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des Erfinders wäre es, einen Adventskranz mit viel mehr Kerzen zu bestücken – jeder Tag im Advent sollte durch eine eigene symbolisiert werden. Der evangelische Theologe Johann Hinrich Wichern, Leiter des Rauhen Hauses, eines Heims für Straßenkinder in Hamburg, hatte im Jahr 1839 24 Kerzen auf einem großen Wagenrad mit einem Durchmesser von zwei Metern befestigt: 20 kleine rote für die Wochentage und vier große weiße, die die Adventssonntage symbolisieren. Wichern wollte seinen Schützlingen auf diese Weise verdeutlichen, wie lange sie noch bis Weihnachten warten mussten. An jedem Tag zündete er eine weitere Kerze an. Jahre später soll er den Kranz zusätzlich mit grünen Tannenzweigen dekoriert haben: ein Symbol dafür, dass das Leben auch im dunklen Winter weitergeht.

      Gemeindehäuser und Schulen in protestantischen Städten Norddeutschlands taten es Wichern gleich und hängten ebenfalls Lichterkränze auf. Mit den Jahren wollten immer mehr Menschen einen Kranz auch in den eigenen vier Wänden haben. Weil jedoch kaum jemand Platz für ein Wagenrad mit 24 Kerzen in der eigenen Stube hatte, schrumpfte die Größe des Kranzes – und mit ihm die Anzahl der Kerzen, bis es nur noch vier waren, die die Adventssonntage darstellen. Die Katholiken waren vergleichsweise spät dran, den Brauch nachzuahmen: Erstmals soll 1925 ein Kranz in einer katholischen Kirche in Köln aufgehängt worden sein, 1930 in München. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Kränze in allen Haushalten üblich.

      Obwohl viele Menschen glauben, dass die Kerzenfarbe traditionell rot ist, und obwohl inzwischen sowieso jeder seinen Kranz nach Belieben dekoriert, gibt es liturgisch relevante Farben, die einem konservativ gestalteten Adventskranz gut zu Gesicht stünden. Katholische Pfarrer etwa tragen zu bestimmten Zeiten im Kirchenjahr Priesterkleidung in vorgegebenen Farben, die feste Bedeutungen haben. Wer, wie es früher üblich war, auch bei der Adventsdekoration mit den Farben der Liturgie geht, entzündet auf dem Adventskranz drei violette und eine rosafarbene Kerze. Violett ist die Farbe der Buße. Priester tragen sie im Advent, an dem früher, wie berichtet, gefastet wurde; analog dazu sind drei Kerzen am traditionellen Kranz ebenfalls violett. Die rosafarbene Kerze kommt am dritten Advent ins Spiel: dann, wenn das liturgische Priestergewand rosa sein kann, um die Vorfreude auf das Fest zu demonstrieren. Der sogenannte Gaudete-Sonntag (lat. »Freut euch!«-Sonntag) unterbricht den Ernst des Advents als Fastenzeit.

      Auch im protestantischen Norwegen werden die Kerzen in der Regel nach der liturgischen Farbe gewählt – hier sind es vier violette. In Schweden hingegen wird zuerst eine weiße Kerze entzündet, der violette folgen. Im katholischen Teil Irlands, wo Adventskränze in der Regel nur in Kirchen zu bewundern sind, kommen zu den drei violetten Kerzen eine rosafarbene sowie eine weiße dazu. Diese weiße, fünfte Kerze steht in der Mitte des Adventskranzes und darf erst Heiligabend leuchten.

       DER TEUERSTE ADVENTSKRANZ DEUTSCHLANDS

      Der ehemalige Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst wollte schön wohnen – ein bisschen zu schön, wie die meisten finden dürften: Satte 31 Millionen Euro kostete der Bau seines Amtssitzes, geplant waren hierfür ursprünglich 5,5 Millionen Euro. Sonderwünsche ließen die Ausgaben des Geistlichen in die Höhe schnellen. Ein diesbezüglicher Aufreger war der Adventskranz für die Kapelle: Weil Tebartz-van Elst statt eines auf einem geschmiedeten Ständer stehenden einen hängenden Adventskranz haben wollte, musste das soeben fertiggestellte Dach nochmals aufgesägt werden. Nur so konnte ein Seilzug angebracht werden. Statt 10.000 Euro wurden damit 100.000 Euro fällig. Des Bischofs Eskapaden blieben nicht folgenlos: Im Oktober 2013 suspendierte Papst Franziskus Tebartz-van Elst vom Amt.

      Auch die Reihenfolge, in der die Kerzen brennen sollen, ist festgelegt: Es sollen am Adventskranz immer nebeneinanderliegende Kerzen entzündet werden, gegen den Uhrzeigersinn. Wer am zweiten Advent Kerzen entfacht, die einander gegenüberliegen, spielt mit dem Feuer.

      Diese Traditionen geraten jedoch in Vergessenheit. Es gibt kaum mehr Kränze in Violett und Rosa, und auch die Farbe Rot ist rückläufig. Adventskränze entwickelten sich in den vergangenen Jahren vielmehr zu fantasievoll geschmückten Gestecken, bei denen die Kerzen auch mal in den Farben des Regenbogens oder passend zum Wohnzimmerteppich gestaltet sind. Zusätzlich zu den Kerzen gibt es immer experimentellere Deko auf den Kränzen: kleine Weihnachtskugeln, Kunstschnee, Figuren, Erdnüsse, Perlen und Beeren zieren die Adventskränze, die in der Tradition von Wicherns Wagenrad stehen. Ob sie per Hand gebunden werden, wie bei Hollerbachs, oder ob sie für mehr oder weniger Geld im Supermarkt oder beim Floristen gekauft werden – das entscheidet jeder selbst.

      4

       MIT VOLLEN TASCHEN RICHTUNG TANNE

       EIN SACK VOLLER WEIHNACHTSGELD?

      Als Jürgen abends nach Hause kommt und das Wohnzimmer betritt, ist ihm die schlechte Laune ins Gesicht geschrieben. Annette erschrickt.

      »Was ist los?«, fragt sie.

      Jürgen antwortet mit einer Gegenfrage. »Hast du schon mal aufs Konto geschaut?«

      »Klar«, sagt Annette. »Dein Gehalt ist da. Prima, oder?«

      »Ich bin davon ausgegangen, dass ich auch in der neuen Firma Weihnachtsgeld kriege«, sagt Jürgen. »Das bisschen Geld extra – das hätten wir jetzt gut brauchen können …«

      »Aber wieso bist du davon ausgegangen?«, fragt Annette. »Steht doch nichts im Vertrag davon. Dafür verdienst du doch jetzt jeden Monat mehr als zuvor …«

      »Bin ich einfach«, sagt Jürgen. »Die Firma steht bestens da, Weihnachtsgeld ist in der Branche absolut üblich. Als ich heute die Abrechnung gekriegt habe, bin ich gleich zum Chef gestiefelt. Ob er da nicht was vergessen hätte bei der Abrechnung, hab ich ihn gefragt.«

      »Ehrlich, ich hab das überhaupt nicht erwartet«, sagt Annette.

      »Annette, es war so peinlich. ›Nein, das ist kein Fehler, Herr Hollerbach. Tut mir leid, diese Tradition verfolgen wir nicht in der Firma‹, hat er nur gesagt. Als ich es Norbert von der IT erzählt habe, weil ich wissen wollte, ob er Weihnachtsgeld bekommen hat, hat er nur gelacht. ›Ne, ne, Spendierhosen hat der Chef nicht an. Er ist ja nicht der Weihnachtsmann.‹« Norbert aber sei nicht im Unreinen damit: Sie werden auch jeden Monat übertariflich bezahlt, habe er gesagt. Das gleiche sich schon aus.

      Gurian schaltet sich ein. »Falls es dich tröstet: In der Zukunft kriegt kein einziger Mensch Weihnachtsgeld«, sagt er. »Da ist immer besser dran, wer ein höheres Monatsgehalt hat.«

      Jürgen ärgert sich dennoch. Er hat sich blamiert und nach etwas gefragt, was ihm qua Vertrag nicht zusteht. Er hätte spätestens im Vorstellungsgespräch danach fragen und nicht naiv hoffen sollen, dass ihn der Chef in Form des Weihnachtsmanns aufsucht und einen Sack voller Geld auf seinem Schreibtisch entleert. Er war blind davon ausgegangen, dass er es schon kriegt, wie zuvor in der alten Firma, wie allgemein in der Branche. Wie unprofessionell von ihm. Und enttäuscht ist er auch. Dieser Bonus hatte ihm jedes Jahr Freude bereitet. In der vorherigen Firma hatte er die Überweisung immer zum Anlass genommen, sich zeitnah mit Annette zusammenzusetzen und den Urlaub fürs nächste Jahr zu buchen. Na, das werden sie dennoch machen.

       O du Peinliche

      Umfragen der vergangenen Jahre zufolge kriegt gut die Hälfte der Angestellten in Deutschland Weihnachtsgeld. Ob im konkreten Fall die Reinigungskraft, der Bankangestellte, der Marketingleiter oder Jürgen einen Anspruch darauf haben – das hängt von vertraglichen oder tariflichen Regelungen oder der Spendierlaune der jeweiligen Chefs ab.

      Grundsätzlich dürfen sich all jene Angestellten auf die betriebliche Bescherung freuen, für die ein Tarifvertrag, eine Betriebsvereinbarung oder ein Arbeitsvertrag mit der Klausel gilt, dass es Weihnachtsgeld gibt. Wie hoch dieses ausfällt, dürfte dort ebenfalls festgelegt sein. Meist handelt es sich beim weihnachtlichen Geschenkesegen um einen festen Prozentsatz des Monatseinkommens. Beschäftigte im Bankgewerbe, in der Chemie-, Druck-, Süßwaren- und Textilindustrie

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