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nicht los, sie grübelte weiter. »Aber die Verantwortlichkeit bleibt natürlich auf der Strecke. Wenn es ererbt ist, dass ich sündigen muss, bin ich diesem Schicksal ausgeliefert. Hoffentlich weiß das niemand, sonst sperren wir die Bösen gar nicht mehr ein – weil wir nicht bestrafen können, wen keine Schuld trifft.« Bekümmert schüttelte sie den Kopf, entschied, diesen Punkt bestenfalls im Gespräch mit Gustav zu vertiefen.

      Wenig später drückte Greta das Tor zu Hanssons Grundstück auf.

      Alles still. Vielleicht, überlegte die alte Frau, ist ja nicht der Hof, sondern nur das Haus gesichert. Hinter den Fenstern brannte kein Licht. Sie schlich zur Tür. Kein Geräusch.

      So viel also zu Jürgs Gerede! Hochsicherheitsgefängnis! Pah!

      Ein Blick zum Stall – nur die Notbeleuchtung. Dort war er also auch nicht.

      Vielleicht ist er mit den Hunden unterwegs, überlegte sie, die brauchen bestimmt Auslauf.

      Solch große, lebenslustige Tiere wie seine nahmen es sicher übel, den ganzen Tag eingesperrt zu sein.

      Sie beschloss, ihm eine Nachricht zu hinterlassen.

      »Hallo Hans, sei auf der Hut. Arne war nicht das einzige, nur das erste Opfer! Ich bin sicher, du bist der Nächste, der sterben muss!«

      Dann machte sie sich auf den Heimweg.

      Erst als sie mit Gustav auf der Couch saß, mit der Dohle ein bisschen Gemüse und Obst teilte, fiel ihr ein, dass sie die Nachricht besser unterschrieben hätte. So klang der Text ja im Grunde wie ein Drohbrief.

      »Oje, Gustav, da habe ich wohl einen Fehler gemacht. Der arme Hans wird annehmen, der Mörder sei schon bei seinem Haus gewesen und habe ihn bloß um Haaresbreite verpasst. Das werde ich gleich morgen in Ordnung bringen müssen!«

      Gustav knabberte am Ohr der alten Frau, zwickte gelegentlich auch ein bisschen unsanft. Heute war es Greta egal.

      8

      Magda Lundquist saß auf dem Sofa im Wohnzimmer und träumte.

      Das Leben der kleinen Familie hatte sich nach dem Einzug des Hundes, den Lisa und sie ertrotzt hatten, deutlich verändert. Der Kleine war ein wahrer Wildfang, immer für eine Überraschung gut, noch immer unwiderstehlich süß und er hatte die von Sven befürchtete Doggengröße nicht erreicht. Sie schmunzelte, während ihre Hand über sein seidiges Fell strich. Besonders Lisa hatte unglaublich von dem Tier profitiert.

      Sie traute sich plötzlich, Menschen anzusprechen, hatte ihre Scheu vor Fremden abgelegt, kam leicht ins Gespräch mit Gleichaltrigen. Ein Hund als Kontaktanbahner. Wie wunderbar einfach das jetzt plötzlich ging. Und Lisa blühte auf. Mit dem Hund an ihrer Seite fühlte sie sich sicher.

      Mit der Lisa, die nach dem Tod der Mutter verschreckt und unsicher geworden war, hatte das Mädchen nicht mehr viel gemein. Magda seufzte glücklich, kraulte den Hundling zwischen den Ohren, wurde mit einem zufriedenen Grunzen belohnt.

      Das Telefon störte die Gemütlichkeit.

      Zwei spitze Ohren drehten sich aufgeregt hin und her, große Knopfaugen sahen sie an.

      »Ist schon gut. Kein Grund zur Sorge. Der Herr des Hauses ruft an.«

      Mit einem lauten Seufzer legte der Kleine den Kopf wieder in Magdas Schoß zurück, als habe er ihre Worte verstanden.

      »Wir haben einen neuen Fall. In Hummelgaard wurde der Pfarrer ermordet. Ich werde es nicht so bald nach Hause schaffen.«

      »Oh, das ist wirklich schade. Wir haben es nämlich sehr gemütlich hier. Trocken, warm und kuschlig«, kicherte Magda. »Lisa kommt sicher auch gleich. Sie ist noch schnell zu deiner Mutter rübergelaufen, bringt ihr die Einkäufe vorbei, die wir für sie erledigt haben.«

      »Wir haben es da nicht so angenehm. Im Unwetter standen wir neben einer Leiche. Inzwischen sind wir weitgehend getrocknet, aber eben nur unvollständig.«

      »Jammern hilft nicht«, erklärte die Ehefrau nüchtern. »Du hast bestimmt irgendetwas falsch verstanden. Pfarrer werden nicht ermordet. Sie sind allseits beliebt und sterben hochbetagt eines natürlichen Todes!«

      »Nun, wenn man jemandem einen geeigneten Gegenstand ins Herz stößt, stirbt er natürlich. Ob hochbetagt oder nicht«, räumte Lundquist ein.

      »Hm. Lösen Pfarrersfamilien interne Konflikte nicht eher gewaltfrei?«

      »Vielleicht ist es gar kein innerfamiliärer Konflikt gewesen, der zu seinem Tod geführt hat! Typisch. Du denkst natürlich gleich wieder an die mordende Ehefrau. Ist doch seltsam, dass ihr von eurem Geschlecht immer nur das Schlimmste annehmt«, ging er auf ihren leichten Konversationston ein, wurde dann aber wieder ernst. »Wir wissen noch nicht, wo wir den Täter suchen müssen. Bisher habe ich den Eindruck, größtenteils angelogen worden zu sein. Die einen erzählen uns, der Pfarrer gehörte zu den Guten, war vertrauenswürdig. Die anderen sind gar nicht gut auf ihn zu sprechen. Einige meinen gar, es wurde Zeit, dass ihn jemand aus dem Weg geräumt hat. In den Nachrichten bringen sie ganz bestimmt schon etwas über den Mord.«

      »Du Ärmster. Ich bereite dir was Mikrowellentaugliches zum Essen vor. Dann kannst du es dir noch schnell heiß machen, wenn du nach Hause kommst.« Das Bedauern in ihrer Stimme tat ihm gut. Sie vermisste ihn. »Klingt nach einer schlaflosen Nacht für euch. Alles etwas komplizierter?«

      »Bisher stochern wir nur. Aber: Verlass dich nicht darauf, dass der Platz neben dir frei bleibt! Und: Der Hund schläft nicht in meinem Bett!«, mahnte Sven und schickte zwei Küsse durch die Leitung. Für jede seiner Frauen einen. Der Fellträger ging leer aus.

      Lars warf seinem Freund einen forschenden Blick zu.

      »Und jetzt?«

      »Clemens nannte uns den Namen Solveigh und auch Astrid erwähnte diese Frau vorhin. Vielleicht fahren wir bei ihr vorbei und erkundigen uns nach ihrem Verhältnis zu Arne. Clemens beschrieb sie als Künstlerin mit Macken. Eine schwierige Persönlichkeit. Möglicherweise kam der Pfarrer mit Menschen, die nicht der gängigen Norm entsprechen, besser aus als mit den übrigen Gemeindemitgliedern. Und immerhin kannte sie Arne näher.«

      »Solveigh Lind. Die Künstlerin mit Ausstellungen hier in der Gegend. Gut, na dann.«

      Lars wirkte gereizt.

      Sven konnte im Schein der Straßenbeleuchtung erkennen, dass seine Kiefer mahlten. Wahrscheinlich war Gitte nicht begeistert davon gewesen, den Abend mit dem Nachwuchs allein verbringen zu müssen. Magda reagierte auch nicht immer verständnisvoll.

      »Ärger?«

      »Du nicht?«, fauchte Lars zurück.

      »Diesmal nicht. Bei dir?«

      »Jede Menge. Gitte war so unglaublich sauer. Sie war für heute mit einer Freundin verabredet. Die beiden wollten Party machen und ich sollte auf den Kleinen aufpassen. Eine ehemalige Klassenkameradin von ihr, die inzwischen in den USA verheiratet ist. Sie waren wohl früher beste Freundinnen. Harriets Mann ist wegen eines Kongresses in München, da wollte sie die Chance nutzen, und ihre alten Freunde sehen. Gut, das ist nun gecancelt. Aber diese Freundin, Harriet Cloney, ist nur heute in der Stadt, morgen bricht sie früh nach München auf, trifft sich mit ihrem Mann. Von dort aus fliegt das wiedervereinte Paar dann in Urlaub. Dieser Zwischenstopp in Göteborg fand überhaupt nur statt, weil sie Gitte zu ihrem Geburtstag treffen wollte. Harriet wird dreißig. Nun gibt es ein ruhiges Glas Wein, damit der Kleine nicht aufwacht, und ein paar Häppchen bei uns, danach wird Harriet allein die anderen Freunde treffen, Gitte ist außen vor. Harriet ist gekommen, um zu feiern und das zieht sie auch durch. Du weißt schon: Dreißig, die magische Grenze. Kurz vor dem Eintritt ins Greisenalter. Entsprechend groß ist der Ärger!«

      »Mist! Du könntest nach Hause fahren und ich mache hier allein weiter. Es ist besser, sowas schnell zu glätten. Bei Frauen brennt sich eine Enttäuschung manchmal regelrecht ein.«

      »Nein.«

      Schweigen.

      »Dort ist es!« Lundquist zeigte auf einen kleinen

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