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Theoretischen Physik ist es, durch Verallgemeinerung experimenteller Erfahrungen oder durch grundsätzliche theoretische Überlegungen fundamentale Grundsätze, sogenannte Axiome, aufzustellen und deren Allgemeingültigkeit dadurch zu bestätigen, dass alle aus ihnen auf mathematischem Wege abgeleiteten speziellen Gesetzmäßigkeiten in keinem Widerspruch zu experimentell bekannten Resultaten stehen. Zum anderen ist es aber auch Aufgabe der Theoretischen Physik, aus den wenigen Axiomen auf deduktivem Wege neue Gesetze abzuleiten, die ihrerseits Anregungen für die experimentelle Forschung geben können.

      Man könnte nun daran denken, den Kurs in Theoretischer Physik mit möglichst fundamentalen Grundgleichungen, z. B. der Dirac-Gleichung der relativistischen Quantenmechanik, zu beginnen und dann die verschiedenen Grenzfälle der nichtrelativistischen Quantenmechanik, der relativistischen Mechanik und der klassischen Mechanik daraus abzuleiten. Ein solches Vorgehen scheint sicher logisch, aber ob es didaktisch geschickt wäre, ist eher unwahrscheinlich. Außerdem ist die Suche nach den Fundamentalprinzipien der Physik nicht abgeschlossen, sodass der Startpunkt eines solchen generischen Konzeptes momentan gar nicht klar definiert werden kann.

      Band I dieser Lehrbuchreihe zur Theoretischen Physik enthält die klassische Mechanik, die sich im Wesentlichen mit der Bewegung von Systemen aus punktförmigen Objekten befasst. In diesem Lehrbuch wird auch die relativistische Mechanik als Erweiterung der Newton’schen Mechanik, behandelt.

      Daran anschließen wird sich das zweite große Gebiet der klassischen Physik, die Elektrodynamik. In diesem Band wird die mathematische Beschreibung von Feldern systematisch eingeführt und auch eine kurze Darstellung der Grundzüge der relativistischen Feldtheorie gegeben. Band III enthält die Grundlagen der Quantenmechanik, in der feldtheoretische und mechanische Ideen zu einem gemeinsamen Konzept zusammengefasst werden. Mit den Kenntnissen der Theoretischen Quantenmechanik ist eine sehr erfolgreiche Beschreibung von Phänomenen auf atomaren und subatomaren Skalen verbunden, die im Rahmen der beiden großen klassischen Theorien nicht möglich war. Der vierte und letzte Band des Kurses Theoretische Physik enthält die Thermodynamik und Statistik. Hier werden Konzepte vermittelt, um Systeme mit einer großen Zahl mikroskopischer Partikel systematisch auf makroskopischen Skalen beschreiben zu können. Wir werden sehen, dass in diesem Band viele Begriffe und Ideen zusammenfließen, die in den vorhergehenden Bänden erarbeitet wurden.

      Es gibt aber auch andere, didaktische und konzeptionelle Gründe, die klassische Mechanik als Startpunkt eines allgemeinen Theoriekurses zu wählen. Dazu zählt die Tatsache, dass innerhalb der Theoretischen Mechanik wesentliche physikalische Grundgrößen geprägt werden. In der Tat stammen so generelle Begriffe wie Masse, Kraft, Impuls, Arbeit oder Energie ursprünglich aus der Mechanik.

      Des Weiteren werden im Rahmen der klassischen Mechanik viele grundlegende Prinzipien zur Konstruktion von physikalischen Bewegungsgleichungen und Methoden zu deren Lösung systematisch dargestellt. Viele dieser Techniken lassen sich später zwanglos auch auf die anderen Gebiete der Physik übertragen.

      Schließlich kommt die klassische Mechanik der intuitiven Anschauung und der alltäglichen Erfahrung oft entgegen. Insbesondere wird man für viele abstrakt erscheinende Resultate leicht eine adäquate und meist sehr einfache Erklärung auf einer rein qualitativen Stufe finden können. Der Umgang mit solchen Gedankenexperimenten und Bildern ist oft sehr hilfreich bei der Wahl geeigneter Lösungsmethoden und Darstellungen. Die Methode der vorbereitenden anschaulichen Diskussion eines Problems wird natürlich auch in den anderen Teilgebieten der Theoretischen Physik verwendet, aber die Struktur der klassischen Mechanik ist am besten geeignet, dies zu trainieren.

      Im Laufe der Zeit hat es sich herausgestellt, dass die Gesetze der klassischen Mechanik ihre Gültigkeit verlieren, wenn Objekte beschrieben werden sollen, die sich mit nahezu Lichtgeschwindigkeit bewegen. Dann müssen die Gesetze der relativistischen Mechanik herangezogen werden.

      Auf eine andere Gültigkeitsgrenze der Mechanik stößt man, wenn versucht wird, sehr kleine Teilchen, z. B. Elektronen oder Atome zu beschreiben. Für solche Probleme wird erst durch die Quantenmechanik eine adäquate Beschreibung geliefert.

      Lässt man einen Körper, z. B. einen Stein frei fallen, so ist bekannt, dass er nach der Zeit t einen gewissen Weg

      Tatsächlich erweist sich aber der Schwerpunkt S des Körpers als die richtige Wahl. Wenn wir uns auf die Bewegung des Schwerpunkts konzentrieren, dann können wir von der räumlichen Ausdehnung des Körpers völlig absehen und so tun, als hätten wir einen punktförmigen Körper vorliegen, dessen Masse im Schwerpunkt vereinigt ist. Der Konjunktiv in diesem Satz bringt zum Ausdruck, dass wir den realen Körper durch ein Modell beschreiben. Dieses Modell nennt man in der Mechanik einen Massenpunkt.

      Das klassische Beispiel für die Benutzung des Massenpunktmodells ist die Beschreibung der Planetenbewegung. Wir wissen natürlich, dass die Erde zu unserem Glück kein Massenpunkt ist, sondern einen Radius von rund 6000 km hat. Aber verglichen mit dem Radius der Umlaufbahn der Erde um die Sonne von rund 150 Millionen km ist dies ungefähr 0,004 %. Somit erscheint es durchaus gerechtfertigt, die Erde bei dieser Bewegung wenigstens näherungsweise als Massenpunkt zu betrachten.

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