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sich ein. Und seine braunen Augen hatten einen Ausdruck, der sie verwirrte, weil sie ihn nicht zu deuten wußte.

      Wieder klopfte es, und diesmal betrat Oliver Mahnert schwungvoll das Zimmer und marschierte ohne zu zögern auf das Bett zu. »Hallo, Schatz«, sagte er und beugte sich liebevoll über Stefanie.

      Sie wich ein wenig zurück, aber das hinderte ihn nicht daran, ihr dennoch einen Kuß auf die Wange zu drücken.

      »Oliver, das ist Dr. Winter«, stellte sie mit gepreßt klingender Stimme vor. »Herr Doktor, das ist Herr Mahnert.«

      Die beiden Männer gaben sich die Hand. Zwar war Adrian aufgefallen, daß sie nicht gesagt hatte: »Das ist mein Freund« oder »Das ist mein Verlobter« oder was sie sonst hätte sagen können – aber dieser Herr Mahnert hatte ganz unverkennbar »Hallo, Schatz« gesagt, und das war eindeutig.

      »Ich gehe dann mal«, sagte er und sah ein letztes Mal in Stefanies Veilchenaugen. Er hatte den Eindruck, als versuche sie ihm stumm etwas zu sagen, aber vermutlich bildete er sich das nur ein. Er verließ das Zimmer und gleich darauf auch die Klinik.

      Warum hatte er auch unbedingt an seinem zweiten Urlaubstag hierherkommen müssen? Jetzt wußte er es jedenfalls ganz sicher, daß es in Stefanie Wagners Leben einen Mann gab, der das Recht hatte, sie »Schatz« zu nennen. Er selbst hätte sich jedenfalls einen originelleren Kosenamen für sie einfallen lassen, dachte er grimmig.

      Es war bedauerlich, daß Dr. Adrian Winter nicht hören konnte, was Stefanie Wagner in genau diesem Augenblick zu Oliver Mahnert sagte. Es hätte seine Laune sofort entscheidend gehoben. Sie sagte nämlich: »Wenn du noch ein einziges Mal Schatz zu mir sagst, Oliver, dann sehen wir uns nie wieder! Ich bin nicht dein Schatz, begreif das endlich!«

      Aber, wie schon gesagt, das hörte Adrian Winter leider nicht. Und deshalb hatte er den ganzen Tag schlechte Laune.

      Danach wurde Dr. Winter während seines Urlaubs nicht mehr in der Klinik gesehen. Als er nach einer Woche an seinen Arbeitsplatz zurückkehrte, war Stefanie Wagner längst entlassen, dem kleinen Pablo ging es bedeutend besser, und die Orthopäden waren mit der Heilung des Beins von Paul Lüttringhaus außerordentlich zufrieden. Die Chancen wurden von Tag zu Tag besser, daß er wieder ohne jegliche Beschwerden würde laufen können.

      Adrian ging von Zeit zu Zeit bei ihm vorbei, und einmal sah er, wie Lisa Baumann das Zimmer gerade verließ. Das wunderte ihn, aber er dachte sich weiter nichts dabei. Die beiden hatten wegen des Unfalls ja eine ganze Menge zu klären. Auch Pablo besuchte er regelmäßig, und der Junge lernte in dieser Zeit viele deutsche Wörter. Als er schließlich entlassen wurde, war Adrian fast ein wenig traurig.

      »Na?« fragte Julia Martensen, als sie sein Gesicht sah. »Weltschmerz oder Liebeskummer?«

      »Wahrscheinlich beides«, erwiderte er und wunderte sich selbst am meisten über diese Antwort.

      *

      Pablo stand ein schwerer Gang bevor. Lisa hatte ihm erklärt, daß er unbedingt mit ihr zu dem Mann gehen müsse, der bei dem Unfall so schwer am Bein verletzt worden war. Pablo fand auch, daß er sich entschuldigen sollte, aber er fürchtete sich sehr vor diesem Zusammentreffen. Ein kleiner Trost war immerhin, daß nicht nur Lisa ihn begleiten würde, sondern daß auch Alexander mitkommen wollte.

      Pablo wußte nicht, daß Lisas Herz bis zum Hals schlug, als sie sich auf den Weg machten. Sie hatte in den letzten Wochen noch mehrfach einen Vorwand gefunden, um Paul Lüttringhaus zu besuchen, aber noch immer gab sie nicht einmal vor sich selbst zu, wie gut er ihr gefiel. Sie redete sich ein, daß es nur ihr schlechtes Gewissen war, daß sie zu diesen Besuchen veranlaßt hatte.

      »So!« sagte sie und holte ganz tief Luft. »Da sind wir.«

      Schüchtern betraten die Kinder hinter ihr das Zimmer. Pablo riskierte einen Blick auf den Mann, der dort im Bett lag und ihnen aufmerksam entgegensah. Es war seine Schuld, daß der Mann hier lag, das wußte Pablo – und er würde nie wieder bei einer roten Ampel einfach weiterfahren, das hatte er nicht nur Lisa, sondern auch sich selbst versprochen. Aber würde der Mann ihm glauben?

      »Guten Tag, Herr Lüttringhaus«, grüßte Lisa und gab ihm die Hand, die er einige Sekunden zu lange festhielt, während er sie strahlend anlächelte. »Dies sind Pablo und Alexander. Sie können sich sicher denken, warum wir heute zu Ihnen kommen.«

      Der Mann richtete seine schwarzen Augen auf Pablo, und dieser hätte am liebsten zu Boden gestarrt, aber das hätte feige ausgesehen, also blickte er dem Mann tapfer in die Augen. Und dabei entdeckte er zu seiner größten Überraschung, daß der Mann freundlich aussah. Und nun begrüßte er ihn auch noch in seiner Heimatsprache!

      »Du bist also Pablo«, sagte Paul Lüttringhaus auf spanisch und dankte im Geiste seiner Mutter, die ihn ermuntert hatte, diese Sprache zu lernen.

      »Ja«, antwortete Pablo, und seine Stimme war so leise, daß sie kaum zu verstehen war.

      »Du mußt keine Angst haben, Pablo«, fuhr Paul mit sanfter Stimme fort. »Ich war sehr wütend auf dich am Anfang, das kannst du dir ja bestimmt vorstellen.«

      Pablo nickte schüchtern, und dann sagte er: »Ich mach’s bestimmt nie wieder, ehrlich nicht. Ich versprech’s. Ich wollte doch bloß einmal ausprobieren, wie das ist, wenn man auf der Straße fährt.«

      Er streckte Paul die Hand hin und sagte: »Entschuldigung!« Und das wiederholte er gleich noch einmal auf deutsch. Er hatte dieses schwierige Wort extra mit Alexander geübt.

      Paul lachte, aber er war auch gerührt. »Entschuldigung angenommen«, sagte er.

      Pablo war zutiefst erleichtert und strahlte.

      »Und du bist also Alexander«, stellte Paul fest. »Ihr seid wohl dicke Freunde, Pablo und du, was?«

      Der Junge nickte. »O ja!« Doch dann machte er ein trauriges Gesicht. »Aber Pablo muß bald wieder zurück. Seine Ferien sind nächste Woche zu Ende«, sagte er.

      »Aber wir laden ihn wieder ein«, warf Lisa schnell dazwischen. Bloß keine Tränen jetzt!

      »Können wir ein bißchen rumlaufen hier?« fragte Alexander. »Dann könnt ihr euch noch ein bißchen unterhalten.«

      Lisa nickte, und weg waren sie.

      »Nette Jungs sind das«, sagte Paul leise. »Sehr nette Jungs, beide.«

      »Ja«, sagte sie, »und ich darf gar nicht daran denken, daß Pablos Zeit hier bald vorbei ist.«

      Sie sah so verloren aus in diesem Augenblick, daß Paul nur den Wunsch hatte, sie in die Arme zu nehmen und zu trösten. Und so überlegte er nicht lange, sondern zog sie zu sich heran. Und im nächsten Augenblick küßte er sie. Er war selbst überrascht und fragte sich, woher er den Mut genommen hatte, das zu tun. Noch überraschter aber war er darüber, daß sie keine Anstalten machte, sich zu wehren.

      »Lisa!« sagte er leise. »Davon träume ich schon, seit ich dich zum ersten Mal gesehen habe.«

      »Beim ersten Mal hast du das aber gut verborgen«, sagte sie und lachte.

      »Stimmt«, gab er reumütig zu. »Wirst du mir jemals verzeihen, wie ich mich da verhalten habe?«

      Sie rückte ein wenig von ihm ab, um ihm besser in die Augen sehen zu können. »Vielleicht, wenn du dir große Mühe gibst!«

      »Willst du mich heiraten?«

      Nun wurden ihre Augen groß. »Bist du verrückt geworden, Paul? Wir kennen uns doch kaum. Außerdem habe ich einen Sohn…«

      »Vielleicht zwei«, meinte er. »Hast du mir nicht erzählt, daß Pablos Eltern beide tot sind?«

      Sie hielt den Atem an. »Sag mal, Paul Lüttringhaus, das klingt so, als hättest du dir das alles schon genauestens überlegt.«

      »Hab’ ich auch«, antwortete er lachend. »Ich war bloß nicht sicher, ob du ja sagen würdest.«

      »Ach, und jetzt bist du sicher?«

      »Um

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