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Kinderärztin Dr. Martens Staffel 3 – Arztroman. Britta Frey
Читать онлайн.Название Kinderärztin Dr. Martens Staffel 3 – Arztroman
Год выпуска 0
isbn 9783740977788
Автор произведения Britta Frey
Жанр Языкознание
Серия Kinderärztin Dr. Martens
Издательство Bookwire
»Ach, das ist doch der Sohn von diesem – Strafvollzugsbeamten – so nennt man das ja wohl heutzutage. Er ist ein Gefängnisaufseher, wie es früher immer hieß. Und das sieht man ihm meiner Ansicht nach überdeutlich an. Dem traut man ohne weiteres zu, daß er eine eventuelle Gefängnisrevolte ganz allein niederschlagen könnte.«
»Herr Markmann ist ein ganz besonders besorgter Vater und ein liebevoller noch dazu«, widersprach Hanna, und diesmal klang ihre Stimme ein wenig schärfer als gewöhnlich. Aber das schien absolut keinen Eindruck auf Grete Vollmers zu machen.
Sie stand auf und strich sich über den mausgrauen Rock, den sie zu einem dunkelgrünen Blazer mit Goldknöpfen trug.
»Ich weiß nicht, ob es eine besonders glückliche Lösung war, Florian zu diesem Jörg zu legen. Das Kind eines Gefangenenwärters kann unmöglich der richtige Umgang für Florian sein.«
»Da muß ich Ihnen entschieden widersprechen, Frau Vollmers. Jörg und Florian sind ein Herz und eine Seele, wie man so schön sagt.«
»Warten Sie’s nur ab, Frau Doktor! Wenn das Ei platzt, dann fängt es aber ganz gewaltig an zu stinken. Aber das ist dann nicht mehr meine Sache. Florian muß in ein Heim, damit er Zucht und Ordnung lernt und auch, sich in die Gemeinschaft einzufügen.«
Hanna öffnete die Tür und ließ Grete Vollmers an sich vorübergehen. Mordgelüste entstanden in ihr. Sie hätte Grete Vollmers nur zu gern den Hals umgedreht…
*
Florian und Jörg saßen in ihrem Zimmer beisammen und spielten mit Domino-Steinen, als Hanna mit Grete Vollmers eintrat. Florians Gesicht, eben noch fröhlich und unbeschwert, verschloß sich augenblicklich. Der Wechsel auf seinem Gesicht war so offensichtlich, daß auch Hanna erstaunt aufschaute. Aber sie sagte nichts, hielt sich zurück und beschränkte sich aufs Beobachten.
Grete reichte Florian die Hand, die er nur zögernd und ganz offensichtlich auch recht widerstrebend nahm und sofort wieder losließ.
»Ich habe gehört, daß es dir schlecht geht, Florian«, sagte Grete Vollmers kühl und zurückhaltend. »Aber ich sehe, daß es dir so schlecht gar nicht gehen kann, denn du spielst doch schon wieder, hm?«
»Aber es ging ihm pottschlecht«, verteidigte Jörg den Freund. »Ich habe gesehen, wie sie ihn gebracht haben. Und da war er ganz weiß im Gesicht.«
Grete sah ablehnend auf Jörg, der sie wütend anschaute.
»Du, mein Sohn, hältst dich gefälligst da raus, verstanden? Kinder sollen sich nicht in Dinge einmischen, von denen sie keine Ahnung haben.«
Jörg starrte Grete Vollmers erst perplex an. Und dann lachte er los. Er lachte so sehr, daß er einen ganz roten Kopf bekam und aus dem Zimmer rannte. Man hörte ihn noch auf dem Flur lachen.
Grete Vollmers warf erst Florian, dann Hanna einen ablehnenden Blick zu. Und dann sprach sie aus, was sie von Jörgs Benehmen hielt.
»Ich habe Ihnen doch gleich gesagt, daß Jörg für Florian nicht der richtige Umgang ist.«
»Ich glaube nicht, daß das hier zur Debatte steht. Wir wollen für unsere kleinen Patienten nur das Beste, Frau Vollmers. Und da Florian und Jörg sich gut miteinander verstehen und sich sehr mögen, war es richtig, sie auf ein Zimmer zu legen.«
»Und wenn ich das nicht will? Ich meine, ich bin schließlich die Tante, die für ihn sorgt. Ich finde, er sollte entweder mit anderen Kindern zusammen sein oder aber ein Einzelzimmer bekommen. Da könnte er sich dann gleich auch überlegen, ob es nicht vorteilhafter ist, wenn er ganz schnell wieder gesund wird. Für mich ist er übrigens nicht krank, denn ich habe doch selbst erlebt, daß er eben mit Jörg lachte. Am liebsten würde ich ihn gleich wieder mit heimnehmen und ihm sagen, was ich davon halte, wenn man einem eine Krankheit nur vorspielt.«
»Aber das habe ich nicht, Tante Grete, wirklich nicht«, beteuerte Florian. Er tat Hanna plötzlich leid, weil sie spürte, wie er seine Tante ablehnte und sich doch bemühte, es ihr nicht zu zeigen. Der Junge mußte unter Dauerstreß stehen. Deshalb strich sie ihm schnell über den Kopf und sagte beruhigend:
»Das glaube ich dir auch, Florian. Deine Tante meint nur, weil sie nichts sieht, das dich krank machen könnte, daß es nicht so schlimm sein kann.«
»Dann – dann brauche ich nicht nach Hause?« fragte Florian leise und warf Hanna einen flehenden Blick zu. Sie lachte und schüttelte den Kopf.
»Aber natürlich nicht. Jedenfalls nicht, bevor wir festgestellt haben, was diese Schmerzanfälle bei dir ausgelöst hat.«
»Na ja, dann will ich mal wieder gehen. Sieht ja so aus, als sei ich dir sowieso nicht willkommen, Florian. Bevor ich gehe, möchte ich dir aber noch sagen, daß ich die Leute vorn Jugendamt bitten werde, sich nach einem geeigneten Heim für dich umzusehen. Ich glaube, du brauchst eine ganz andere Erziehung als die, die ich mir vorgestellt habe, als ich nach Ögela kam.«
Sie drehte sich auf dem Absatz um und verließ das Krankenzimmer, ohne sich von Hanna zu verabschieden. Florian sah Hanna still an. Und sie nahm ihn einfach in ihre Arme, weil das Leid, das in den Augen des Jungen stand, sie rührte.
»Ich habe schreckliche Angst vor dem Heim, Dr. Hanna«, flüsterte Florian. Man merkte, daß er sich sehr zusammennehmen mußte, um nicht in Tränen auszubrechen.
»So einfach kann man heutzutage auch kein Kind in ein Heim stecken, Florian.« Hanna drückte ihn fest an sich. »Heute hört man auch die Kinder dazu. Und dann kannst du sagen, was du möchtest. Aber an deiner Stelle würde ich mir keine allzu großen Sorgen machen.«
»Tut mir leid, ich mache mir aber Sorgen. Niemand hat mich lieb, Dr. Hanna. Seit Mami tat ist, war es nicht mehr schön bei uns daheim. Zuerst war Vati wenigstens noch da. Aber er war auch sehr traurig. Aber dann ist er nach Brasilien gegangen und hat eine neue Frau kennengelernt. Er hat ein kleines Mädchen. Aber mich, der ich doch zuerst dagewesen bin, hat er vergessen.«
»Florian, mein Kleiner, ich…« Hanna brach ab, weil sie nicht weiterwußte. Was sagt man einem Kind, das offensichtlich so sehr leidet und nicht weiß, wie es dieses Leid, das Einfluß auf sein ganzes Leben hat, überwinden soll? Sie war zornig und traurig zugleich. Warum denken die Erwachsenen immer nur an sich und nicht daran, was sie bei den Kindern anrichten, die sie nicht einmal zu verstehen versuchen? fragte sie sich erbittert. »Schau, Florian, manchmal tut man Kinder gar nicht ins Heim, sondern sucht so schnell wie möglich liebe, nette Pflegeeltern, zu denen man sie geben kann.«
»Pflegeeltern?« Florian sah Hanna verständnislos an. Es war ganz offensichtlich, daß er sich unter der Bezeichnung »Pflegeeltern« ganz und gar nichts vorstellen konnte.
Hanna sah ihn freundlich an und erklärte:
»Meistens handelt es sich dabei um Eltern, die keine Kinder bekommen können oder schon ein oder zwei Kinder haben und noch einem weiteren Kind eine liebevolle Heimat geben wollen.«
»Ach, wer will mich schon haben?« fragte Florian und machte einen so mutlosen Eindruck, daß Hanna ihn noch einmal fest an sich drücken mußte.
»Sei nicht so mutlos, mein Kleiner«, versuchte sie zu trösten. »Es wird auch für dich alles gut werden.«
»Muß ich bald wieder nach Hause? Sie will mich doch fortbringen, sobald ich wieder daheim bin.« Florians Lippen zitterten. Hanna schüttelte energisch den Kopf. Andere können es nicht erwarten, die Klinik verlassen zu können. Und dieses Kind hat buchstäblich Angst davor, nicht mehr hier liegen zu dürfen, dachte sie voller Zorn.
Deshalb schüttelte sie energisch den Kopf und sagte bestimmt:
»So schnell wird das alles nicht gehen, Florian. Zunächst einmal müssen wir doch die Untersuchungen abschließen, nicht wahr? Und da sind wir hier sehr genau, mußt du wissen. Das dauert schon seine Zeit. Kümmere dich also nicht weiter darum, sondern sei froh, daß Jörg bei dir liegt, mit dem du dich so gut verstehst.«