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zum andern.

      „Das ist frech!“ schrien sie wieder.

      „Ih, frech war Kasperles Ausreißen!“ zeterte oben das Kasperle. „Und frech war es, was er dann tat. Dem Grafen von Singerlingen ist er hinten auf den Wagen aufgesprungen; so ist er mit in ein Schloß gefahren, dort ist er in die Schlagsahne gefallen und hat sich in des Herzogs, unseres Herzogs, Bett gelegt.“

      „Fein!“ schrien wieder ein paar Buben, aber da drohte Kasperle: „Ihr werdet eingesperrt.“

      Da verstummten die Schreier flink, und Kasperle erzählte weiter: „Unser guter Herzog August Erasmus war damals bei dem Grafen von Markfeld zu Gaste, eine Hochzeit wurde im Schloß gefeiert, und da hat das Kasperle herumgespukt. Die kleine Gräfin Rosemarie — sie ist jetzt eine schöne junge Dame und wird nächstens einen Grafen heiraten — hat den kleinen Unnützling aus Mitleid erst in ihr Puppenbett gesteckt, dann ihm geholfen, daß er ausreißen konnte.“

      „Fein, fein!“ brüllten wieder die Kinder. Da wurde Kasperle wütend, er schrie: „Potztausend! Das hättet ihr wohl auch getan?“

      „Ja, ja!“ jauchzten die Kinder. „Er soll nur kommen, wir helfen ihm schon!“

      Einige Augenblicke war Kasperle muckstill; der Kasperlemann, der hinter dem roten Vorhang stand, fuhr sich mit seinem schwefelgelben Schnupftuch über das Gesicht. Er ärgerte sich. „So ist nun das Kindervolk! Da reise ich von Jahrmarkt zu Jahrmarkt, bin auf Schützenfesten, überall und immer, wenn ich erzähle: ‚Kasperle ist ausgerissen‘, schreien die dummen Kinder: ‚Fein, fein!‘ — Haue müßten sie alle haben!“

      „Kasperle soll weiterreden,“ verlangten die Kinder vor dem Budchen.

      Da ließ der Kasperlemann das hölzerne Kasperle wieder zappeln. Er steckte aber selbst seinen Kopf heraus und erzählte weiter: „Trotzdem die Landjäger aufpaßten, gelang es dem schlimmen lebendigen Kasperle doch, zu entkommen. Hoch hinauf in die Berge in das Dorf Waldrast hat er sich geflüchtet, und der Schullehrer dort hat sich seiner gar liebreich angenommen. Aber als Dank hat Kasperle nichts wie Dummheiten gemacht.“

      „Was hat er denn getan?“ Hansjörg drängte sich ganz vor, und klatsch! schlug ihm Kasperle mit dem Bein an die Nase.

      „Au!“ Hansjörg brüllte, die andern schrien: „Sei doch still! Wir wollen hören, wie’s weiter geht. Was hat Kasperle gemacht?“

      „Nichts als Unsinn, und vor allem hat er die Base Mummeline im Schulmeisterhaus schlimm geärgert. Die hat aber herausgekriegt, daß es mit dem Kasperle nicht richtig war, und da sind Landjäger nach Waldrast gekommen, die haben Kasperle fangen wollen, denn der Herr Herzog August Erasmus hatte eine hohe Belohnung dem versprochen, der Kasperle fangen würde.“

      „O jemine! Die haben ihn wohl gefangen?“

      „I bewahre! Stille doch, Kinder! Ausgerissen ist — —“

      „Hurra, hurra!“

      Der Kasperlemann ärgerte sich mehr und mehr, die Kinder jauchzten immer lauter, und von den andern Buden schauten die Leute neugierig herüber. „Beim Kasperle geht’s mal wieder lustig zu,“ sagten sie.

      „Stille, Kinder! Sonst erzähle ich nicht weiter,“ schrie der Kasperlemann.

      „Ach ja doch, bitte, bitte, wohin ist Kasperle gelaufen?“

      „Erst auf den Kirchturm; da hat er die Glocken geläutet, so daß sie alle im Dorf gedacht haben, es brenne, und in der Verwirrung und in der Dunkelheit ist — ritsch ratsch! — das Kasperle ausgerissen.“

      „Hurra, Kasperle soll leben!“

      „Tut er ja auch,“ brummte der Kasperlemann. „Und gut hat er dann eine Weile gelebt; in des Herzogs Jagdschloß hat er beinahe die Räucherkammer leergegessen mit seinem Freund, dem Geißbuben Michele. Das Michele hat dem Kasperle in das Schloß hinein geholfen, und als da der Herzog August Erasmus unversehens gekommen ist, hat sich Kasperle in eine verborgene Kammer geflüchtet, und alle im Schloß haben gedacht, es spuke ein Gespenst darin.“

      „Uje, das ist aber fein! Ich will auch mal Gespenst sein,“ schrie Hansjörg.

      „Ich auch, ich auch! Gespenst sein, ist fein,“ echote es. „Morgen spielen wir Gespenster!“

      „Wie hat er es denn als Gespenst gemacht?“

      Das schwätzte laut vor dem Budchen durcheinander, und der Kasperlemann brummte: „So dumm bin ich nicht, euch das zu verraten. Wer spukt, kriegt was auf den Hosenboden, und nun still! Wer redet, bekommt einen Nasenstüber.“

      Da waren die Kinder wieder muckstill, und der Kasperlemann erzählte weiter: „Na, kurz und gut, sie haben es im Schloß herausgekriegt, wo das Gespenst war, und da hat es Kasperle mit der Angst gekriegt und ist durch einen geheimen Gang entflohen. Vorher aber hat der Bösewicht dem Herzog noch einen schweren Geldbeutel auf den Magen geworfen.“

      „War Geld drinnen?“ Hansjörg riß seinen Mund wieder sperrangelweit auf, und der Kasperlemann brummte: „Schafskopf, natürlich! Von was wäre er sonst schwer gewesen! Wer jetzt aber noch ein Wort dazwischenredet, muß drei Pfennige zahlen.“

      „Ich hab’ nur einen Pfennig!“ jammerte Minchen Hirsebrei.

      „Na, dann halt den Schnabel! — Also, hört zu! Das Michele hat dann Kasperle wieder geholfen. Der ist ausgerissen, und wißt ihr, wohin er geraten ist?“

      „Nä!“ schrien die Kinder.

      „Nach Torburg.“

      „Wir wollen ihn sehen, wir wollen ihn sehen!“ kreischten die Kinder; Torburg lag im Tal; nur eine Stunde weit war es von Wutzelheim entfernt.

      „Donnerwetter, bleibt doch da!“ Der Kasperlemann erschrak ordentlich. Alle Kinder wollten davonlaufen, und er saß dann da und hatte keine Pfennige.

      „Er ist ja nicht mehr dort,“ rief er darum schnell.

      „Ach so!“ jammerten die Wutzelheimer Kinder enttäuscht.

      „Wo ist er dann?“ Hansjörg drängte sich wieder ganz nahe an das Budchen, und klitsch! bekam er einen Backenstreich, aber tüchtig. Kasperle schlug mit seinem Holzbein derb zu, und Hansjörg brach in ein Jammergeheul aus: „Ich sag’s meinem Vater! Ich sag’s meiner Mutter, Kasperle hat mir gehaut!“

      „Sei doch nicht dumm!“ Die andern Kinder zerrten Hansjörg, der davonlaufen wollte, zurück, und der Kasperlemann fuhr zu erzählen fort: „Also, in Torburg wohnte ein alter Gärtner, Meister Helmer, in einem wunderschönen Garten, der nahm das Kasperle als Gärtnerburschen an. Dort hat er ein Weilchen gelebt, bis ich eines Tages nach Torburg kam und erfuhr, Kasperle sei dort. Nun hatte der Herzog August Erasmus eine noch höhere Belohnung ausgesetzt; die wollte ich mir verdienen und Kasperle fangen und —“

      „Pfui!“ Bums sauste ein Holzpantoffel in die Kasperlebude hinein, schlug dem hölzernen Kasperle ein Stück von seiner Nase ab und traf des Kasperlemannes Bauch. Da schrie der nun auch und jammerte laut. Fritze Dünnebein aber, der den Pantoffel geworfen hatte, reckte sich stolz auf: „Warum haste Kasperle fangen wollen!“ brüllte er. „Das war böse.“

      „Du Dummkopf!“ Der Holzpantoffel kam zurück, aber er traf Fritze nicht; der fing ihn auf, steckte wieder seinen Fuß hinein und sagte patzig: „Ich geb’ dir keinen Pfennig, weil du Kasperle gefangen hast.“

      „Dumm, dumm, dumm!“ schrie der Kasperlemann. „Ich hab’ ihn doch nicht gefangen! Da ist nämlich der Meister Severin gekommen, ein Geiger und Instrumentenmacher, der allen Instrumenten eine Seele geben kann, der hat ritsch, ratsch das Kasperle genommen und es in einen schwarzen Kasten gesteckt und es in das Waldhaus zurückgetragen.“

      „Hurra, das ist fein! Der Meister Severin gefällt uns,“ brüllten die Kinder. Hansjörg aber fragte bedächtig: „Und wo ist’s Kasperle nu?“

      „Na, im Waldhaus!“

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