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sodass er einen Bevollmächtigten entsandte, der das Volk strafen und von ihm erhöhte Abgaben eintreiben sollte. Nach seiner Ankunft in Balkh begaben sich die Frauen mit ihren Kindern zur Erbauerin der Moschee und flehten sie an, ihnen in ihrer Lage zu helfen.

      Da ließ sie dem Emir, der die Steuern eintreiben sollte, ihr eigenes Gewand, das mit Gold und Edelsteinen bestickt war und einen höheren Wert als die Steuer hatte, schicken. Der Bote überbrachte dazu die Nachricht: »Bringe dieses Kleid dem Kalifen. Ich gebe es anstatt der Steuer für das Volk von Balkh, das so arm ist.« Der Emir reiste daraufhin zum Kalifen, legte ihm das Kleidungsstück vor und erzählte die Geschichte. Da erfasste den Herrscher der Gläubigen große Scham und er rief aus: »Soll denn eine Frau großherziger sein als wir?« Er befahl, jegliche Strafe für die Bewohner des Gebietes sofort einzustellen und keine Abgaben zu verlangen.

      Der Emir kehrte nach Balkh zurück, begab sich zur Frau des Gouverneurs und berichtete ihr, indem er das Gewand zurückgab, was der Kalif gesagt und angeordnet hatte. Da antwortete sie ihm: »Lagen die Augen des Kalifen auf diesem Kleid?« – »Ja«, erwiderte er. – »Gut«, meinte sie, »so werde ich dieses Gewand nicht mehr tragen, da auf ihm das Auge eines Mannes ruhte, der nicht mit mir verwandt ist.« Sie befahl, das Kleid zu verkaufen, und baute mit dem Erlös die Moschee, das Hospiz und eine Unterkunft für Gläubige, die heute noch bewohnt wird. Als diese Gebäude errichtet waren, stellte man fest, dass noch ein Drittel des Geldes übrig war. Sie ordnete an, diese Summe unter einer der Säulen in der Moschee zu vergraben und erst dann ans Tageslicht zu holen, wenn das Gold dringend gebraucht würde. Von dieser Geschichte hörte dann Dschingis Khan, der daraufhin alle Säulen niederreißen ließ, um an den Schatz zu gelangen. Als ein Drittel zerstört war und man nichts gefunden hatte, ließ er den Rest stehen.

      Außerhalb von Balkh liegt ein Grabmal, in dem Ukkasha Ibn Mihsan aus dem Stamm der Asad begraben ist. Er war ein Gefährte des Propheten – Gott segne ihn und schenke ihm Frieden – und kam ins Paradies, ohne auf den Tag des Gerichts warten zu müssen. Darüber befindet sich ein ausgezeichnetes Hospiz, in dem wir untergebracht waren. Am Rand eines Teiches steht ein weit ausladender Walnussbaum, in dessen Schatten man sich im Sommer erholen kann.

      Der Scheich dieser Unterkunft ist Al-Hajj Khurd, ein ehrenwerter Mann, der mit uns umherritt und uns die sehenswerten Plätze der Stadt zeigte. Dazu gehörte auch das Grabmal des Propheten Hizkil (Ezechiel) – Friede sei mit ihm –, über dem sich eine schöne Kuppel wölbt. Wir besuchten außerdem noch eine Reihe von Gräbern heiliger Männer, an die ich mich nicht mehr erinnern kann. Auch am Haus des Ibrahim Ibn Adham – Gott segne ihn – hielten wir uns auf, einem großen und sehr auffällig angelegten Gebäude aus weißen Steinen. Es wurde als Lagerhaus für das Getreide benutzt, das auf den dem Hospiz gehörenden Feldern geerntet worden war. Zu seinem Schutz war der Bau fest verriegelt, sodass wir ihn nicht betreten konnten. Er liegt in unmittelbarer Nachbarschaft der Hauptmoschee.

      Über Berge und durch Schnee

      Der elende Dschingis Khan verwüstete die Stadt und zertrümmerte ein Drittel ihrer Moscheen, weil man ihm erzählt hatte, dass unter einer Säule ein Schatz verborgen sei.

      Sieben Tage lang durchquerten wir die Berge von Quhistan, mit ihren zahlreichen Dörfern, Gebirgsflüssen, Laubbäumen, vornehmlich Feigen, und Herbergen, die von frommen Männern bewohnt werden, deren Dienste Gott, dem Allerhöchsten, gewidmet sind.

      Mit Harat (Herat) lernten wir die größte bewohnte Stadt Chorasans kennen. Sie gehört zu den vier größten des Landes, Balkh und Merw, den beiden zerstörten, und Harat und Maisabur, den bewohnten.

      Ein Ort mittlerer Größe war Al-Jam (heute Turbat-i Shah). Da hier viele Maulbeerbäume wachsen, produziert man besonders Seidenwaren. Nächste Station war Tus, eine der berühmtesten Städte von Chorasan, die Heimat des gefeierten Imams Abu Hamid al-Ghazali – Gott sei ihm gnädig! Hier befindet sich auch sein Grabmal. Dann gelangten wir nach Meshed, einer großen und bedeutenden Stadt mit Obstplantagen, Bewässerungsanlagen und Mühlen. Sie weist ein bemerkenswertes Heiligtum auf, das in einem Hospiz von einer mächtigen Kuppel überragt wird. Dazu gehören noch eine Schule und eine Moschee. Diese Gebäude sind von eleganter Konstruktion.

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       Im Vorhof eines Gartens

       (Aus der Schule von Herat, 14. Jahrhundert)

      Über dem Grabmal befindet sich eine hölzerne, mit Silberplatten ausgelegte Balustrade, über der ein silberner Kandelaber hängt. Die Türeinfassung ist ebenfalls aus reinem Silber, und darüber sieht man einen golddurchwirkten Seidenvorhang. Es handelt sich um die letzte Ruhestätte Harun ar-Raschids, des Herrschers der Gläubigen – Gott möge ihn segnen! Wenn ein Besucher vor diesem Grabmal steht, so versetzt er ihm mit dem Fuß einen Tritt und spricht ein Segensgebet für Harun ar-Raschid.

      Über Sarakhs erreichten wir Zawa, die Stadt des frommen Scheichs Qutb ed-Din Haidar, der den Haidari-Orden armer Brüder gründete. Dies sind Fakire, die in ihren Händen, Ohren und am Hals eiserne Ringe tragen. Ja, sie gehen sogar so weit, solche Ringe um ihr Geschlechtsteil schmieden zu lassen, damit sie nicht in Versuchung geraten, einen Beischlaf auszuführen.

      Unsere Reise fortsetzend, kamen wir nach Naisabur (Nishapur), eine der vier Hauptstädte Chorasans. Ihrer Schönheit, Obstanlagen, Wasserläufe und Mühlen wegen wird sie auch »Klein-Damaskus« genannt. Viele Kanäle durchqueren sie; ihre Basare sind vorzüglich ausgestattet und beeindrucken durch ihre Weiträumigkeit. Inmitten des Basars erhebt sich die wunderbare Moschee mit ihren vier Schulen. Hier erwirbt sich eine große Zahl von Studenten die Kenntnisse in der Koranlehre und in der Rechtsprechung, sodass die Schule im ganzen Land einen vorzüglichen Ruf genießt. Von Naisabur wird sehr viel Seide nach Indien ausgeführt.

      In Naisabur hatte ich mir einen jungen türkischen Sklaven gekauft. Als ihn der gelehrte und fromme Scheich Qutb ed-Din an-Naisaburi sah, warnte er mich: »Dieser Bursche ist für dich nicht passend; verkaufe ihn wieder!« – »Gut. Wenn du es meinst«, antwortete ich und verkaufte den Sklaven im Laufe der nächsten Tage an einen Händler. Als ich mich später in der Stadt Bistam aufhielt, bekam ich einen Brief von einem Freund aus Naisabur, in dem er mir mitteilte, dass dieser Sklave einen Jungen ermordet habe und nun zum Tod verurteilt und hingerichtet worden sei. Für diesen wunderbaren Hinweis bin ich dem Scheich dankbar – Gott möge es ihm lohnen!

      Über Bistam gelangte ich in die Gegend von Qundus und Baghlan mit Obstgärten und Flussläufen. Wir nahmen bei einem Scheich der armen Brüder mit Namen Shir Siyah Quartier und hielten uns vierzig Tage auf, um die Kamele und Pferde ausruhen und weiden zu lassen. Die Bevölkerung hält hier ihre Tiere ohne Hirten im Freien, da jedes Stück mit einem Brandzeichen versehen ist. Auch wir taten dies mit unseren Kamelen und Pferden. Als ich eines Nachts die Tiere überprüfen ging, vermisste ich drei Pferde. Nach zwei Wochen wurden sie wieder von Tataren in unser Lager gebracht, da sich die Diebe vor der Strafe, die dort sehr hoch ist, fürchteten. Auch zwei weitere Pferde, die man uns entwendet hatte, gelangten später wieder in unseren Besitz.

      Ein anderer Grund für unseren langen Aufenthalt war die Furcht vor großen Schneefällen. An unserem weiteren Weg liegt nämlich das Hindukusch-Gebirge. Der Name heißt so viel wie »Mörder der Inder« und wurde deshalb geprägt, weil viele Mädchen und Jungen, die man in Indien als Sklaven aufgekauft hatte, in diesen Bergen an der ihnen ungewohnt großen Kälte und in den Schneemassen umgekommen sind. Die Überquerung des Passes nimmt einen ganzen Tag in Anspruch. Wir warteten daher das Einsetzen der warmen Witterung ab und brachen dann auf. Gegen Ende der Nacht gelangten wir auf die Höhe, auf der wir einen Tag lang bis Sonnenuntergang weiterzogen. Vor den Kamelen breiteten wir Decken aus, damit sie nicht im tiefen Schnee versanken.

      In dieser Höhe trafen wir auf eine Siedlung mit Namen Andar (Andarab). In früheren Zeiten gab es hier nämlich eine Stadt, deren Spuren fast ganz verschwunden sind. Wir fanden in einer Herberge Unterkunft, die dem ehrenwerten Muhammad al-Mahrawi gehörte. Unser gegenseitiges Verhältnis war sehr gut. Wenn wir nach dem Essen unsere Hände wuschen, trank er in Hochachtung vor uns das

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