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vernahm ich in meiner Rolle als Aus- und Weiterbildnerin von Lehrpersonen und als kantonale Fachberaterin für die Fremdsprachenfächer auf der Primarstufe immer wieder Kritik am Konzept des frühen Fremdsprachenlernens: Zwei bis drei isolierte Lektionen seien zu wenig lerneffektiv, es fehle an Lernzeit, das ganzheitliche als auch spielerische Lernen gehe verloren und die formale Korrektheit stehe immer mehr im Vordergrund. Solche Stimmen liessen mich aufhorchen und machten mich nachdenklich, wie man das fremdsprachliche Lernen auf der Primarstufe optimieren könnte.

      Der konkrete Anstoss für eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Lehren und Lernen von Fremdsprachen auf der Primarstufe folgte kurze Zeit danach. Mit der Einführung des neuen Deutschschweizer Lehrplans 21 wurde eine rege Auseinandersetzung zum Thema Kompetenzorientierung entfacht. Als Weiterbildnerin für verschiedentliche Lehrplan 21 Einführungskurse für den Fachbereich Englisch setzte auch ich mich mit dieser Akzentverschiebung gründlich auseinander. Für den Fremdsprachenbereich ändert sich auf den ersten Blick diesbezüglich nicht viel, denn der Englischunterricht verstand sich bereits zuvor anwendungs- und somit kompetenzorientiert. Jedoch las ich im Lehrplan 21 mit Interesse, dass das fremdsprachliche Lernen mit «immersiven oder bilingualen Sequenzen» angereichert werden kann (vgl. D-EDK 2014 Sprachen, Didaktische Hinweise).

      Als ich schliesslich die Chance erhielt, im Rahmen der Förderung der Fachdidaktiken unterstützt durch die swissuniversities ein eignes Forschungsprojekt anzupacken, war es für mich naheliegend solche bilinguale Unterrichtssequenzen in den Fokus meiner Untersuchung zu rücken. Jedoch nicht in der bereits erlebten Umsetzungsart des Einbringens von sachfachlichen Inhalten in den Englischunterricht, sondern indem Englisch mit einem anderen Fach auf gleichberechtigte Weise fusioniert wird und dabei eine echte Verknüpfung von Sprach- und Sachlernen stattfinden sollte.

      Mit dieser Variante von CLIL ergeben sich aus meiner Sicht eine Vielzahl an Vorteilen: Einerseits entsteht mehr Lernzeit für das fremdsprachliche Lernen, ohne den Stundenplan weiter auszureizen. Zweitens erhält die Fremdsprache in diesem inhaltsorientierten Unterricht ihre genuine Funktion als Kommunikationsmittel zurück. Drittens wird die Zielsprache von den jungen Lernenden dadurch vermehrt holistisch und implizit gelernt, weil der Fokus auf das formale Sprachenlernen in den Hintergrund rückt. Schliesslich, so stelle ich mir vor, kann dank dem dualen Fokus von Sprache und Inhalt im facettenreichen CLIL-Unterricht eine breite Interesse- und Leistungsgruppe von Lernenden auf der Primarstufe angesprochen werden.

      Letzterer Punkt betreffend die Heterogenität ist für mich als Primarlehrerin mit langjähriger Erfahrung im Unterrichten von heterogenen, altersgemischten Klassen eine wichtige Prämisse. Auch wenn im CLIL-Unterricht unterschiedliche Interessen und Begabungen verschiedener Kinder dank dem Einbringen von reichhaltigen Sachthemen berücksichtigt werden können, so scheinen bilinguale Unterrichtssequenzen auf den ersten Blick das ‘Problem’ der Differenzierung zu verdoppeln. Dies weil die Fremdsprache als zusätzliche Hürde den Zugang zum inhaltlichen Lernen erschweren kann. Deshalb soll die vorliegende Untersuchung ein spezielles Augenmerk darauf richtigen, wie Schüler*innen mit unterschiedlichen Lernvoraussetzungen mit CLIL umgehen.

      Welches Sachfach sich für die Umsetzung von CLIL am besten eignet, war mir bald klar: Bildnerisches Gestalten. Das Postulat der besonderen Eignung von Kunst-/Zeichnungsunterricht als bilinguales Sachfach auf dieser Zielstufe deckt sich nicht nur mit verschiedenen empirischen Befunden (vgl. Bechler 2014; Witzigmann 2011; Rymarczyk 2003), sondern basiert auch auf meiner langjährigen Unterrichtserfahrung. Kein anderes Fach lässt so viel Raum für Kreativität, bietet eine hohe Anschaulichkeit, ist geprägt von handelndem Unterricht, lässt methodisch-didaktischen sowie inhaltlichen Freiraum, verlangt vielseitige (bild-) sprachliche Interaktionen, begünstigt das kulturelle Lernen und – last but not least – ist frei von Noten- und Leistungsdruck.

      In der Fächerfusion mit Englisch und Bildnerischem Gestalten wird somit die vorliegende Untersuchung mit Good Practice-Ansatz durchgeführt, um Gelingensbedingungen rund um die Umsetzung solcher CLIL-Module als Ergänzung zum herkömmlichen Englischunterricht auf der heterogenen Primarschulstufe in Erfahrung zu bringen. Unter dem Good Practice-Ansatz verstehe ich ein exploratives Vorgehen, mit dem Ziel eine innovative, erfolgsversprechende Unterrichtspraxis für einen spezifischen Schulkontext zu entwickeln, zu implementieren und zu erforschen. Konkret interessieren mich die folgenden drei Aspekte: (1) Inwiefern es gelingt qualitätsvolle Lernaufgaben für das duale Lernen zu entwickeln, (2) wie diese Lernangebote von den unterschiedlichen Schüler*innen im CLIL-Unterricht genutzt werden und (3) welche weiteren Chancen und Herausforderungen von allen Beteiligten bei der Implementierung dieser CLIL-Module wahrgenommen werden.

      Da eine echte Fusion von Englisch und Bildnerisches Gestalten ein zentrales Anliegen bei der Entwicklung und Umsetzung dieses CLIL-Unterrichts ist, bin ich sehr bemüht beide Fächer in ausgewogener Weise zu berücksichtigen. Aufgrund meiner Rolle als Englisch-Fachdidaktikerin kann jedoch eine etwas verstärkte Fokussierung auf fremdsprachliche Aspekte nicht ganz vermieden werden, denn insgesamt betrachte ich es auch als meine Aufgabe im Rahmen dieser Untersuchung optimierende Ansätze für das Fremdsprachenlernen auf der Primarstufe zu erforschen.

      1.2 Zielsetzung und Relevanz der Arbeit

      Wie soeben aufgezeigt, untersucht die vorliegende Arbeit die Chancen und Herausforderungen von CLIL-Modulen in der Fächerfusion Englisch und Bildnerisches Gestalten für die heterogene Primarstufe. Dabei verfolgt diese Untersuchung drei übergeordnete Ziele.

      (1) Erstens möchte die vorliegende Untersuchung eine essentielle Forschungslücke in zweierlei Hinsicht schliessen: Einerseits, indem in dieser Untersuchung ein theorie-basiertes sowie empirisch ergründetes Vorgehen für die Planung und Umsetzung von CLIL-Modulen für die Primarstufe erarbeitet wird; anderseits, indem der Forschungsfokus konsequent auf die Schüler*innen und ihr CLIL-Lernen gerichtet wird. Inwiefern mit diesen beiden Absichten ein wichtiges Forschungsdesiderat adressiert werden kann, wird nachfolgend kurz begründet.

      Zum ersteren: Der kompetenzorientierte Lehrplan 21 schlägt vor, vermehrt bilinguale Sequenzen, demnach CLIL, als Ergänzung zum Fremdsprachenunterricht durchzuführen (vgl. D-EDK 2014 Sprachen, Didaktische Hinweise). Wie solche Unterrichtseinheiten mit Primarschüler*innen mit limitierten fremdsprachlichen Kenntnissen und heterogenen Leistungsvoraussetzungen bestmöglich umgesetzt werden können, ist bislang ungeklärt. Hingegen weiss man aus verschiedenen in Deutschland durchgeführten Studien, dass sich der Zeichnungs- und Kunstunterricht besonders für den Einstieg in den CLIL-Unterricht anbietet (vgl. Bechler 2014; Witzigmann 2011; Rymarczyk 2003). Für den Schweizer Primarschulkontext wurde eine solche Ausgangslage von CLIL im Zeitalter von Kompetenz- und Aufgabenorientierung jedoch noch nicht ergründet. Deshalb ist die Erarbeitung eines didaktisch-methodischen Vorgehens für die Planung und Umsetzung von erfolgsversprechenden CLIL-Modulen für die heterogenen Primarstufe unter Berücksichtigung der im Lehrplan 21 gesteckten Ziele unerlässlich.

      Zum letzteren: Auch wenn in den letzten Jahren die Forschung im CLIL-Bereich stetig zugenommen hat, und inzwischen auch Studien vermehrt bilinguale Lernsettings auf der Primarstufte adressieren (vgl. Elsner & Kessler 2013, S. 26), fokussieren die meisten Studien immer noch auf lehrerzentrierte Unterrichtssequenzen und Klassengespräche. Dies obwohl man sich mit Blick auf den kompetenzorientierten Lehrplan einig ist, dass der Unterricht – und somit auch die unterrichtliche Forschung – sich mehr an den Lernenden beim Bearbeiten von bedeutungsvollen Aufgaben orientierten sollte (Nikula et al. 2013, S. 73). Die vorliegende Untersuchung blickt deshalb konsequent auf die Interaktionen der Schüler*innen und erforscht folglich ihre Lernhandlungen im aufgabenorientierten CLIL-Unterricht.

      Die Bearbeitung dieses Forschungsdesiderats mitsamt den daraus resultierenden Ergebnissen erlaubt es – meines Erachtens erstmalig – empirisch gestützte Aussagen über das bilinguale Lernen von Primarschüler*innen mit unterschiedlichen fremdsprachlichen Ausgangsbedingungen zu machen. Daraus lassen sich dank dem Good Practice-Ansatz konkrete Gelingensbedingungen ableiten, die aus didaktisch-methodischer Sicht aufzeigen, wie den im Lehrplan 21 geäusserten Anforderungen unter den gegebenen unterrichtlichen Bedingungen bestmöglich nachgekommen werden kann.

      (2) Als ein weiteres Ziel – und anknüpfend an obiges – soll resultierend aus diesem Dissertationsvorhaben eine praxisorientierte Handreichung entstehen, die anschaulich

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