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      Valery Tscheplanowa trat wie eine Explosion auf die Bühne. „Ich bin Ophelia. Die der Fluß nicht behalten hat. Die Frau am Strick Die Frau mit den aufgeschnittenen Pulsadern“. Mit diesen Worten fesselte sie 2007 das Publikum im Deutschen Theater Berlin von der ersten Sekunde an. Murmelnd, rufend, schreiend. Seit dieser Inszenierung von Heiner Müllers Hamletmaschine in der Regie von Dimiter Gotscheff sind 13 Jahre vergangen, in denen Valery Tscheplanowa wie ein Irrlicht durch die Stadttheater zog und längst auch ihren Weg zum Film gefunden hat. Es waren trotz beglückender Momente auch Kämpfe, die sie dort austrug – gegen den Betrieb und für lebendige Arbeit.

      Dieser reich bebilderte Gesprächsband schildert die Reise einer eigenwilligen Schauspielerin, die 1980 im sowjetischen Kasan beginnt, den Leser durch die Wirren des Systemumbruchs in ein einsames norddeutsches Dorf führt, von russischen Schamanen, hilflosen Intendanten und palästinensischen Macho-Frauen erzählt und mit ihrer Theaterarbeit mit Dimiter Gotscheff und Frank Castorf noch lange nicht endet.

      Dorte Lena Eilers

       TSCHEPLANOWA

      backstage

      Mit Gedichten von Valery Tscheplanowa

      und einem Nachwort von Josef Bierbichler

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      Inhalt

       Fünf Gedichte

       Die Geste ist blank

       Setzung

       Ungezählte Deine Namen

       Lied vom Selbstmitleid

       Abgang

       NACHWORT

       Rollenverzeichnis

       Bildnachweis

      Fünf Gedichte

      von Valery Tscheplanowa

      Die Geste ist blank

      Und es beginnt

      Der Umriss sich zu meißeln

      Und ich erkenne das Gesicht,

      Das Du zu Anbeginn am Herzen trugst. Ich stehe nebst zur Seite

      Und Wache halt ich,

      Adler Echo, über Dich,

      Der Du den Aufbruch wagst ins Eigne.

      Setzung

      Engel und Affen sind eitel.

      Der beliebige Raum ist Kirche.

      Du bist unschuldig.

      Gnade und Ungnade ist Rauschgift.

      Vielleicht ist ein Seufzen.

      Du bist eine Anzahl von Engeln und Affen.

      Den Einlass bringt nicht Sehnsucht noch Gewalt.

      Jedweder Angriff trifft ins Leere,

      Da dort der wahre Widerstand

      Den Aufenthalt verschweigt.

      Ungezählte Deine Namen

      Ohne Kleider und Erbarmen ohne Andacht, ohne Ohnmacht,

      Nur ein klaglos offen Obdach,

      Eine Klippe überm Meer und ein Moor, das naht.

      Gut ist, wenn Du nackt und schweigsam,

      Täglich bei dem Hochzeitsmahle mein Gesicht vergessen hast

      Und Dich wundert, wer sie ist, die an Deiner Seite isst.

      Tausche mein Gesicht. Ich bleibe.

      Mach die Tür zu. Ich bin hier.

      Schneide meine Haut. Ich weine.

      Trotzdem bin ich, trotzdem hier.

      Der Verdacht, dass ich Dich brauche, endet,

      Wenn Du siehst,

      Wie ich Dein Gesicht beweine.

      Wenn Du nicht mehr bist.

      Deine Hand, die halt ich heute, morgen auch und gestern nicht.

      Und der Lohn, den ich erschleiche, ist nur Dein Gesicht.

      Deine Kinder nenn ich Bäume, Gräser, Milch und Stadt

      Und das eine oder andere wird nicht satt.

      Unser Haus ist eine Straße, die zum Grab uns führt.

      An den Rändern lauter Leiber, die wir nicht berührt.

      Und im Grab, da leg ich meinen Arm um Dich, denn erst dort,

      So nackt und schweigsam fliehst Du nicht.

      Lied vom Selbstmitleid

      Fällt der Tag so auf mich nieder

      Ohne Gnade aufs Gefieder

      Schlägt mich nieder

      Schlägt mich wieder

      Ohne Gnade aufs Gefieder

      Ich erlahme ich ersticke ich verende ich verrecke

      Ich ersaufe ich verlaufe mich in meinen Zimmerecken

      Kommt denn niemand mich zu wecken

      Mich aus meinem Schlaf zu schrecken

      So zu enden ist doch schrecklich

      So zu enden mich zu schrecken

      Mich aus meinem Schlaf zu wecken

      Leider muss ich immer weiter leider find ich keine Ruh

      Leider geht es immer weiter leider steht die Ruhe mir nicht zu

      Und ich stehe wacklig steh ich und vergehe so im Stehen

      Immer tiefer immer weiter immer nur hinab die Leiter

      Grabe Wurzeln in die Erde grabe mir mein eigen Grab

      Abgang

      Wieder auf Wieder

      Den Schädel an den Wolken sich stoßen

      Und Fall auf Fall nicht Trauer tragen

      Denn Schritt auf Schritt drängt es mich zu denen

      Die zu leuchten wissen

      Wie die Heiligkeit

      Erhalten dessen was ich vor dem Wissen gewusst

      Wie klaglos weil kein Schmerz mehr trügt

      Den Ort nicht mehr verlassen

      Wo das Meer sich öffnet meinwärts

      Dem Tod

      Ein

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