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er eine übergroße Axt. Dieses Monstrum nannte er sein „Messerchen“, was echt untertrieben war, denn das Ding war schon für zwei ausgewachsene Männer schwer genug.

      Jetzt steckte dieses „Messerchen“ in der gehämmerten Scheide an der linken Hüfte Thorfin Njals, und die Spitze dieser Scheide schleifte durch den Sand, eine Furche ziehend wie ein Pflug. Diese Furche hätte getrost als Laufgang für einen Maulwurf dienen können – oder als Saatrinne für Kartoffeln, die Francis Drake nach Europa gebracht hatte.

      Dann war ein „Kling!“ zu hören, und der Riese stoppte, drehte sich um und starrte Jean Ribault an, der hinter ihm marschierte und ihn angrinste.

      Die ganze Kolonne hielt an.

      „Was war das?“ fragte der Riese grollend. „Hast du es gehört?“

      Jean Ribault nickte und grinste weiter. Er sagte: „Du bist mit deinem Piekser gegen einen Stein gestoßen.“

      Der Riese runzelte die mächtige Stirn unter dem Kupferhelm. „Mit wem?“

      Jean Ribaults Grinsen wurde geradezu unverschämt. „Mit deinem Piekser, mein Guter!“ Er deutete auf die Furche. „Schau dir mal den Graben an, den du mit deinem Piekser aushebst. Kannst du das Ding nicht höher schnallen? Bei jedem Stein, der dir im Weg liegt, stößt du mit deinem Piekser dagegen, und dann gibt’s ein Boing! Das ist auf zehn Meilen zu hören. Da weiß der liebe Grammont wenigstens gleich, wer im Anmarsch ist, nicht wahr?“

      „So! Aha!“ Der Riese ruckelte an dem Wehrgehänge und zerrte es über den Bauchnabel.

      Die Männer hinter Jean Ribault waren am Grinsen.

      Der Riese sagte: „Und wie hast du mein Messerchen genannt?“

      „Piekser!“

      „Das ist kein Piekser, sondern ein Messerchen, verstanden?“

      „Und wo ist da der Unterschied?“

      „Das ist ein Schwert!“ brüllte Thorfin Njal. „Bei Thor! Schon mein Urahn führte es, als er gen Island segelte.“

      „Aha“, sagte Jean Ribault ungerührt. „Dann sieh mal zu, daß du ein paar kleine Thorfins in die Welt setzt, damit das gute Stück der Familie erhalten bleibt. Du kommst jetzt in die Jahre, mein Guter. Da mußt du zusehen, daß die Sippe nicht eingeht.“

      Der Riese kratzte sich am Kupferhelm, und es war gut, daß sich Edwin Carberry und Ferris Tucker auf der „Hornet“ befanden und dieses Kratzen nicht mit ansehen mußten. Sie wären wieder mal aus der Haut gefahren.

      Aber dann rupfte der Muskelberg an seinem rötlichgrauen Bart und murmelte: „Mal sehen.“

      Er drehte sich abrupt um und stampfte weiter. Sein „Messerchen“ schleifte nicht mehr durch den Sand.

      Was dieses „mal sehen“ bedeuten sollte, war Jean Ribault nicht so recht klar, aber sicherlich hatte er den Riesen auf die Idee gebracht, an seine Nachkommenschaft zu denken, die es noch nicht gab. Wenn er Hasards Zwillinge betrachtete, wurde der Ausdruck in seinem Gesicht stets recht träumerisch, das war Jean Ribault bereits aufgefallen.

      Dann sieh mal zu, dachte Jean Ribault und lächelte. Vielleicht wartet ja schon so eine blonde und große Gudrun auf dich da oben im eisigen Norden.

      Sie waren nicht den drei Spuren im Sand gefolgt, die Yves Grammont und seine beiden Kumpane zurückgelassen hatten. Diese Spuren führten auf ein Gehölz hinter der Strandzone zu. Nein, sie hatten die direkte Richtung dorthin gemieden und marschierten in einem Bogen auf das Gehölz zu.

      Daß sie alle dreizehn mehr oder weniger zusammenblieben, hatte seine Richtigkeit. Wenn sie sich allerdings über den ganzen Strand breit verteilt hätten, wäre ihr rechter Flügel an die Landzunge gestoßen, die wallartig oder wie ein Damm in die See ragte und eine weitere Bucht abschirmte, die von See her nicht einzusehen war.

      Aber sie konzentrierten sich auf das Gehölz, in dem Grammont und seine beiden Kumpane verschwunden waren. Und so entging ihnen die Gruppe, die hinter dieser Landzunge lag und sie beobachtete. Auch die einmastige Schaluppe, die in der Bucht ankerte, wäre ihnen aufgefallen, zumal sie mit einem Bug- und einem Heckgeschütz armiert war.

      In der Gruppe der Beobachter jedoch hätten sie eine alte Bekannte entdeckt – ein blondes, langbeiniges und ausnehmend hübsches Wesen namens Lucille, ein Wesen, dessen Tätigkeit darin bestand, Männer um den kleinen Finger zu wickeln und ihnen zwecks Bereicherung der eigenen Geldkatze den Kopf zu verdrehen. Die Liebe spielte da ihre uralte Rolle, und man hätte nicht behaupten können, die hübsche Lucille wäre in diesem Metier eine Anfängerin. Nein, ganz und gar nicht.

      In dem Netz, das sie ausgeworfen hatte, um reich zu werden, zappelte dieses Mal ein Fisch namens Jean-Luc Martier, seines Zeichens Hafenkapitän von Concarneau, jetzt aber finster entschlossen, diesem Titel und der damit verbundenen Tätigkeit zu entsagen und statt dessen auf einen Schlag reich zu werden, was es ihm wiederum ermöglichen würde, fürderhin ein faules, aber lustvolles Leben an der Seite der schönen Lucille zu führen.

      In diesem Netz hatten zuvor bereits Albert, der „Bucklige“ von Quimper, Yves Grammont, zeitweise auch Easton Terry und – mehr zweckgebunden – Lucio do Velho gezappelt. Auch den Küstenwolf Le Marocain hatte sie in dieses Netz verstrickt, aber der weilte nunmehr bereits in der Hölle.

      Das blonde Engelchen verfügte über das seltene Geschick, immer wieder einen Dummen zu finden, der ihr ihren Traum vom Reichwerden erfüllen sollte. Natürlich setzte sie dafür alle ihre Reize ein, über die sie in bestrickender Weise verfügte.

      Jetzt also lag sie mit Jean-Luc Martier und zehn Soldaten hinter der Landzunge in guter Deckung und beobachtete den Landetrupp. Und es war für alle nicht schwer zu erraten, daß die dreizehn Männer, die mit den beiden Jollen gelandet waren, hinter Grammont und seinen Kumpanen her waren, die sich schwimmend an Land gerettet hatten.

      Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte, hatte Jean-Luc Martier gemeint. Und darauf lauerten die zwölf nun, wobei sich Martier durchaus darüber im klaren war, daß es ihm keineswegs behagen würde, mit diesen dreizehn Kerlen aneinanderzugeraten, vor allem nicht mit diesem wüsten, behelmten Riesen, der offenbar aus der wilden Zeit der Wikinger übriggeblieben war. So etwas sollte es ja geben, und der Teufel mochte wissen, wie das Geschlecht dieser Nordlandleute die Jahrhunderte überdauert hatte.

      Freilich hatte er überhaupt nichts dagegen, wenn sich dieser Riese und seine Leute und die Kerle Grammonts gegenseitig umbrachten – je mehr, desto besser, vor allem bei dem Landetrupp, denn das würde sein eigenes Vorhaben begünstigen, das in seinem Kopf bereits bestimmte Formen annahm.

      Thorfin Njal indessen und seine Mannen rückten unverdrossen auf das Gehölz zu und ahnten nichts von jener Gruppe hinter der Landzunge.

      Die zehn Soldaten dieser Gruppe wiederum ahnten nichts von den Absichten des Hafenkapitäns, dem sie auf Anordnung des Stadtkommandanten von Concarneau – René Douglas – unterstellt worden waren, zwecks Ausrottung der Piraten Grammonts, die ja in der Festung wie die Vandalen gewütet hatten.

      Nein, diese zehn Soldaten wußten nicht, daß Jean-Luc Martier ein ganz besonderes, privates Süppchen kochen wollte, bei dem ihm die Piraten Grammonts völlig gleichgültig waren. Sie fanden diesen „Ausflug“ per Schaluppe sehr abwechslungsreich, zumal sich bisher keine kriegerischen Verwicklungen ergeben hatten.

      Und sie hatten gar nichts dagegen, statt dessen in einer Dünenmulde auf dem Bauch zu liegen und sich genüßlichen Gedanken zu widmen, die allesamt mit jener Person zu tun hatten und um sie kreisten, die in ihrer Mitte lag – Lucille, dem blonden Engelchen, das ein Satansbraten war. Diese Gedanken der zehn Soldaten waren recht sündig.

      Die zwölf Männer unter Thorfin Njal drangen in das Gehölz ein und bahnten sich einen Weg durch den Verhau, der aus verfilzten Dornenhecken, Buschgestrüpp und krüppeligem Nadelholz bestand. Als sie einen Wildpfad fanden, zog sich der Trupp auseinander, und es war der Profos George Baxter, der am Schluß marschierte und plötzlich ein entsetzliches Stöhnen hörte, ein Stöhnen, das ihm durch Mark und Bein ging.

      Er

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