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ihre großen, schönen Augen waren dabei ganz schmal.

      Tags darauf traf sie kurz nach sechzehn Uhr auf dem Tennisplatz ein. Sie übte an der Trainingswand, bis Volker Wolff kam.

      „Seit wann bist du hier?”, wollte der junge Assistenzarzt wissen. Sie sagte es ihm. Er schüttelte den Kopf und meinte: „Du bist unverbesserlich.”

      Da Petra schon schön warmgespielt war, schlug Volker sich nur fünf Minuten ein, und dann begannen sie mit dem Match. Bereits nach den ersten langen Ballduellen erkannte Volker, dass er heute auf der Hut sein musste, wenn er nicht mit fliegenden Fahnen untergehen wollte.

      Petra spielte mit Biss, war ehrgeizig, aggressiv und zudem schnell und leichtfüßig wie eine Gazelle. Sie erlief so gut wie jeden Ball und brachte ihn so gefährlich zurück, dass Volker hin und wieder große Probleme damit hatte. Petra entschied den ersten Satz klar für sich, verlor den zweiten nur knapp und sehr unglücklich, weil in entscheidenden Phasen zwei Netzroller für Volker zu Buche schlugen, und sie hielt den dritten Satz lange Zeit offen, ehe sie sich erneut, wieder nur ganz knapp, geschlagen geben musste.

      Als sie einander über das Netz hinweg die Hand reichten, keuchte Volker Wolff: „Donnerwetter, heute hast du’s mir aber gezeigt.”

      Ihre himmelblauen Augen funkelten. Sie sah aus wie eine kriegerische Amazone.

      „Und beim nächsten Mal schlage ich dich”, kündigte sie an.

      Er lachte. „Oh, das wollen wir aber erst mal sehen.”

      „Ich kann mich immer besser auf dich einstellen.”

      Er wurde ernst, hielt immer noch ihre Hand.

      „Hast du eigentlich schon gemerkt, dass ich dich liebe?”

      Sie entzog ihm ihre Hand.

      „Bitte, Volker!” Sie ging zu ihrer Tennistasche. Er folgte ihr.

      „Was ist? Habe ich etwas Falsches gesagt?”

      Sie nahm wortlos ihre Tasche. Er nahm seine Tasche.

      „Trinken wir noch etwas?”

      „Ich muss nach Hause“, antwortete Petra rau.

      „Wieso hast du es auf einmal so eilig?”

      „Ich habe noch etwas Wichtiges zu erledigen”, gab sie knapp zurück. „Wir sehen uns morgen in der Klinik.” Und weg war sie.

      Volker Wolff kratzte sich am Hinterkopf und murmelte verstört: „Also wirklich, Mädchen, ich verstehe dich nicht.”

      3

      Sie hatte ein hübsches Apartment in Bogenhausen - helle Bäume, gemütlich eingerichtet. Es herrschten warme Pastelltöne vor, die geschmackvoll aufeinander abgestimmt waren. Ein Zimmerbrunnen aus Lavagestein plätscherte leise und sorgte für mehr Luftfeuchtigkeit und ein besseres Wohnklima. Petra warf ihre Tennistasche in den begehbaren Schrank und schloss die Tür.

      Sie war wütend. Wütend auf sich. Weil sie jedes Mal so verrückt reagierte, wenn ein Mann ihr seine Liebe gestand. Da war eine Sperre in ihr. Sie wollte, es hätte sie nicht gegeben, diese verflixte Sperre, die sie nicht überwinden konnte. Volker Wolff war ein unheimlich netter Kerl, sie mochte ihn, und wenn sie ,normal‘ gewesen wäre, hätte sie sich schon längst in ihn verliebt.

      Aber sie war nicht normal, war es nicht mehr — seit damals ...

      Ach, sie wollte sich nicht daran erinnern. Etwas Wichtiges habe sie zu erledigen, hatte sie zu Volker gesagt. Eine glatte Lüge. Nichts hatte sie zu tun, überhaupt nichts, weniger als nichts. Sie war nur davongelaufen. Wieder einmal. Sie trat ans Fenster, und ihr Blick wanderte über das Dächermeer.

      „Wie oft noch?”, flüsterte sie unglücklich. „Wie oft werde ich noch wegrennen?”

      Das Telefon läutete. Petra zuckte wie unter einem Stromstoß zusammen.

      „Ja, bitte?”, meldete sie sich mit belegter Stimme.

      „Ich bin es”, sagte Dr. Volker Wolff am anderen Ende der Leitung. „Ist alles in Ordnung?“

      „Ja”, antwortete sie leise

      „Ich mache mir ein bisschen Sorgen ...”

      „Das brauchst du nicht”, sagte Petra.

      „Bitte entschuldige, dass ich mich so dumm benommen habe.”

      „Schon gut. Wenn du dich mal aussprechen möchtest - ich bin immer für dich da.”

      Sie schloss die Augen und seufzte leise.

      „Danke, Volker. Du bist sehr lieb. Ich weiß das zu schätzen.”

      „Wenn du möchtest, können wir zusammen essen und uns unterhalten.”

      „Nein, Volker, nein”, wehrte sie ab. „Ich ... ich möchte dir nicht auch noch den Abend verderben.”

      „Das würdest du nie schaffen.”

      „Ich möchte allein sein.”

      „Okay.” Er schwieg kurz. Dann fragte er: „Bist du sicher, dass es dir gutgeht?”

      „Ja, Volker, das bin ich.”

      Er räusperte sich. „Na, dann bis morgen.”

      „Bis morgen.”

      „In alter Frische - und du wieder zu früh.” Er lachte sanft.

      „Ja, ich wieder zu früh. Du solltest dich vor mir in Acht nehmen.”

      „Wieso?”, fragte der junge Assistenzarzt.

      „Ich bin verrückt.”

      „Nein, schöne Kollegin, das bist du nicht”, widersprach er. „Du bist nett, sympathisch, attraktiv, liebenswert, begehrenswert, klug, tüchtig ... Du bist alles - nur verrückt bist du nicht.”

      Sie legten gleichzeitig auf, und Petra flüsterte: „Ich wollte, du hättest recht.”

      4

      Dr. Volker Wolff sah geistesabwesend auf das Telefon.

      „Du bist nicht glücklich”, murmelte er. „Du bist nicht glücklich, meine wunderwunderschöne Kollegin.” Er schob die Hände in die Hosentaschen und hob trotzig den Kopf. „Aber eines Tages wirst du glücklich sein. Ich werde dich glücklich machen. Du wirst es nicht verhindern können.”

      Der Apparat begann plötzlich zu schrillen.

      War das Petra? Hatte sie es sich anders überlegt? Wollte sie doch mit ihm essen gehen?

      Volker hob rasch ab und meldete sich mit einem erfreuten, erwartungsvollen „Ja!”

      Er war ein klein wenig enttäuscht, als er die Stimme seines Vaters hörte.

      „Hallo, mein Junge”, sagte sein alter Herr.

      Volker liebte ihn, und jetzt freute er sich auch über seinen Anruf.

      „Hallo, Papa. Wie geht es dir?”

      „Oh, soweit ganz gut.”

      „Was macht das Herz?”, erkundigte sich Volker.

      „Wenn ich regelmäßig meine Medikamente nehme, arbeitet es klaglos.”

      „Das freut mich”, sagte Volker.

      „Wie läuft es in der Paracelsus-Klinik?”

      „Bestens”, antwortete Volker.

      „Hast du viel zu tun?”

      „Ist nicht so schlimm”, sagte Volker. „Warte, Mama zupft mich fortwährend am Ärmel. Gott, kann diese Frau lästig sein. Sie möchte auch mit dir sprechen. Einen Augenblick, ich gebe ihr den Hörer. Mach’s gut, mein Junge!”

      „Ja, du auch, Papa”, gab Volker zurück.

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