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      © 1976/2020 Pabel-Moewig Verlag KG,

      Pabel ebook, Rastatt.

      eISBN: 978-3-96688-028-2

      Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]

       Jan J. Moreno

       Der Tod kommt vor dem Morgengrauen

       Die Verfolger zeigen ihr wahres Gesicht – und sie nehmen es mit dem Seewolf auf

      „Wir haben den Sturm verflucht, doch die Flaute ist schlimmer.

      Sie nimmt uns die Hoffnung.

      Ich fürchte den Tag, an dem selbst der Frömmste unter uns wegen der letzten Kante Zwieback zum reißenden Tier wird. Noch beten die Pilger. Aber ich habe ihre Gesichter gesehen, hart und verbittert, von den Strapazen gezeichnet.

      Und keine Hoffnung, daß der Wind auffrischt. Nahezu unbewegt liegt die See. Nebel hat die anderen Schiffe verschluckt.

      Das Warten wird zur Qual. Ein unseliger Fluch scheint unserer kleinen Flotte zu folgen, seit wir London verließen.

      Ich beginne mich zu fragen, auf was wir warten.

       Vielleicht auf den Tod?“

      Aus dem Logbuch der „Pilgrim“, Aufzeichnung des Kapitäns James Drinkwater vom 5. Juli 1598, sechs Glasen der Morgenwache.

       Die Hauptpersonen des Romans:

      Jeremiah Henford – seine Frau und sein kleiner Sohn sind krank und halb verhungert, da bricht er in die Kombüse ein.

      James Bucknan – der junge Mann soll hängen, weil er einen Decksmann der „Pilgrim“ erstochen hat.

      James Drinkwater – der Kapitän der „Pilgrim“ wird mit neuen Schrecken konfrontiert und versucht, menschlich zu reagieren.

      William Anderley – der wüste Kapitän der Rabauken-Karavelle entschließt sich zum Angriff, weil seinen Kerlen die Mägen knurren.

      Philip Hasard Killigrew – im richtigen Moment spielt der Seewolf das leibhaftige Donnerwetter.

       Inhalt

       Kapitel 1

       Kapitel 2

       Kapitel 3

       Kapitel 4

       Kapitel 5

       Kapitel 6

       Kapitel 7

       Kapitel 8

       1.

      Die Luft unter Deck war stickig und schwül. Jeremiah Henford schlief schlecht, eigentlich döste er nur mit offenen Augen. Dabei war es weniger der schale Mief, der ihm so zusetzte, als die erdrückende Nähe der anderen Passagiere. Der Untergang der „Discoverer“ hatte alles nur noch schlimmer werden lassen.

      Seit Tagen schreckte Henford immer wieder schweißgebadet hoch. Dann glaubte er das Tosen der entfesselten See zu hören, das Splittern und Bersten, als der Kaventsmann, eine Riesenwelle, die „Discoverer“ von einem Augenblick zum anderen entmastet hatte, und die verzweifelten Schreie der Männer, Frauen und Kinder, denen die See zum nassen Grab geworden war.

      „Der Herr ließ einen großen Wind aufs Meer kommen, ein schreckliches Unwetter, daß man meinte, das Schiff würde zerbrechen. Die Schiffsleute fürchteten sich und schrien, ein jeder zu seinem Gott … Und sie nahmen Jona und warfen ihn ins Meer. Da wurde das Meer still …“

      Ein kurzer, spitzer Aufschrei ließ Jeremiah Henfords verhaltenes Murmeln verstummen. Die Frau, die neben ihm auf den nackten Planken lag, nur in eine Decke eingerollt, krümmte sich vor Schmerzen. Kalter Schweiß stand auf ihrer Stirn.

      „Elizabeth!“

      Sie reagierte nicht auf seine Stimme, auch nicht darauf, daß er ihr den Schweiß von der Stirn wischte. Ihre Wangen waren eingefallen, spitz traten die Knochen unter der spröden Haut hervor. Die Augen lagen tief in den Höhlen. Um sie herum hatten sich dunkle, blutunterlaufene Ringe gebildet.

      Jeremiah Henford mußte alle Kraft aufbieten, um seine Frau auf den Planken festzuhalten. Wenn sie es vor Schmerzen nicht mehr aushielt, krümmte sie sich wie ein Aal. Seit Tagen mehrten sich ihre Anfälle. Jeremiah sehnte den Tag herbei, an dem endlich Land an der Kimm auftauchte. Aber bislang war alles Beten vergebens. Wie die meisten Pilger hatte er sich die Überfahrt in die Neue Welt völlig anders vorgestellt.

      Elizabeth begann zu hecheln wie ein junger Hund, als stünde ihre Niederkunft bevor. Vorsichtig tastete Henford über ihren Leib. Sechs Monate mußten noch ins Land ziehen, bis er seinen Sohn in die Arme schließen konnte. Daß es ein Sohn würde, dessen war er sicher.

      Elizabeth war schön wie am ersten Tag ihrer Ehe. Trotz ihres schmerzverzerrten Gesichts und des schlohweißen Haaransatzes. Der Sturm hatte sie über Nacht grau werden lassen.

      „Wir schaffen es“, murmelte Jeremiah. „Du mußt nur fest daran glauben, dann wird alles gut.“

      Endlich schlug sie die Augen auf. Aber ihr Blick ging durch ihn hindurch und verlor sich in unendlicher Ferne.

      Jeremiah küßte sie auf die Stirn. Von irgendwoher zauberte er ein Stück Zwieback. Das schob er seiner Frau zwischen die Lippen.

      Doch Elizabeth biß die Zähne zusammen.

      „Das ist deins“, brachte sie undeutlich hervor. „Ich brauche es nicht.“

      „Aber ich will, daß du das ißt“, beharrte der Mann.

      „Nein.“

      „Dann tu es für unser Kind.“

      „Jeder empfängt seine Ration“, wehrte Elizabeth ab. „Ich kann dir nichts wegnehmen, Jeremiah. Du mußt stark bleiben – was täten wir ohne dich?“

      „Denkst du nicht an das neue Leben, das entsteht?“

      Unvermittelt packte Elizabeth Henford zu, brach das ohnehin kleine Stück Schiffszwieback mittendurch und reichte ihrem Mann die eine Hälfte.

      „Der Herr läßt uns nicht zuschanden werden“, murmelte sie.

      Ihre Zuversicht wirkte nicht echt, und ihr Lächeln gefror auf den blutleeren, aufgeplatzten Lippen. Zwei Bissen Zwieback waren es für jeden. Sie kauten lange auf den harten Krümeln, weil ihnen der Speichel fehlte. Auch das Wasser war rationiert.

      Eine Weile saß Jeremiah Henford reglos da, das Gesicht in die Handflächen vergraben und die Ellenbogen auf den Beinen abgestützt. Er lauschte dem Ächzen der Bordwände und dem dumpfen Gurgeln von außerbords. Die „Pilgrim“ lief kaum Fahrt über Grund.

      Elizabeth war eingeschlafen, als der Mann endlich wieder aufsah. Ihre Züge hatten sich ein wenig gelöst. Vielleicht träumte sie von der Neuen Welt und den fruchtbaren Weiten, von denen in England soviel geredet wurde.

      Jeremiah

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