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      „Oh!“ rief Lady Evelyn. „Dein Verlobungsring. Was für ein prachtvolles Schmuckstück.“ Sie sah ihre Schwägerin an. „Wie großzügig von dir, Louise, daß du dich davon getrennt hast. Du hast den Ring doch so oft getragen.“

      „Es war schon immer Williams Lieblingsring“, entgegnete die Gräfin kalt.

      „Die Kutsche steht bereit“, meldete der Butler.

      Margret küßte ihre Tante pflichtschuldig auf die Wange, verabschiedete sich mit einem Knicks von ihrem Onkel und hielt William die Hand entgegen.

      Er küßte sie, aber es war bloß eine Formsache. Margret mußte an Paul Beaulieu denken. Wie warm hatten sich seine Lippen auf ihrer Haut angefühlt! Das ist heute schon der zweite Handkuß, dachte sie. Aber der erste hat mir viel mehr bedeutet. Beim Gedanken, daß William sie auf den Mund küssen könnte, schauderte sie. Frauen mit Lippen wie den Ihren hatte Paul Beaulieu gesagt, schenken dem Mann, den sie lieben, Herz, Körper und Seele. Seine Stimme klang in ihren Ohren. Würde sie William ihr Herz, ihren Körper und ihre Seele schenken wollen?

      Und so stellte sich Margret auf dem Heimweg immer wieder die Frage, warum William sie überhaupt heiraten wollte. Lady Evelyn und der Vikar schwiegen. Sie waren wohl beide müde, was allerdings kein Wunder war. Die Einladungen im Schloß waren immer eine Qual.

      Als Margret schließlich zu Hause im Bett lag und an die dunkle Decke starrte, dachte sie nicht etwa an William und das kostbare Geschenk, das sie abgestreift und auf den Nachttisch gelegt hatte, sondern an Paul Beaulieu. Hatte er ihr bloß schmeicheln wollen, oder fand er sie wirklich so schön, wie er gesagt hatte? Margret hatte keine Ahnung, was für Menschen die Franzosen waren. Das wenige, was sie über dieses Volk wußte, hatte sie aus Büchern.

      Eine Göttin hatte Paul Beaulieu sie genannt, und wenn Margret daran dachte, wurde es ihr warm ums Herz. Erst jetzt, in der Dunkelheit ihres Zimmers, wagte sie sich einzugestehen, wie sehr der Künstler sie beeindruckt hatte und wie sehr er ihr gefiel.

      Aber sie mußte doch an William denken. Er hatte um ihre Hand angehalten, und seine Frau würde sie werden, so unwirklich ihr das auch vorkam. Margret fühlte sich wie in einem Alptraum, aus dem sie nicht aufwachen konnte.

      In der Nacht fand sie keinen Schlaf. Sie hörte die Kirchenuhr zu jeder Stunde schlagen. Wo Paul Beaulieu wohl übernachtete? Das Gasthaus im Dorf hatte zwar ein paar Fremdenzimmer, aber sie waren winzig und nur spärlich möbliert.

      Um sechs Uhr, Margret hatte zwischendurch nur ein bisschen geschlummert, stand sie schließlich auf.

      Margret kam an dem Tag eine halbe Stunde früher als gewöhnlich ins Schloß. Cicely wartete schon auf sie.

      „Ich wußte, daß du früher kommst.“

      Margret küßte die Cousine auf die Wange und setzte sich auf den Bettrand.

      „Und jetzt erzähl“, bat sie.

      Zu ihrem Erstaunen zögerte Cicely einen Moment.

      „Willst du die Wahrheit wissen?“ fragte sie schließlich, „oder bloß das, was sich angenehm anhört?“

      „Die Wahrheit natürlich“, entgegnete Margret. „Wir haben uns doch immer die Wahrheit gesagt.“

      „Sie wird dir aber nicht gefallen.“

      „Ich möchte wissen, warum er mich heiraten will. Und du weißt es offensichtlich.“

      Cicely nickte.

      „Das habe ich gestern Abend schon gemerkt“, sagte Margret.

      „Aber Mama nicht, oder?“

      „Was?“ fragte Margret.

      „Daß ich es bereits wußte. Sie hat nämlich gedacht, daß ich schlafe.“

      „Jetzt erzähl doch endlich, Cicely“, bettelte Margret. „Alles - von Anfang an.“

      „Du erinnerst dich doch“, begann Cicely, „wie die Nurse gestern reingekommen ist und gesagt hat, daß du gehen mußt, weil ich wegen Williams Ankunft früher ruhen sollte.“

      „Natürlich erinnere ich mich.“

      „Und daß ein Telegramm gekommen und Mama ganz aufgeregt war, weißt du auch.“

      „Ja, das weiß ich. Wenn William kommt, ist Tante Louise ja immer völlig aus dem Häuschen. Sie liebt ihn über alles.“

      „Allerdings“, bemerkte Cicely. „Er ist der einzige Mensch, der ihr wirklich etwas bedeutet. Wie dem auch sei, sie haben mich wie immer auf den Balkon vor Mamas Schlafzimmer gelegt, die Nurse hat mich zugedeckt und gesagt, ich solle jetzt versuchen zu schlafen.“ Cicely schnitt eine Grimasse. „Mama schlich auf Zehenspitzen durch ihr Zimmer, um mich ja nicht zu stören, und ich war auch gerade eingeschlafen, als plötzlich die Tür aufging und William auf der Schwelle stand. Und dann kam folgende Unterhaltung:

      „,William’! hat Mama gerufen. ,Wir haben dich erst heute Abend erwartet.’

      ,Ich habe das frühere Boot bekommen’, hat William gesagt, ist auf Mama zugekommen und hat sie geküßt.

      ,Du siehst fabelhaft aus, mein Junge, und so elegant.’

      ,In Paris muß man besonders auf das Äußere achten, Mama. Verzeih, wenn ich mit der Tür ins Haus falle, aber ich habe so viel mit dir zu besprechen und leider nur sehr wenig Zeit.’

      ,Du kannst also nur kurz bleiben?’

      ,Ja, ich muß gleich wieder nach Paris zurück. Dort passieren im Moment sehr wichtige Dinge, und ich brauche deine Hilfe.’

      ,Meine Hilfe?’

      ,Ja, Mama, ich brauche nämlich eine Frau.’

      ,Eine Frau? Das dürfte doch wohl nicht dein Ernst sein!’

      ,Doch, Mama, es ist mein heiliger Ernst.’

      ,Aber du hast doch immer gesagt, daß du nie heiraten willst, und wir wissen, daß es die Schuld dieser - dieser Frau ist, die dein Leben ruiniert hat.’

      ,Mama, lassen wir jetzt Lady Trenton aus dem Spiel.’

      ,Ist die Affäre endlich vorbei?’ hat Mama gefragt.

      ,Ich habe nicht die Absicht, über meine privaten Dinge zu reden, Mama. Wir haben vor drei Jahren des langen und des breiten darüber gesprochen, und du und Papa, ihr habt mir eindeutig zu verstehen gegeben, daß ihr mich hier bei euch nicht zu sehen wünscht, solange die Affäre, wie du dich ausdrückst, anhält.’

      ,Das war Papas Wunsch, nicht meiner’, hat Mama schnell gesagt. ,Du weißt, wie sehr ich dich liebe und daß ich nur dein Glück will.’

      ,Wenn du mein Glück willst, dann hilf mir jetzt, eine Frau zu finden. Ich muß mich auf der Stelle verloben.’

      ,Ich freue mich natürlich, wenn du heiraten willst, William, aber warum soll ich dir denn eine Frau suchen? Meinst du nicht, das solltest du selbst tun?’

      William stapfte im Zimmer auf und ab.

      ,Ich will ehrlich sein, Mama’, hat er nach einer Weile gesagt. ,Ich kenne keine jungen Mädchen, denn ich bin in den vergangenen drei Jahren nicht in Kreisen verkehrt, wo man sie kennenlernt. Meine Freunde sind samt und sonders verheiratet, und die ledigen Frauen, die ich kenne, passen nicht in die Rolle der Frau eines zukünftigen Botschafters.’

      ,William!’ hat Mama aufgeregt gerufen. ,Soll das heißen, daß du Chancen hast, Botschafter zu werden?’

      ,Nicht nur Chancen, Mama, sondern die Gewißheit. Deshalb brauche ich ja so dringend eine Frau und muß wenigstens verlobt nach Paris zurückkommen.’

      ,Das mußt du mir genauer erklären, William.’

      ,Du weißt doch, Mama, daß ich mich zusammen mit Sir Heatherington Houghton für die Wiedereinführung der Unabhängigkeit des Fürstentums Vallon eingesetzt habe. Sir Heatherington war vor der Besetzung durch die Deutschen

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