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unberechenbaren Wellen die Nußschale gegen die Bordwand der Galeone schmettern und in ihre Einzelteile zerlegen. Keiner der drei Insassen würde diesen Anprall überleben. Dennoch wußten die Männer auf der „Isabella“ und sicher auch die drei Menschen in dem Boot, daß es die einzige Möglichkeit war, dem Tod noch einmal von der Schippe zu springen. Es sah nicht danach aus, als würde der Orkan nachlassen, und eine weitere Stunde konnte sich das Boot sicher nicht über Wasser halten.

      Die Wellenberge türmten sich so hoch, daß es manchmal den Anschein hatte, als befinde sich das Boot in Höhe der Masttopps der „Isabella“. Ferris Tukkers Stimme schrie einen Befehl auf der Kuhl, und Hasard ahnte, daß die Männer ihre Taue bereithielten, die sie zum Boot hinüberwerfen wollten, wenn es in Reichweite geriet.

      Immer wieder nahmen die Wassermassen den Männern die Luft und die Sicht. Hasard brauchte nach einem schmetternden Brecher Minuten, um sich wieder zurechtzufinden. Er nickte grimmig, als er sah, daß es Pete Ballie dank des Treibankers gelang, die „Isabella“ in etwa auf der Stelle zu halten.

      Es geschah so schnell und unerwartet, daß Batuti, Smoky und Stenmark den günstigen Augenblick verpaßten. Das kleine Boot jagte ein Wellental hinunter genau auf die Galeone zu. Die Männer begannen zu brüllen, obwohl jeder von ihnen wußte, daß sie dadurch nichts ändern konnten. Sie sahen schon die Nußschale mit ihren drei Insassen gegen den Rumpf der „Isabella“ krachen, als die Galeone angehoben wurde. Plötzlich war von dem Boot nichts mehr zu sehen. Es war sehr nah gewesen, und Ferris Tucker begann brüllend zu fluchen, weil die Männer mit den Tauen nicht rechtzeitig reagiert hatten.

      Wieder nahm ihnen ein Brecher die Sicht. Gary Andrews, der sich um Stenmarks Sicherung bemühte, wurde von den Beinen gerissen und prallte mit dem Rücken hart gegen das Rad einer Lafette. Er schrie auf, aber niemand bemerkte es.

      Dann war das Boot wieder da.

      Es stand fast reglos auf einem Wellenberg.

      Ferris Tucker, der ahnte, was gleich geschehen würde, schrie seine Männer an, diesmal aufzupassen. Er drehte sich um, als befürchte er, im entscheidenden Augenblick wieder von einem Brecher überrollt zu werden, aber dann konzentrierte er sich auf das Boot, das sich leicht zur Seite neigte und dann die Höllenfahrt ins Wellental begann.

      Ferris Tucker selbst hielt auch eine Leine in den Händen. Ein Heulen war über dem Schiff. Es hörte sich an, als jagten hundert Kanonenkugeln auf einmal auf die „Isabella“ zu.

      Diesmal mußte es geschehen!

      Diesmal mußte das Boot an der Bordwand der Galeone zerschmettern!

      „Werft!“ brüllte Ferris Tucker.

      Die Taue flogen durch die Luft und klatschten auf das Boot, das im selben Augenblick gegen die Bordwand krachte. Das Splittern des Dollbordes übertönte sogar das Jaulen des Windes und das Brüllen der See.

      Die „Isabella“ schoß in die Höhe. An Steuerbord gurgelte das Wasser und schleuderte das Boot in die Luft wie eine Feder. Voller Entsetzen sah Ferris Tucker, wie es sich überschlug, mit dem Bug durch eine Welle schoß und auf Nimmerwiedersehen verschwand.

      „Wir haben sie!“ brüllte Stenmark und zerrte an seinem Tau.

      Smoky fluchte, als er an seinem Tau zerrte und keinen Widerstand spürte. Batuti dagegen holte Hand über Hand sein Tau ein und stieß scharf seinen Atem aus, als er den hellen Fleck auf der Wasseroberfläche erkannte, der am Ende seines Taus, in das er eine Schlinge geknüpft hatte, hing.

      „Verdammt, helft mir!“ brüllte Stenmark wieder. „Ich kann ihn nicht halten! Der Kerl ist schwer wie ein Fels!“

      Smoky und Ferris Tucker sprangen hinzu. Ferris brüllte Gary Andrews an, der immer noch neben der Lafette kauerte. Der Fockmastgast kriegte kaum noch Luft. Sein Rükken, mit dem er gegen das Rad der Lafette geschleudert worden war, schmerzte höllisch. Gary hatte das Gefühl, als sei sein Rückgrat gebrochen. Er versuchte, sich aufzurichten, aber stöhnend sackte er wieder zusammen. Er hörte das lauter werdende dumpfe Grollen und wandte den Kopf.

      „Paßt auf!“ schrie er mit sich überschlagender Stimme. „Ein Brecher!“

      Die Männer reagierten blitzschnell und warfen sich hin. Mit drei Bewegungen aus dem Handgelenk warf Stenmark sein Tauende um die Traube einer Culverine und klammerte sich mit beiden Händen daran.

      Dann waren die Wassermassen über ihnen. Stenmark konnte nur daran denken, daß der Mann, der am anderen Ende seines Taues in der Schlinge hing, bei Bewußtsein bleiben mußte, wenn er die nächsten Minuten überleben wollte.

      Der Brecher wollte kein Ende nehmen. Für einen kurzen Augenblick erschien es den Männern, als sei ihr Schiff schon untergegangen, doch dann waren die ohrenbetäubenden Geräusche plötzlich wieder da.

      Stenmark sprang sofort wieder auf die Beine. Ablaufendes Wasser riß ihn um. Er knallte hart auf die Planken, aber er ließ das Tau nicht los.

      „Smoky! Gary! Ferris!“ brüllte er, als er spürte, wie eine mächtige Kraft an seinem Tau zerrte.

      Smoky und Ferris Tucker waren neben ihm und packten zu. Plötzlich waren sie alle da. Neben Batuti tauchte der Seewolf auf, und gemeinsam holten sie das Tau ein.

      Hasard stockte der Atem, als er für einen kurzen Moment das helle Bündel auf dem Wasser schwimmen sah. Es war ihm, als hätte der Schiffbrüchige taillenlange Haare. Eine Frau! dachte er entsetzt.

      Er stimmte sich mit Batuti mit Blicken ab. Sie mußten den richtigen Zeitpunkt abwarten, damit die Schiffbrüchige nicht an der Bordwand zu Tode geschmettert wurde.

      Neben sich hörten Hasard und Batuti die Schreie der anderen. Mit einem Blick zur Seite erkannte der Seewolf, daß der Kutscher sich neben Gary Andrews auf die Knie gelassen hatte, ihn dann unter den Armen packte und zur Back hinüberzerrte.

      Mein Gott, dachte Hasard, ist Gary was passiert?

      Batutis Schrei brachte ihn wieder zur Besinnung. Sie reagierten blitzschnell, als eine Welle den hellen Fleck anhob und die Schiffsbrüchige dann wie eine Kanonenkugel auf die „Isabella“ zujagte.

      „Jetzt!“ schrie Hasard, obwohl er wußte, daß Batuti, der keinen Schritt neben ihm stand, ihn nicht verstehen konnte.

      Das Tau glitt durch ihre Hände. Mit weit aufgerissenen Augen starrten sie dem Bündel Mensch entgegen, das ein Spielball der Naturgewalten war.

      Hasard lief zurück zur Backbordseite hinüber, als er merkte, daß er das Tau nicht schnell genug einholen konnte. Batuti blieb am Schanzkleid stehen. Das Tau rutschte durch seine Hände und brannte in seinen Handflächen, als schnitte ein Messer hinein.

      Dann packte er zu. Hasard wurde von dem Ruck fast von den Beinen gerissen, bemerkte sofort, weshalb Batuti das Einholen des Taus abgestoppt hatte, und war mit schwankenden Schritten wieder am Schanzkleid.

      Stimmen jagten über das Schiff. Hasard hörte Ben Brighton auf dem Achterdeck etwas zu Pete Ballie hinüberbrüllen, und dicht neben ihm und Batuti schrie sich Ferris Tucker die Lunge aus dem Hals.

      Das helle Bündel am Ende des Taus, das Batuti und Hasard hielten, war auf einmal so nah vor ihnen, daß sie glaubten, nur danach greifen zu müssen.

      Batuti beugte sich übers Schanzkleid. Er hatte das Tau losgelassen, und Hasard spürte den harten Ruck in seinen Fäusten. Er hatte selbst zugreifen wollen, aber im letzten Moment hatte er gesehen, daß Batuti vorschnellte.

      Der Neger griff ins Leere. Seine Beine hoben sich von den Planken ab, als das Schiff nach Steuerbord krängte. Hasard hatte einen Schrei auf den Lippen, als er sah, daß Batuti abzukippen drohte, doch in diesem Augenblick warf sich jemand gegen die Beine des Negers und riß ihn an Deck zurück.

      Der Seewolf hatte nicht gesehen, wer es gewesen war, der Batuti davor bewahrt hatte, über Bord zu gehen. Einen Sekundenbruchteil, nachdem der Neger vorbeigegriffen hatte, bot sich ihm die Gelegenheit, das Tau noch weiter einzuholen. Die Schiffbrüchige hatte ein ungeheures Glück. Die „Isabella“ wurde gerade wieder auf einen Wellenberg gehoben. Die Gischtkrone

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