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hatte ich sie am Abend sehr spät in der urigen, mit viel schwarzem Holz ausgestatteten Bar von Antonio, der Casa Antonio, kennengelernt. Ziemlich groß, schlanke, gute Figur, eine etwas gebogene, nicht gerade besonders kleine Nase, dunkle Augen und blondes Haar. Ein energisches, gebräuntes Gesicht. Eine wirklich sehr attraktive Frau und ein eher ungewöhnlicher Typ für eine Spanierin. Später erzählte sie mir, dass ihre Mutter aus Marokko stammt.

      Eine Bar in Spanien ist übrigens nicht vergleichbar mit einer deutschen. Hier gibt es normalerweise immer eine lange Theke, an der die Gäste – ohne Weiteres auch Frauen allein – herumstehen, ihren Wein trinken und frei von Kontaktproblemen miteinander plaudern.

      Jedenfalls kam ich mit Paquita ins Gespräch. Sie fand mich wohl ganz nett und nach einer Weile und mehreren vinos tintos erzählte sie mir die unendliche Geschichte der Beziehung zu ihrem Freund Vincente mit einem ewigen Auf und Ab. Immer wieder begann sie, ganz im Gegensatz zu dem energischen Eindruck, den ihr Aussehen vermittelte, zu weinen und blickte mich zwischendurch mit großen Augen hilflos an, erhoffte wohl problemlösende Ratschläge von mir.

      Es ist schon erstaunlich, was die Liebe auch mit selbstbewussten Frauen anstellt. Nachdem ich ihr schließlich nach zwei Stunden sagte, sie solle den Kerl auf den Mond schießen, brach sie in einen lauten Heulkrampf aus.

      Als ich am nächsten Tag sehr entspannt und hochzufrieden in Las Fuentes, einem Ortsteil von Alcossebre, aus der „Taberna Pikapote“ meiner spanischen Freundin Ana trat, nach einem fantastischen Seehecht, in Knoblauch-Olivenöl gebraten, mit in feine Scheiben geschnittenen Artischockenherzen, bremste ein Motorrad scharf neben mir ab. Verblüfft schaute ich zur Seite. Die in schwarzes Leder und eine gelbe Weste gekleidete Fahrerin nahm ihren Helm ab und schüttelte ihre blonde Mähne. Es war Paquita. Sie war tatsächlich die Postbotin des Ortes und fuhr mit ihrer Maschine und großen Satteltaschen die Sendungen im Ort und den umliegenden Ansiedlungen aus. Ein eindrucksvoller Anblick, wenn sie mit ihrer Maschine und oft mit einem dicken Zopf hinten unter dem Sturzhelm heraus die Straße entlangbrauste.

      Der traurige Abschluss des Abends hatte sie nicht gehindert, mich ins Herz zu schließen. Und in der Folgezeit stoppte sie bei ihren Touren, wenn sie mich sah, um mir das neueste Kapitel ihrer Liebesbeziehung zu erzählen.

      Jetzt berichtete sie mir, zwei etwas merkwürdige Typen hätten sie gefragt, ob sie einen sehr großen Deutschen kennen würde und wo der wohne. Die beiden kamen ihr ziemlich gefährlich vor. Deswegen habe sie ihnen gesagt, dass sie von so einem Mann nichts wisse. Sie sah mich dabei mit ihren schönen dunklen Augen besorgt an und riet mir, auf der Hut zu sein, bevor sie davondonnerte. Einen Tag später hielt sie noch einmal und sagte, sie habe vergessen zu erzählen, dass die beiden Männer einen schwarzen Mercedes mit einer deutschen Nummer gefahren hätten.

      Diese Mitteilung gefiel mir nicht besonders gut. Aber es konnte ja auch ganz harmlos sein, denn schließlich wussten viele Bekannte in Deutschland, dass ich hier war, und vielleicht wollte mich eben jemand überraschend besuchen. Aber ich war durch meine – gelinde gesagt – etwas unübersichtliche und katastrophale Vergangenheit besonders sensibel. Vor einiger Zeit war ich lebensgefährdend bedroht worden und man hatte mich schwerer Straftaten verdächtigt.

      Also bat ich Paquita, die Augen offen zu halten und mir zu berichten, wenn ihr die Burschen wieder über den Weg laufen sollten. Falls sie das Auto vor einem Haus sehen würde, wäre ich ihr dankbar, wenn sie mir das berichtete.

      Ich überlegte, ob ich an Verfolgungswahn litt, als ich in der Folgezeit jedes Mal, wenn ich nun das Haus in der Sierra verließ, ein kleines Blatt als Überwachungsmaßnahme wenige Zentimeter über dem Boden zwischen Tür und Rahmen klemmte, so dass nur der Stiel hervorragte.

      Immer war es noch da gewesen, wenn ich zurückkam – bis vor zwei Tagen. Da klemmte es nicht mehr dort. Ich starrte auf den Türspalt. Ich konnte es nicht glauben. Die Tür war verschlossen. Als ich sie öffnete, sah ich es. Es lag auf dem Boden. Jemand war im Haus gewesen.

      Ich konnte nicht feststellen, ob etwas entwendet worden war. Es waren Profis gewesen. Für was hatten sie sich interessiert? Was könnten sie gesucht haben? Mein Heile-Welt-Gefühl für diesen wunderbaren Ort war jedenfalls ziemlich angeknackst. Es war aus mit der Entspannung.

      Neben meinen normalen Sachen hatte ich einen ganzen Schwung Strafakten aus Deutschland mitgebracht. Eine große Tasche voll. Ein besonders schwieriger, unerfreulicher Prozess war angesetzt, und ich hatte mir überlegt, dass ich hier in aller Ruhe auf der Terrasse mit Blick aufs Meer etwas daran arbeiten könnte. Ich hatte aber bisher die Tasche kein einziges Mal angerührt. Und die Einbrecher offenbar auch nicht. Jedenfalls war alles so, wie es sein sollte. Schien mir jedenfalls.

      Aber ich war aufmerksam geworden, und als ich am frühen Nachmittag einen schwarzen Mercedes in der unteren Schleife des Weges zum Haus zwischen die Bäume fahren sah, kam mir das doch etwas merkwürdig vor. Wenn mich jemand besuchen wollte, dann wäre er wohl weiter bis zu mir hochgefahren. Also holte ich mein Fernglas und konnte immer wieder verdeckt zwischen Bäumen zwei oder drei Männer mit einem Hund verfolgen, die in Richtung auf das Haus durch den Wald den Hang hinaufstiegen. Einen von ihnen mit einem ziemlich prägnanten, unrasierten, dunklen Gesicht mit großer Nase sah ich einen Augenblick durch das Glas sehr genau, als er kurz stoppte.

      Sie versuchten offenbar, sich hinter den Bäumen in Deckung zu halten. Das verursachte natürlich bei mir ein ziemlich mulmiges Gefühl. Ich verließ das Haus aus dem Hinterausgang, rannte über die Lichtung an den oberen Waldrand und stellte mich zwischen die Bäume um zu beobachten, was die Kerle vorhatten.

      Nach kurzer Zeit konnte ich einen Mann erkennen, der um das Haus herumschlich und versuchte, in die Fenster hineinzuspähen. Ich lehnte mich vor, um ihn besser zu sehen, aber in diesem Augenblick bog der zweite mit dem Hund an der Leine um die Ecke, der Köter bemerkte mich und fing an, wie wild in meine Richtung zu kläffen. Ich zuckte zurück, aber der Typ hatte mich auch schon erblickt, rief seinem Kumpan etwas zu und rannte mit dem Hund in meine Richtung. So begann die wilde Hetzjagd durch die Berge.

      2

      Antonio sprach mich nicht an, als ich am Abend mit grimmigem Gesicht seine Bar betrat und mich an die Theke stellte. Wortlos schob er mir einen Weißwein zu und wenig später auch ein Holzbrett mit einer Portion des exzellenten Schinkens „Ibérico de Bellota“, den er von der eingespannten Keule abgesäbelt hatte. In der Ecke an einem kleinen Tisch saß ein Paar, das sich leise unterhielt, sonst war die Bar leer.

      Nach dem zweiten Wein blickte er mich fragend an, aber ich schüttelte nur mit dem Kopf und brummte vor mich hin.

      Ich bin schon seit Jahren mit ihm befreundet. Schätze ihn sehr und liebe sein kleines, gemütliches Lokal an der Straßenecke mit den dunklen Holzfässern als Tische vor der Tür. Oft dieselben sympathischen Gäste, die ich zumeist schon lange kenne und die mich mögen. Angenehme, herzliche Menschen. Immer wieder interessante Begegnungen und ein großartiges Training der spanischen Sprache. Natürlich deutlich kurzweiliger als der Unterricht in der Schule.

      Mit Antonio hatte ich hin und wieder persönliche Lebenserfahrungen ausgetauscht, ein bisschen spanisch-deutsche Vergleiche, und auch einiges von meinem Beruf erzählt. Das interessierte ihn ganz besonders, denn bei ihm war vor einiger Zeit eingebrochen und sein gesamtes Erspartes geraubt worden. Es war ziemlich rätselhaft, denn der Zugang erfolgte über ein extrem schmales Fenster, dessen Scheibe eingeschlagen worden war. Vermutlich hatten die Ganoven ein kleines Kind durch die Öffnung geschoben, das dann alles durchwühlt und tatsächlich sein Versteck gefunden hatte. Natürlich gab es von den Tätern keine Spur.

      Es war besonders tragisch, weil es sehr viel Geld war. Er wollte am Ende des Jahres sein Lokal verkaufen und in den Ruhestand gehen. Der Ertrag und seine Ersparnisse sollten ihm das ermöglichen. Damit war es nun nichts. Er musste sein Lokal weiter führen – was mir allerdings sehr recht war, weil ich mich bei ihm so wohl fühlte. Er brauchte ein Jahr, um psychisch über den Schicksalsschlag hinwegzukommen. Aber jetzt war er wieder der Alte.

      Natürlich fragte ich ihn damals, warum er so viel Geld zu Hause aufbewahrte, aber er antwortete ausweichend. Vermutlich war es das in Jahren angesammelte Schwarzgeld.

      Die Ruheständler heißen übrigens in Spanien

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