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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 326. Davis J.Harbord
Читать онлайн.Название Seewölfe - Piraten der Weltmeere 326
Год выпуска 0
isbn 9783954397235
Автор произведения Davis J.Harbord
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Bookwire
Das haute den blondmähnigen Riesen nun doch um, und sofort wurde sein hartes Gesicht mit dem gekerbten eckigen Kinn mißtrauisch. Das gleiche Mißtrauen funkelte in seinem gesunden, linken blauen Auge.
Und es klang wie ein Knurren, als er fragte: „Was wollt ihr da?“
Stenmark grinste ihn an. „Deine Schwester Gotlinde will einen Mann heiraten, den wir sehr gut kennen und bisher als Freund bezeichneten. Nur sind da einige Umstände, die uns bestimmten, nach Island zu segeln – nicht um die Hochzeit unseres Freundes zu verhindern, aber um einige Dinge klarzustellen, die mit seinem Schiff und seiner Mannschaft zusammenhängen. Unser Freund ist der Kapitän und Miteigner eines Viermasters. Jetzt beansprucht er dieses Schiff für sich und verlangt, seine Crew solle ebenfalls in Island bleiben und am Isa-Fjord siedeln, was die Crew aber ablehnte. Diese beiden Männer dort“, Stenmark deutete auf Eike und den Boston-Mann, „gehören zu der Crew und baten unseren Kapitän in dieser Sache um Hilfe.“
Eike, der diesem Dialog folgen konnte, nickte und sagte: „Ja, genauso ist es.“ Er grinste schief. „Außerdem scheint deine Schwester in Schwierigkeiten zu stecken, was ihre Nachbarn betrifft …“
„Etwa mit den Grettirs?“ unterbrach ihn der Riese erregt.
Eike zuckte mit den Schultern. „Das weiß ich doch nicht, Ase Thorgeyr. Ehrlich gesagt, uns interessiert auch nicht, wer wen im Isa-Fjord befehdet, das ist nicht unsere Sache. Unser Kapitän war auf der Suche nach Thule, und da haben wir hinter ihm gestanden. Aber Island und der Isa-Fjord können uns gestohlen bleiben, das ist nicht unser Bier. Wir wollen zurück in die Karibik, wo wir Freie sind – keine Hofknechte einer Gotlinde Thorgeyr, damit du klar siehst.“
„Wie heißt euer Kapitän?“ fragte der Riese aufmerksam.
„Thorfin Njal“, erwiderte Eike. „Man nennt ihn auch den Wikinger.“
Der Riese starrte ihn perplex an. „Etwa jener Wikinger, der auf einem Schiff fährt, das man den Schwarzen Segler nennt?“
„Genau der!“ platzte Eike heraus, jetzt ebenfalls verblüfft. „Kennst du ihn?“
Unter den Arwenacks ging das Gemurmel um, denn Stenmark hatte alles mitübersetzt. Diese Geschichte schien immer verrückter zu werden.
„Kennen wäre zuviel gesagt“, erwiderte der Riese, „aber ich habe viel über ihn gehört, denn ich war auch unten in der Karibik.“ Er lachte grimmig. „Mein rechtes Auge muß da irgendwo herumschwimmen. Fast ein Jahr lag ich auf Leben und Tod und da wurde mir klar, daß es an der Zeit wäre, nach Island zurückzukehren, um mich um den Hof zu kümmern. Ein spanischer Handelssegler nahm mich mit nach Sevilla. Von dort zog ich nordwärts, teils mit Küstenseglern, teils zu Fuß – bis ich über Frankreich und Holland in Stavanger landete. Wer segelt schon nach Island!“ Er ruckte plötzlich zu Stenmark herum, als sei ihm etwas eingefallen. Und er fragte: „Seid ihr etwa jene Männer, die man die Seewölfe nennt?“
„Stimmt“, sagte Stenmark.
Ein Lächeln huschte über das harte Gesicht des Riesen. „Da bin ich ja auf einem feinen Schiff gelandet. Schade, daß wir uns nicht früher kennengelernt haben.“
Stenmark lächelte zurück. „Richtig, das ist ein feines Schiff, wahrscheinlich das feinste, auf dem wir je gesegelt sind. Es ist unser neuntes. Aber genug davon. Du willst also den Thorgeyr-Hof übernehmen, wenn ich das richtig verstanden habe?“
Der Riese nickte. „Das habe ich vor. Auf den Hof gehört ein Mann.“
Hasard schaltete sich ein, nachdem Stenmark gedolmetscht hatte. Er sagte: „Das sehe ich auch so, auf den Hof gehört ein Mann – nur sitzt jetzt bereits Thorfin Njal dort und hält sich wahrscheinlich für den Herren. Frag Ase Thorgeyr, was er darüber denkt, Sten!“
Grimmig erklärte der Riese, nachdem Stenmark ihn gefragt hatte: „Thorfin Njal muß verschwinden, da gibt’s überhaupt nichts. Da meine beiden älteren Brüder in einer Fehde gefallen sind, bin ich jetzt der rechtmäßige Erbe und Herr im Isa-Fjord. Daran ist nicht zu deuteln.“
Vorsichtig sagte Hasard: „Da könnte Gotlinde Thorgeyr anderer Ansicht sein, zumal Ase Thorgeyr seit vier Jahren verschollen war und sie annehmen mußte, daß er nicht mehr lebt. Als geborene Thorgeyr und einzige Überlebende der Sippe hat sie den Hof seit vier Jahren geführt und sich ein Anrecht auf den Besitz erworben. Und der Mann an ihrer Seite, Thorfin Njal, könnte dieses Anrecht jetzt verteidigen. Ich sage: könnte, denn das sind ja Spekulationen, aber wir müssen auch mit einer solchen Tatsache rechnen. Was meint Ase dazu?“
Die Miene des Riesen wurde noch grimmiger, als er Hasards Einwand hörte.
„Nichts da“, erwiderte er. „Nach altem norwegischem Recht erbt der älteste Sohn den Besitz. Stirbt er, ist der nächste an der Reihe – und so fort. Erst der Tod der Söhne räumt den Schwestern das Recht ein, den Besitz zu übernehmen. Und bei ihnen gilt die gleiche Reihenfolge wie bei den Brüdern. Sollte Gotlinde dieses Recht ignorieren oder nicht mehr anerkennen, werde ich sie und ihren Mann befehden und davonjagen!“
Hasard seufzte. Dieser Nordmann sah ganz so aus, um das, was er sagte, in die Tat umzusetzen.
„Geht das bis zum Totschlag?“ fragte er.
„Ja, auch das“, übersetzte Stenmark und fügte etwas leiser hinzu: „Bei uns in Schweden ist das ähnlich, Sir. Das sind dann die sogenannten Familienfehden.“
„In denen sich eine Sippe selbst ausrottet, wie?“ fragte Hasard erbittert.
„So kann es sein“, sagte Stenmark verhalten. Er zuckte mit den breiten Schultern. „Die Leute aus dem Norden sind eben so, und ich schätze, daß jene, die nach Island auswanderten, noch verbissener an diesen alten Rechten festhalten. Du siehst es an diesem Brocken hier vor uns, Sir. Der gehört zu dieser Sorte, die keinen Schritt von den alten Gesetzen abweicht, auch wenn es um Tod und Leben geht, wobei der Tod diese Kerle überhaupt nicht schreckt. Das war schon bei den Wikingern so, wie du weißt.“
Hasard fluchte vor sich hin, und der Riese fragte Stenmark, warum sein Kapitän so wütend sei.
„Was für eine Frage, Ase Thorgeyr!“ schnaubte Stenmark. „Unser Kapitän – und übrigens wir alle haben etwas dagegen, wenn man sich in einer Familie gegenseitig an die Gurgel geht und einer den anderen abmurkst – der Bruder die Schwester, deren Mann den Bruder und so weiter und so fort …“ Ase Thorgeyr wollte auffahren, aber Stenmark bölkte ihn an: „Halt’s Maul, jetzt rede ich, verstanden? Ohne daß ich jetzt unseren Kapitän zu fragen brauche, weiß ich bereits, was er tun wird: nämlich verhindern, dich auf deine Schwester loszulassen! Und noch etwas, mein Freund: Da treibst du dich vier Jahre irgendwo herum, und weil dir ein Auge ausgeschlagen wurde, besinnst du dich auf einmal, daß du dich um den Hof der Thorgeyrs kümmern müßtest. In den ganzen vier Jahren hast du das nicht getan und vorher offenbar auch nicht. Und jetzt tauchst du plötzlich auf und verlangst, daß deine Schwester zu verschwinden hätte, weil dir laut altem norwegischem Recht der Hof zustehe. Dieses Recht hast du nach meiner Auffassung in diesen vier Jahren längst verspielt, auch wenn du – wie du sagst – ein Jahr auf der Schnauze gelegen hast. Nein, Ase Thorgeyr, so einfach ist das nicht, und wenn ich deine Schwester wäre, dann würde ich dich zum Teufel schicken!“
Jetzt hatte Eike mitübersetzt, und Hasard war das Fluchen vergangen, als er seinen Stenmark loslegen hörte.
„Gut, Sten, sehr gut“, sagte er, „gib’s diesem Ochsen zwischen die Hörner. Du hast mir aus der Seele gesprochen. Und jetzt teil ihm auch gleich mit, daß ich ihn in Ketten legen werde, wenn er im Isa-Fjord den wilden Mann spielen will. Sag ihm, so hätten wir nicht gewettet, und wir würden verhindern, daß es zu Mord und Totschlag kommt. Ah, und noch etwas: Sag ihm, er habe sich unseren Gesetzen zu beugen, solange er sich an Bord der ‚Isabella‘ befände, wobei ich mir das Recht herausnehmen werde, ihn hier solange schmoren zu lassen, bis er sich abgekühlt hat und einverstanden