Ballie.

      „Jawohl“, sagte Gary Andrews, „und Verweigerung eines Befehls wird mit der Neunschwänzigen geahndet.“

      „Ihr habt wohl ’n Vogel!“ stieß Carberry wütend hervor. Sein massiger Schädel ruckte zu Smoky. „Bist du Decksältester, Mister Smoky? Dann schau dir mal das Schiff an! Das sieht zum Kotzen aus, Sir! Rotbekotzt, von vorn bis achtern und von achtern bis vorn.“

      „Logisch“, murmelte Smoky unbeeindruckt.

      „Was?“

      „Ich meinte: logisch“, sagte Smoky und gähnte wie vorhin Pete Ballie. „Wenn ein Schiff von vorn bis achtern rotbekotzt ist, dann ist es auch von achtern bis vorn ein solches. Oder? Es ist also nur einmal rotbekotzt, nicht zweimal.“

      „Logisch“, sagte Pete Ballie.

      „Völlig logisch“, sagte Gary Andrews und nickte.

      Der Profos schien jetzt mehr als rot zu sehen, wahrscheinlich so eine Art von Knallrot. Er hatte auch schon so ganz dicke Backen, weil er sich mit Luft vollgepumpt hatte.

      Mit aufreizender Gelassenheit – bevor der Profos platzen konnte – sagte indessen Smoky: „Das Nilwasser ist auch rotbekotzt, Mister Carberry. Woraus logisch folgert, daß es zum Abspülen und Reinschiff der ‚Isabella‘ als ungeeignet abzulehnen ist.“

      „Logisch“, sagte Pete Ballie.

      „Völlig logisch.“ Gary Andrews nickte gewichtig. „Nicht mal waschen kann man sich mit der rotbekotzten Brühe. Ein Schweinkram wär das.“

      „Eine einzige Sauerei“, sagte Pete Ballie.

      „Ein schweinisches Blutbad“, sagte Smoky so richtig mit Genuß. „Stell dir das mal vor, Ed!“ Er beschrieb mit dem rechten Arm einen Bogen – „von vorn bis achtern“. „Überall suppt die rote Brühe über die Decks, tropft in die Niedergänge, fließt in die Luken und Laderäume.“ Er nickte. „Jawohl, das Rotbekotzte wird überall sinnig verteilt, wie ich das seh. Und dann? Dann sind wir die rote ‚Isabella‘, ein Piratenschiff übelster Sorte!“ Er klatschte die rechte Faust in die linke Handfläche. „Nein, da spiel ich nicht mit!“

      „Ich auch nicht“, erklärte Pete Ballie.

      „Niemals!“ sagte Gary Andrews und schüttelte den Kopf.

      Und grimmig starrten sie ihren Profos an – Smoky, bullig und narbenbedeckt, Pete Ballie, stämmig und mit Pranken wie Ankerklüsen, Gary Andrews, hager, zäh und so stark wie eine Raubkatze.

      Carberry starrte zurück, und dann seufzte er und sagte: „Das ist vielleicht eine miese Scheiße.“

      „Genau

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