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      Impressum

      © 1976/2016 Pabel-Moewig Verlag KG,

      Pabel ebook, Rastatt.

      ISBN: 978-3-95439-512-5

      Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]

      Inhalt

       Kapitel 1

       Kapitel 2

       Kapitel 3

       Kapitel 4

       Kapitel 5

       Kapitel 6

       Kapitel 7

       Kapitel 8

       Kapitel 9

       Kapitel 10

      1.

      Ein geschnitzter Drachenkopf ragte vom Bug des schlanken hölzernen Schiffes auf. Das Maul des Ungeheuers war weit geöffnet und schien jeden Augenblick einen Feuerhauch in die weiße Uferlandschaft speien zu wollen, der Eis und Schnee zum Schmelzen brachte.

      Fast lautlos glitt das Schiff dahin und drang in die Bucht ein. Nur seine langen Riemen verursachten leise, klatschende Geräusche, wenn sie in die eisigen Fluten tauchten und sich wieder daraus hoben.

      Vereinzelte Eisteppiche dümpelten noch auf den flachen Wellen, doch der harte Panzer, der während der kältesten Monate die gesamte Bucht verschloß, hatte sich jetzt, in der wärmeren Jahreszeit, fast völlig aufgelöst – der Weg zum schneeüberwachsenen Ufer hin war frei.

      Rauhe Gestalten mit langem Haar und zottigen Bärten hockten auf den Ruderbänken des Schiffes und bewegten die Riemen im Takt, Kerle in dicker Kleidung aus Bären- und Moschusochsenfell mit schweren Helmen aus Bronze und aus Kupfer auf den Häuptern. Sie waren blond, rot- und braunhaarig, und in ihren überwiegend hellen Augen nisteten wilder Mut und Grausamkeit. Ihre Münder waren hart und verkniffen. Sie wechselten kein Wort miteinander.

      Wild auch die Männer, die vom Bug des Schiffes aus die Uferregion beobachteten: hochgewachsen und verwegen, pelzvermummt, die Gesichter von unzähligen Kämpfen, Abenteuern und Entbehrungen gezeichnet. Ihre groben, schwieligen Fäuste hatten sich an die Waffengurte gelegt, in deren Scheiden große Schwerter und Messer steckten.

      An ihrer Spitze stand die wohl unheilvollste und furchterregendste Gestalt an Bord dieses rätselhaften Schiffes, ein Mann mit schwarzem, strähnigem Haar und dem kalten Blick tödlicher Entschlossenheit in den dunklen Augen. Er überragte seine wilden Gesellen um gut einen halben Kopf, und diese körperliche Überlegenheit und seine Kampfkraft und Gnadenlosigkeit waren die Eigenschaften, die ihn dereinst zum Führer dieses Schiffes und dieser Mannschaft hatten werden lassen.

      Vierzig bärtige, wildmähnige Männer auf einem Schiff, das nur einen Mast führte und aus sehr weit entfernten Gefilden zu stammen schien – an diesem Morgen unter der Mitternachtssonne, die den Tag nie verblassen ließ, durchquerte es die Bucht in ihrer ganzen Länge und steuerte genau auf die Siedlung aus halbkugelförmigen weißen Schneehäusern zu, die an ihrem Ende lag – ein Igludorf der Eskimos von Thule.

      Bilonga, das Eskimomädchen, sah überrascht von ihrer Arbeit auf, als sie den Ruf des Postens vernahm. Er verhieß nichts Gutes, dieser Ruf, und ebenso beunruhigend war der Klang der anderen Männerstimmen, die jetzt draußen, vor den Iglus, ertönten.

      Bilonga legte ihre Handarbeit weg, eine reich verzierte Fingermaske mit einer prächtigen weißen Mähne, die Nanoq, der Eisbär, geliefert hatte. Bilonga hatte diese Mähne selbst in die Lederumrandung der Maske genäht und war damit beschäftigt gewesen, die weißen Haare mit einem aus Karibuknochen geschnitzten Kamm zu frisieren. Viele Masken wurden um diese Zeit im Igludorf angefertigt, denn wenn die Männer, die am Vortag mit ihren Hundeschlitten zur Jagd aufgebrochen waren, zurückkehrten, sollte das Sommerfest der Schamanen gefeiert werden.

      Okvik, Häuptling des Stammes und Bilongas Vater, war als Anführer des Jägertrupps mit seinem Hundegespann an der Spitze des zwanzig Schlitten zählenden Zuges unterwegs. Eisbären und Robben wollte er erlegen, um die Fleischvorräte für die Wintermonate zu ergänzen und Felle für neue Kleidung zu besorgen.

      Nur wenige Männer waren im Dorf zurückgeblieben, um es zu bewachen und die Frauen, Kinder und Greise vor jeder Gefahr zu beschützen.

      Bilonga wußte, daß eine solche Gefahr jetzt in unmittelbarem Verzug war, und deshalb kroch sie durch die Zugangspassage des Iglus ins Freie, um nach dem Rechten zu sehen.

      Im Windfang der Passage saß die Großmutter. Sie hatte auf enthaarter Robbenhaut gekaut, um sie weich und geschmeidig zu machen, damit aus dem so entstehenden Rohleder Stiefelsohlen zurechtgeschnitten werden konnten. Jetzt aber reckte auch sie ihren Hals, schlug den Fellvorhang des Iglus ein Stück beiseite und spähte halb neugierig, halb ängstlich ins Freie.

      Bilonga schob sich an ihr vorbei, strebte nach draußen und richtete sich vor dem Eingang auf.

      Sie erstarrte, als sie sah, warum der Posten den Warnruf ausgestoßen hatte. Ein Schiff, hoch aus dem Wasser aufragend und von einem rot und weiß gestreiften Segel gekrönt, bewegte sich durch die langgestreckte Bucht direkt auf das Dorf zu. Es schob eine Bugwelle vor sich her, und seine Riemen wirkten wie die langen Beine eines urweltlichen Ungeheuers. Dieser Eindruck wurde durch den Drachenkopf am Bug noch verstärkt – eine Höllenkreatur, kein Schiff, schien über das Wasser auf die Siedlung zuzukriechen.

      Am Ufer liefen die jüngeren Männer des Stammes zusammen. Sie riefen durcheinander, gestikulierten und schienen erregt zu beratschlagen, wie sie sich verhalten sollten.

      Bilonga sah Ipiutak, ihre Mutter, und zwei andere Frauen vom Iglu der Schamanen aus zu den Männern hasten.

      „Das ist das Schiff des Todes“, sagte die Großmutter hinter Bilongas Rücken. Mit zusammengekniffenen Augen blickte sie aus dem Iglueingang. „Ich habe davon gehört, daß es die südlicheren Küsten heimsucht, es gehen die schaurigsten Geschichten über seine Besatzung und seinen mörderischen Führer um. Ja, das ist das Schiff des Todes.“

      Bilonga spürte, wie die Angst von ihr Besitz ergriff und ihr die Kehle zuschnürte.

      „Sprich doch nicht so“, stieß sie entsetzt hervor.

      „Die Männer mit den Bärten“, fuhr die Alte dessen ungeachtet fort. „Sie werden über uns herfallen. Sie werden euch jungen Mädchen Gewalt antun und die Alten töten.“

      „Nein!“

      „Und doch ist es so. Du wirst es sehen.“

      „Aber dann müssen wir etwas tun!“ rief Bilonga aus.

      „Es gibt nichts zu tun. Wir sind nicht stark genug, um uns zur Wehr zu setzen“, sagte die Alte. „Wir können auch nicht fliehen. Wir können nur geduldig unser Schicksal abwarten.“

      „Vielleicht sind sie nur neugierig, diese Männer mit den Bärten“, sagte das Mädchen. „Vielleicht schauen sie sich unser Dorf an und fahren dann wieder fort. Vielleicht wollen sie auch etwas zu essen eintauschen.“

      „Sie nehmen sich, was sie brauchen“, murmelte die Alte.

      Bilonga hätte sie am liebsten angeschrien, sie solle endlich

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