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waren. Der Maler schlug ihnen vor, sie in das Vivarium von Užupis zu deportieren, aber die Jungen boten ein so hohes Lösegeld an, dass sich der alte Maestro erweichen ließ und einen von ihnen probeweise auf freien Fuß setzte: »Wenn der hier nach einer Stunde zurückkommt, dann lasse ich alle frei!«

      Der Knabe kehrte nach einer Viertelstunde mit der Schweizer Uhr seines Vaters zurück, »Papa hat sechs Stück, der merkt das gar nicht«, mit einer Schachtel Zigarren, einem Päckchen Darjeelingtee von den Hängen des Himalaja und einem Mobiltelefon, das ich bekam, weil Golosačius keine Tasten drücken konnte. Als wir sie freiließen, flüsterte der Maestro: »Hoffentlich machen sie sich noch möglichst oft über deinen Mohn her!«

      Ich warf dem Maler einen finsteren Blick zu, bot ihm aber an, die Nüsse und den Kognak von Pietaris zu probieren. Auch Zepas Išganytojas kam angetorkelt, als er den Schnaps witterte, und wir tranken schweigend und gemächlich. Es schien, als sei alles gesagt, die heilige Nachtruhe senkte sich herab, und schon fiel mir der Kopf auf die Brust, als plötzlich das Heulen einer Sirene ertönte.

      Wahrscheinlich wieder ein Luftangriff, schoss es mir durch den Kopf, aber als wir alle auf die Straße stürzten, zeigte sich, dass dem nicht so war: Vielmehr verkündete eine gnadenlose Alarmanlage, dass ein Autodieb versucht hatte zuzuschlagen. Dieser machte so viel Lärm, dass er fast das Heulen der Sirene übertönte, und kurz darauf erschien Milošas mit seinem Sondereinsatzkommando. Es stellte sich heraus, dass kein anderer als der tobsüchtige Färinger Hesekiel, der Schwiegersohn von Zepas, versucht hatte, die alte Rostlaube zu stehlen! Wo hatte er bloß seinen Verstand gelassen? Gerade frisch angekommen hatte er sich bei seinen Schwiegereltern noch nicht einmal richtig die Füße gewärmt, und schon, schwuppdiwupp, saß er fest!

      Aus den moosbewachsenen Holzhäusern von Žvėrynas tauchten verschlafene Frauen auf, die einen in Spitzennachthemden oder im Negligee, die anderen mit Büßerhemden oder nur mit eilig übergeworfenen Tüchern, und auch ein paar Männer in Unterhosen mischten sich unter die Schaulustigen. Alle wollten mit eigenen Augen einen Blick auf einen Autodieb erhaschen, schließlich war den meisten von ihnen bereits das Auto gestohlen worden, und trotzdem hatten sie noch nie einen lebenden Dieb gesehen. Niemand hatte deshalb Mitleid mit Hesekiel, höchstens die sehr gottesfürchtigen unter den Frauen. »Das geschieht dir recht, Hesi!«, verkündete sein Schwiegervater Zepas Išganytojas so laut, dass es alle hörten. »Jetzt bist du geliefert.«

      Hesi fluchte auf Färöisch, Russisch und Polnisch, aber Milošas gab dem Dieb einen solchen Schlag auf seinen nach Fisch stinkenden Mund, dass er ihn sofort wieder schloss. Alle ergingen sich in Lobsprüchen für den Kapitän.

      Nachdem Hesekiel nach Lukiškės abtransportiert worden war, stellte sich heraus, dass bei dem alten Ford alle vier Räder sowie Motor und Steuerrad fehlten und von all seinen Organen nur noch die Alarmanlage funktionierte: Hesi war einem Autogespenst auf den Leim gegangen!

      »Ich verstehe trotzdem nicht, warum er das gemacht hat«, sagte der alte Karäer aus der Poškos gatvė. »Jetzt bekommt er zwei Jahre aufgebrummt. Mindestens!«

      Ich zog mit dem Karäer und mit Golosačius ins »Ambasada«, das soeben aufgemacht hatte, um den Kognak des Poeten Pietaris alle zu machen, und wir bewirteten damit auch die Nutte »Lokomotive GT«, die uns als Gegenleistung ihre Atlashöschen und ihren gelben Gewerbeschein zeigte, den einzigen in ganz Žvėrynas. Der Karäer und Golosačius zankten sich um sie, während ich hinüber zu einer Bank ging, um ein paar Worte mit Maironis zu wechseln, der gerade wieder herangesegelt kam. Er meinte: »Ach, im Jenseits erwartet einen nichts Gutes, mein Freund, die Riesen schnarchen immer noch! Und was passiert zurzeit in unserem geliebten Litauen?« Sein Kahn schwebte auf Federwölkchen dahin. Der Vierwaldstätter See glitt in alle vier Himmelsrichtungen davon, und das Drama ging seinem Ende zu …

      Als ich auf meiner Bank erwachte, sah ich im Dachbodenfenster Terezija. Sie lächelte immer noch und war schon dabei, sich die Zähne zu putzen, ihre Haare zu waschen, Kaffee aufzubrühen und mit einem Psychiater zu telefonieren, da einige Dinge bei ihrem Mann, also bei mir, ganz und gar nicht schlecht stünden: Mein Harn sei hell, ich hätte optimistische Halluzinationen, und die Peristaltik sei befriedigend. Ich hörte im Halbschlaf ihre unzusammenhängenden Sätze, hatte aber nicht die Absicht, mich einzumischen. »Willst du Kaffee?«, rief Terezija durch das Fenster. »Mit oder ohne Zucker?«

      Was hatte ich jetzt für eine Lust auf Kaffee! Mit Zucker, Sahne, Milch, Zitrone, Eis und Nüssen! Wir tranken den Kaffee in der Mansarde. Ein klarer Morgen zog herauf. Terezija lächelte, erzählte mir aber diesmal nicht, was sie geträumt hatte. Auf ihren Händen hockten kleine Vögelchen, schrillten irgendetwas und flogen wieder davon. Während wir beim Kaffee saßen, schrillte auch noch das Telefon. Ich nahm den Hörer ab und hörte: »Du Schuft! Wenn morgen kein Bericht da ist, lasse ich dich im Keller einsperren, bist du verrottest!« Das war natürlich Wachtmeister Jagello, und ohne zu antworten legte ich den Hörer auf.

      Aber es schrillte noch einmal: »Hier spricht Professor Kalibatas aus Užupis, können Sie mich hören? Passen Sie gut auf, mein Herr! Im Keller eines Hauses in der Baltasis skersgatvis in Užupis, wo Sie in den Achtzigerjahren dieses Jahrhunderts gewohnt haben, habe ich Ihre Abhandlung über ›Glis Glis‹ gefunden, stellen Sie sich das mal vor!«

      Ich war richtig verblüfft, dass das Ding wieder aufgetaucht war, es war ein Jugendwerk von mir. »Herr Professor«, stieß ich keuchend hervor, »ich schlafe nicht, ich war nur gerade mit Maironis unterwegs, legen Sie bloß nicht auf! Wo stecken Sie gerade? Ich mache mich sofort auf den Weg!«

      Terezija sah mich voller Bedauern an, aber ich war bereits in Lelešius’ Bauernrock geschlüpft und zwängte mich in die Stiefel, schließlich war völlig ungewiss, wann ich wiederkommen würde! Vorsichtshalber flüsterte ich Terezija ein Geheimwort ins Ohr, das nur die Einwohner von Užupis verstehen. Sie steckte mir mit tränenerfüllte Augen meine Mauserpistole in die Rocktasche und murmelte: »Ich kann nicht mehr …«

      Ich schwang mich auf das Fahrrad von Zepas Išganytojas, das noch auf dem Hof stand, und pedalte mit voller Kraft in Richtung Užupis. Ein paar verirrte Kugeln pfiffen an meinen Ohren vorbei, aber Kapitän Milošas war auch diesmal schlecht im Zielen.

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