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      © 1976/2018 Pabel-Moewig Verlag KG,

      Pabel ebook, Rastatt.

      eISBN: 978-3-95439-786-0

      Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]

       Roy Palmer

Feind im Visier

      Inhalt

       Kapitel 1

       Kapitel 2

       Kapitel 3

       Kapitel 4

       Kapitel 5

       Kapitel 6

       Kapitel 7

       Kapitel 8

       Kapitel 9

       Kapitel 10

       1.

      Mitte März 1594 betrat ein finsterer Geselle mit verschlagenem Gesicht und muskelbepacktem Oberkörper die Kaschemme „Yerba Buena“ an der Bucht von Matamano. Er war ein Kreole und hieß Cariba, und er gehörte zu der gefürchteten Crew der Black Queen, aber das wußte keiner der Anwesenden, weder der Schankwirt noch die Männer und Frauen, die sich an den Tischen und in den Nische vergnügten.

      Cariba trat an die Theke und sagte zu dem Schankwirt nur ein einziges Wort: „Rum.“

      Der Wirt, ein hagerer Mann mit lichtem Haarwuchs und wachen, listigen blauen Augen, füllte wortlos einen Becher. Cariba leerte ihn mit einem Zug und setzte den Becher hart ab.

      „Der taugt nicht viel“, sagte er. Sein Gesicht nahm einen drohenden, herausfordernden Ausdruck an. „Hast du keinen besseren Tropfen?“

      „Doch. Der kostet aber mehr.“

      Cariba schob ihm den Becher hin. „Laß mich probieren. Ich kann bezahlen. Na los, auf was wartest du?“

      Der Wirt zuckte mit den Schultern und erfüllte ihm den Wunsch. Selten wurde in dieser Kneipe ein besseres Getränk verlangt. Das Gelichter, das sich hier herumtrieb, wollte billigen Wein und noch billigeren Rum. Das letzte Mal, daß ein Kerl einen „guten Tropfen“ verlangt hatte, lag, wie der Wirt sich entsinnen konnte, zwei Jahre zurück.

      Die Kaschemme, ein flacher und langgestreckter Schuppen aus Stein, Holz, Mattengeflecht und Schilfstroh als Dach, stand genau an dem Ort, der an der Südküste von Kuba 1515 von Diego Velasquez ursprünglich als Hafen gegründet worden war. Später, 1519, war dieser Hafen jedoch als „San Cristobal de la Habana“ – Havanna also – fast gegenüber an die Nordküste der Insel verlegt worden. Übriggeblieben waren in Matamano ein Kai und eine Reihe von Piers, die bald dem Zahn der Zeit anheimfielen und schon ziemlich verrottet waren. Die wenigen Steinbauten waren verfallen oder nur noch als Ruinen vorhanden. Das halbe Dutzend erbärmlicher Hütten – von denen die „Yerba Buena“ noch die stabilste war –, das Galgenstricken und Tagedieben Unterschlupf bot, war erst viel später, ab 1575, errichtet worden, als eine Handvoll Kerle auf die Idee verfallen war, hier kurzfristig ihr Lager aufzuschlagen.

      Die Hütten hatten seither viele „Besitzer“ gehabt, die immer wieder wechselten. 1588 hatte Alvaro, der Wirt, die Kaschemme gebaut. Seitdem schenkte er den Kerlen, die hier landeten, Wein, Bier und Schnaps aus und besorgte ihnen Frauen, wenn sie welche haben wollten. Diese Art der Vermittlung bedeutete für ihn einen wichtigen Nebenverdienst.

      Die „Yerba Buena“ war – wie alle Kneipen und Kaschemmen auf den Inseln der Karibik – ein wichtiger Treffpunkt für Männer, die etwas kaufen oder verkaufen wollten. Oder sie hatten die letzten Neuigkeiten zu verkünden, suchten selbst Informationen oder wollten sich nur mal wieder kräftig „einen antörnen“. Ein Umschlagplatz also. Hier traf man sich und hatte was zu erzählen, heckte derbe Späße aus und feilschte miteinander.

      Frauen waren in jeder Nacht die begehrteste Ware, aber das Angebot erfüllte nicht die Nachfrage. Alvaro konnte immer nur drei „Prachtweiber“ weiterempfehlen und „verschaffen“: Die rote Dolores, Teta-Maria mit dem großen Busen und Lilian, genannt „die Krabbe“. Sie waren fast ständig beschäftigt.

      Cariba stellte den Becher auf die Theke zurück. „Der schmeckt schon besser. Was verlangst du für ein Faß?“

      „Zwei Dublonen.“

      „Verrückt. Mehr als eine Dublone gebe ich für zehn Gallonen nicht.“

      Alvaro musterte ihn mit wachsendem Interesse. „In meinen Fässern sind fünfzehn Gallonen Rum. Es sind große portugiesische Kastanienholzfässer.“

      „Trotzdem zahle ich nicht mehr als eine Dublone pro Faß.“

      „Wie viele Fässer würdest du denn kaufen?“ fragte Alvaro lauernd.

      „Vielleicht ein halbes Dutzend“, erwiderte Cariba und reichte ihm erneut seinen Becher.

      „Zehn Dublonen für sechs Faß“, schlug Alvaro vor.

      „Wucher“, sagte Cariba und grinste wild. „Aber wir verhandeln nachher noch weiter. Ich schlage dir ein einmaliges Angebot vor: Sechs harte spanische Dublonen für fünf Fässer von deinem Gesöff. Laß dir das durch den Kopf gehen. Wir reden noch darüber.“ Wieder leerte er seinen Becher, den Alvaro geschickt und schnell aufgefüllt hatte, dann beugte er sich leicht vor und fragte: „Wie sieht es mit einem Weiberrock aus? Ich brauche unbedingt eine Frau.“

      „Ich weiß nicht – im Moment scheint keine von ihnen frei zu sein. Du bist zum ersten Male hier, wie?“

      „Ja, sonst würden wir uns kennen.“

      „Aber neulich traf ein Neger mit einer einmastigen Jolle ein und wollte Wein kaufen – und vor drei Wochen hatten wir Besuch von einem narbigen Mulatten, der auf der Suche nach Dörrfleisch war.“

      Cariba grinste nicht mehr. „Na und? Was habe ich damit zu tun?“

      „Ich dachte, die beiden seien vielleicht Freunde von dir.“

      Cariba griff nach Alvaros Hand und preßte sie auf der rohen Holzplatte des Tresens fest. Er verfügte über immense Kräfte, besonders in den Händen. Alvaro vermochte sich nicht zu befreien. Sein Gesicht war verzerrt, seine Augen drohten aus den Höhlen zu quellen.

      „Das Denken solltest du den Walen überlassen“, sagte Cariba mit dunkler Stimme. „Die haben den größeren Schädel. Ich habe keine Freunde. Ich will hier einen saufen, mir ein Weib angeln und vielleicht ein wenig Rum bei dir einkaufen. Das ist alles. Kapiert?“

      Alvaro beeilte sich, eifrig zu nicken. „Natürlich. Du scheinst aber keinen Spaß zu verstehen.“

      Cariba ließ ihn wieder los, und Alvaro massierte seine schmerzende Hand.

      „Doch“, sagte der Kreole. „Aber ich habe was gegen zu neugierige Leute.“

      „In Ordnung.“ Alvaro sah ein, daß er einen Fehler begangen hatte. Er fragte seine Gäste sonst auch nicht aus. Nur bei diesem Cariba hatte er es nicht lassen können. Es wurde nämlich gemunkelt, die Black Queen halte sich irgendwo an der Südküste von Kuba auf, und er hätte zu gern gewußt, ob etwas Wahres daran war.

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