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als aus der Schmiede Feile und Sperrhaken zu entwenden.“

      „Stimmt“, bestätigte Zappi. „Mir ist auch noch nicht aufgefallen, daß sie nach Arbeitsschluß die Werkzeuge zählen. Mir ging selbst mal durch den Kopf, ’ne Feile zu klauen. Hab’ aber die Idee fallenlassen. Was hätte ich mit dem Ding angefangen?“

      „Du hast deine Idee nicht zu Ende gedacht, Zappi“, erwiderte der Ragusaner. „Mit der Feile richte ich den Sperrhaken zu einem Schlüssel her, der in unsere Schlösser paßt. Ihr wißt selbst, daß der Hundesohn von Beschließer jeweils einen Schlüssel für alle Schlösser eines Kerkers hat. Das heißt, alle Schlösser in unserem Kerker sind gleich. Im Kerker nebenan nimmt er dann den nächsten Schlüssel von seiner Kette und so weiter. Wenn ich unseren Schlüssel zurecht und passend gefeilt habe, kann ich eure Schlösser aufschließen – nachts. Und dann werden wir abwechselnd beigehen und an dem Lukengitter dort oben in der Mauer feilen, bis wir es herausbrechen können. Drei Eisenstümpfe unten bleiben stehen, damit wir dort ein Seil anschlagen können – das Seil muß auch besorgt werden, aber das hat noch Zeit. An dem Seil hangeln wir uns in der Ausbruchsnacht nach unten, schleichen zum Hafen und brechen dort das Waffendepot auf. Der Posten wird beseitigt. Wir versorgen uns mit Waffen und verschwinden mit einem Einmaster, nachdem wir die anderen Kähne angebohrt haben. Damit schließen wir eine Verfolgung aus. Das ist, grob skizziert, mein Plan. Wer Schiß in der Hose hat und nicht mitmachen will, soll es gleich sagen.“

      Nach dieser Erklärung des Ragusaners herrschte in dem Kerker andachtsvolle Stille, wie sie bei einem Kirchenbesuch angemessen gewesen wäre. Die Kerle starrten den Ragusaner auch an, als habe er ihnen gerade das ewige Leben versprochen.

      Bis auf wenige, die zu den aufmüpfigen Naturen gehörten, hatten sie sich mehr oder weniger damit abgefunden, ihr Dasein auf dieser tristen Insel zu beenden. Es war ihnen unmöglich erschienen, die Sicherheitsmaßnahmen der Bewacher zu unterlaufen und einen erfolgversprechenden Plan zum Ausbruch zu entwerfen. Allein die Insellage einige Meilen vor dem Festland hatte ihnen die Aussichtslosigkeit einer Flucht suggeriert.

      Tagsüber, bei der Arbeit in den Kalksteinbrüchen, wurden ihre Füße über den Knöcheln mit einer Kette verbunden, die ihnen kleine Schritte, aber kein Laufen ermöglichte. Ihre Hände waren frei. Nachts war es umgekehrt. Ihre Handgelenke wurden mit einer Schelle umschlossen, die man mit einem Vorhängeschloß abriegelte. Die Schelle selbst war mit einer Kette verbunden, deren anderes Ende zu einem eingemauerten Augbolzen an der Kerkerwand führte.

      Die Kettenlänge war so gehalten, daß kein Gefangener den anderen erreichen konnte – was der Ragusaner zum Frettchen mit seinen Beinen überbrückt hatte.

      Das Kerkerfenster in der ungefähr yarddicken Außenmauer entsprach in etwa der Größe einer Geschützpforte und war mit drei senkrecht eingemauerten Eisenstäben abgesichert, durch die zwar ein Arm, aber kein Kopf oder Rumpf paßte. Das Fenster war hoch angebracht, aber erreichbar, wenn ein Mann half. Von der Nische aus würde man hockend an den Eisenstäben feilen können.

      Den Kerker selbst verschloß eine massive Bohlentür, die kein Mensch würde aufbrechen können. Und wenn, dann war ihm auch nicht gedient, weil der Gang zu den einzelnen Kerkerräumen von einem Eisengitter mit entsprechender Tür abgeschirmt wurde. Von der Tür führte eine breite Steintreppe nach unten in die Gefängnishalle, wo sich auch die Wachen aufhielten und ihr Wachlokal hatten.

      Schließlich sicherte ein eisenbeschlagenes Portal das Gefängnis ab, das in den Innenhof führte, den wiederum eine hohe Mauer mit Wachtürmen und Tor umgab.

      Der Ragusaner hatte ganz richtig erkannt; daß es nur einen Weg nach draußen gab, den durch das Kerkerfenster an der Außenmauer des festungsähnlichen Baus. Das Fenster befand sich an die zwanzig Yards über dem Sockel des Kastells, das man fast unmittelbar bis an die Steilküste gebaut hatte. Aber zwischen Außenmauer und Außenkante der Steilküste war genug Platz – eine Art Sims, über den entlang man zum Hafen gelangen konnte.

      Die Kerkerräume auf der Westseite des Baus lagen auf der Seeseite – so auch jener, in dem der Ragusaner und seine Genossen nachts eingeschlossen waren. Die Räume auf der Ostseite wiesen zum Innenhof. Von dort würde keiner türmen können, denn der Innenhof wurde scharf bewacht.

      Wer auch immer diesen Bau geplant hatte, er war der Illusion erlegen, daß eine Flucht durch eins der Fenster auf der Westseite unmöglich sei. Denn nachts wurden die Sträflinge angekettet, das Fenster war für sie unerreichbar und außerdem vergittert, und die Bohlentür war von innen unmöglich zu öffnen. Im übrigen lag das Fenster viel zu hoch.

      Daß sich die Sträflinge eine Eisenfeile und ein Seil besorgen könnten, daran hatte der Bauherr nicht gedacht. Er hätte es für absurd gehalten.

      Der Ragusaner hingegen – erfahrener Brigant zu Wasser und zu Lande – hatte nach dem Erfolgsrezept gegriffen, das Gegenteil zu tun von dem, was ein möglicher Gegner erwartet. Wenn überhaupt, dann erwarteten Kommandant und Aufseher einen allgemeinen Aufruhr der Lebenslänglichen oder aber einen vereinzelten Fluchtversuch bei den Arbeiten im Steinbruch. Darauf waren ihre Gegenmaßnahmen abgestimmt.

      Im Katalog der Fluchtmöglichkeiten war ausgeklammert, daß jemand durch ein Kerkerfenster ausbrechen könnte. Daß dies einen Schwachpunkt darstellte, hatten Baumeister, Kommandant und Aufseher bisher noch nicht begriffen.

      Coltello, der Messernarbige, war es, der das andächtige Schweigen durchbrach.

      „Teufel, Teufel“, murmelte er anerkennend, „das ist ein Ding, das klappen könnte.“

      „Es klappt“, sagte der Ragusaner mit der Gelassenheit eines Mannes, der sich seiner Sache völlig sicher ist.

      „Das Beschaffen des Seils wird schwierig sein“, sagte Zappi sachlich. „Wie stellst du dir das vor, Ragusa?“

      „Mal sehen“, erwiderte der Ragusaner. „Es muß nicht unbedingt ein Seil sein. Wenn wir unsere Hosenbeine verdrillen und aneinander knoten, können wir das als Ersatz nehmen. Ich fliehe lieber nackt als überhaupt nicht.“

      Die Kerle grinsten. Sie grinsten deshalb, weil sie sich etwas vorstellten – zum Beispiel die Begegnung mit Frauensleuten. Ha! Die würden kreischen oder gar in Ohnmacht fallen! Und sie hatten wieder ein Glitzern in den Augen, ein Glitzern der Gier. Denn sie dachten daran, was sie hier entbehrten.

      Auch das war etwas, das sie abgeschrieben hatten. Doch mit dem Fluchtplan Ragusas rückte es wieder in den Bereich des Erfüllbaren. Es heizte sie mächtig an und motivierte sie zusätzlich.

      „Könnte auch sein“, fuhr der Ragusaner fort, „daß Zappi oder das Frettchen in der Schmiede Riemen finden. Ihr müßt euch eben umschauen. Notfalls brechen wir die Augbolzen unserer Ketten aus der Mauer. So was könnte mit einem längeren Eisen als Hebel klappen. Das Eisen schieben wir durchs Auge, an beiden Seiten wird drehend gehebelt, bis sich der Bolzen aus dem Mauerwerk löst. Die einzelnen Ketten schließen wir dann mit den Vorhängeschlössern aneinander, bis wir die richtige Länge haben.“

      „Die Ketten scheppern“, gab Coltello zu bedenken.

      „Dann werden sie mit unseren Klamotten umkleidet“, entgegnete der Ragusaner gelassen. „Es gibt für alles eine Lösung, man muß nur nachdenken, mein Freund.“

      „Verstehst du was davon, aus einem Sperrhaken einen passenden Schlüssel zu feilen?“ fragte Zappi den Ragusaner.

      Der nickte und erwiderte kühl: „Ich hab’s gelernt. Meine Spezialität waren die Türen reicher Pfeffersäcke. Ich bin nie eingebrochen, sondern immer durch die Tür ins Haus gegangen, wie sich das gehört. Ich brauchte nur aufzuschließen – fertig.“

      Er hatte bisher schon Respekt genossen, dieser Ragusaner. Nach der Eröffnung seiner Pläne samt der Details war seine Führerrolle unbestritten. Sie konnten sich nur gratulieren, daß dem Ragusaner dieser Kerkerraum zugewiesen worden war.

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