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      Sylvia Kabus

      Verschwunden

      Kindesfortnahme. Heimerziehung. Tagebuch einer Recherche

      Sax-Verlag

      Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

      Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie, detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar.

      ISBN 978-3-86729-232-0

      1. Auflage 2019

      Alle Rechte vorbehalten

      © Sax-Verlag, Beucha · Markkleeberg, 2019

      Layout/Umschlaggestaltung: Sax-Verlag, Markkleeberg

      www.sax-verlag.de

      Inhalt

       Vorbemerkung

       Herr K.

       Barrieren. Neurasthenie

       Frau S.

       Hinter Glas. Lachen

       Ein unmöglicher Zustand aber ist eingetreten

       Frau S.

       Brückenbauer

       Ins Heim

       Bundesjugendplan und Heimkampagne

       Verspielter Neuanfang

       Die Sekunde ist um

       Ehrenamt Denunziation

       Lob der Entmutigung

       Lesen in Ost und West

       Frau S.

       In der Wissenschafts-Schmiede

       Subjektive Geschichten

       Das war der Hass

       Der Ort der Werte

       Sommerglück. Jugendball und westdeutsche Freunde

       Herr K., Frau S.

       Perpetuation

       Die Tochter

       Sieben hoch sieben hoch sieben

       Nach-Ruf

       Abkürzungsverzeichnis

       Danksagung

       Zur Autorin

       Anmerkungen

      Vorbemerkung

      Die Gewalt ist dabei nicht verschwunden, wohl aber hat sich die Vorstellung verbreitet, dies sei geschehen.

      Teresa Koloma Beck

      Die Geschichte der aus vorgeblich sozialen Gründen den Eltern entzogenen, in Heime eingewiesenen und adoptierten Kinder bleibt das am zögerndsten berührte Thema innerhalb der DDR-Aufarbeitung. Auch mit zeitlichem Abstand können Geschädigte nicht damit rechnen, vorurteilslos und mit angemessener Sensibilität ausstehende Gerechtigkeit zu erlangen. Schicksale sind seit 1989 bekannt geworden und haben Erschütterung ausgelöst, anders die Intimität des damaligen Staates. Amtliche Pflichtverletzungen und Vergehen, fälschliche Bezichtigung der »Asozialität«, Strategien der Überwältigung im Umgang mit den leiblichen Eltern, Erpressung zu Unterschriftsleistungen – bei Fallanfragen in Archiven und Behörden ruft der Themenkomplex schnell Zurückweisung und vielgestaltige Verweigerung hervor. Der individuelle Hergang des Kindesentzugs damals und der Blick auf Verantwortliche bleiben weiße Flecken in der Geschichtsschreibung.

      Ein toter Punkt ist zu überwinden. Von dieser Bemühung berichtet das vorliegende Buch. Es entstand auf der Grundlage einer mehrjährigen Recherche. Begonnen als Bericht über Eltern, die durch die Fortnahme ihres Kindes in der DDR verwaisten, und als Suche nach unerschlossenen Aktenquellen zu diesem Thema – hierin auch der Hoffnung des Berichtes »Aufarbeitung der Heimerziehung in der DDR« folgend –, konturierte sich durch direktes Herantreten an damals wie auch an heute Verantwortliche unabweisbar ein weiterer Aspekt. Bekanntlich scheitern Anträge auf Einsicht in Adoptions-, aber auch in bestimmte Verwaltungsakten zumeist bereits im Moment des Bemühens darum. Publizisten und Wissenschaftler aus Ost und West sind dadurch gleichermaßen an ihren Nachforschungen gehindert; spätestens hier wird das Fehlen einer nicht zu ersetzenden Dimension von Aufarbeitung und buchstäblicher Aufgeschlossenheit bemerkbar, wie sie nach 1989, in einem »neuen« Deutschland, erwartet werden durfte. Gewalt wohnte mitten im Licht, wird aber bis heute nivelliert, herumgestoßen, ignoriert. Allzu oft – in Behörde, Wissenschaft und Politik – wird mit dem Verweis auf DDR-Gesetzeslagen Auseinandersetzung geopfert. Beklemmende Übervorsicht führt zur gegenseitigen Blockierung gesellschaftlicher Kräfte. Personalkontinuitäten und fehlender gesellschaftlicher Diskurs über Recht und Rechtsmissbrauch in Unrechtssystemen erzeugen ein Maß von Abwehr gegen Aufklärung, das einer Demokratie unangemessen erscheint. Dies erwies sich bei unternommenen Rechercheschritten in Ost und West.

      Das Trauma DDR ist Erbe und Leid eines ganzen Volkes und nicht zu trennen vom anderen Deutschland, dessen Entwicklung auf dem Gebiet der Jugendhilfe, neben zahlreichen anderen Facetten, hier ebenfalls Aufmerksamkeit geschenkt wird. Den lange getrennten Landesteilen gemeinsam sind Wurzeln einer partiell dunklen Pädagogik, aus denen sich die heute geltende Priorität der Achtung vor dem Kind und seinem Wohl entwickelte. Dabei wand sich die Geschichte der Anerkennung von Vergehen und rechtsverletzender Machtausübung unter anderem in deutschen Heimen atemstockend langsam durch die Jahre, in der Bundesrepublik bis in die Siebzigerjahre, östlich davon bis nach Systemende. Das Thema Zwangsadoption erregte die Bundesrepublik dank der Freiheit der Medien, ohne dass dies zu einem politisch entschlossenen Einsatz der Regierung dagegen führte.

      Durch komplexe gesellschaftliche Verdrängung scheinen manche historischen Gegenstände und menschlichen Geschichten von selbst einen Abschluss zu finden, der in aller Unnatürlichkeit natürlich anmutet. Moderne Gesellschaften, so schreibt Teresa Koloma Beck 2017, scheinen

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