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Der Dreißigjährige Krieg. Ricarda Huch
Читать онлайн.Название Der Dreißigjährige Krieg
Год выпуска 0
isbn 9783962818555
Автор произведения Ricarda Huch
Жанр Документальная литература
Серия Sachbücher bei Null Papier
Издательство Bookwire
Das Blut stieg der jungen Frau ins Gesicht. Nicht so viel sei ihr gereicht worden, wie sich zum Nadelgeld für eine unvermählte Prinzessin schicke. Was sie denn ausgegeben hätte? Gewänder und Kleinodien hätte sie mitgebracht, hier nichts dergleichen erhalten. Ob es ihr etwa verboten sein solle, bei ihrem täglichen Gang in die Messe Almosen auszuteilen? Oder ob ihnen das Brett- und Kartenspiel als ihre einzige Unterhaltung zu missgönnen sei? Es gebe Untertanen des Herzogs, die prächtiger als sie und ihr Herr aufzögen, ausreisten, so oft und wohin es ihnen beliebte, und Gnaden verteilten wie regierende Fürsten. Dabei lenkte sie das zornige Feuer ihrer dunkelblauen Augen gerade auf ihn.
»Ich genieße«, sagte Schenkern mit dreistem Lächeln, »was meine Ämter mir einbringen. Einem jeden das Seine. Ihre Gnaden müssen mit Ihrem Einkommen haushalten und sich in die Stellung Ihres Gemahls fügen lernen, die bescheidener ist als die hochfahrenden Mienen und Worte Eurer Gnaden. Denn bis jetzt ist der junge Herr nur der erste Untertan unseres regierenden Herzogs.«
»Der Rat, den Ihr mir gebt, ist gut für Euch«, rief Jakobe aufbrausend. »Wir werden sehen, wer sich eher in die Stellung bücken muss, die ihm zukommt, Ihr oder ich.«
Einstweilen freilich musste Jakobe das kärgliche Leben fristen, das ihr vorgeschrieben war, womit es eher schlimmer als besser wurde, umso mehr, als sie nach Verlauf einiger Jahre noch immer nicht schwanger geworden war. Die Sucht, sich hervorzutun, zu der sie Jan Wilhelm angespornt hatte, ließ gänzlich bei ihm nach und wich trüben Gedanken, wie dass Gott ihn mit Kinderlosigkeit für seine Sünden strafe, als welche er vorzüglich ansah, dass er seinem Vater getrotzt und dass er Elend über seine Untertanen gebracht habe. Es waren nämlich in die Stadt Wesel, die er zur Einführung eines katholischen Pfarrers hatte zwingen wollen, spanische Truppen eingelegt worden, die sich wegen des Krieges mit den niederländischen Staaten an der Grenze befanden, und er hatte eine Bittschrift der Stadt gelesen, in der sie über ihre Bedrängung Klage führte. Ein Satz, der darin vorkam, nämlich: ›Schreit es nicht zum Himmel, dass schutzlose Witwen und Waisen, die keines anderen Verbrechens schuldig sind, als dass sie in ihrem Glauben verharren wollen, von einer fremden, grausamen Soldateska unausstehliche Marter und Qual Leibes und der Seele erdulden müssen?‹, hatte sich ihm so eingeprägt, dass er durch nichts anderes zu verdrängen war. Weder Schelten noch Schmeicheln, wodurch Jakobe ihn wechselweise umzustimmen suchte, noch die sonst beliebte Zerstreuung des Brett- oder Ballspiels verfingen; ja, eines Tages kam es so weit, dass der Prinz sich aufzustehen weigerte, weil ihm die Lust am Leben vergangen sei.
Um diese Zeit starb Dietrich von Horst, der Jan Wilhelm erzogen hatte und dem er, obwohl er von ihm mit Strenge behandelt worden war, so zärtlich anhing, dass man sich nicht getraute, seine Schwermut durch die Todesbotschaft zu vermehren. Die Ärzte des alten Herzogs, unter denen ein sechzigjähriger Mann, der Doktor Solenander, das meiste Ansehen hatte, erteilten den Rat, den Kranken durch eine Reise zu entfernen; währenddessen könne der von Horst bestattet werden, und zugleich würden die neuen Eindrücke den jungen Herzog auf andere Gedanken bringen.
Jakoben, die ihren Gemahl begleiten wollte, riet Solenander freundlich davon ab; er ehre und verstehe ihre Liebe und Treue, urteile jedoch als Arzt, dass eine vollständige Veränderung der Umgebung dem Kranken am dienlichsten sei, besonders auch, weil es nicht anders sein könne, als dass die Nähe seiner jungen und schönen Frau ihn zu allerhand Zärtlichkeiten ehelicher Liebe reize, wodurch er seine Kraft erschöpfe, und das müsse eben jetzt am allermeisten vermieden werden. Trotz ihres Vorurteils gegen den Arzt, der kalvinisch war, flößte sein redliches und würdiges Wesen ihr Vertrauen ein, sodass sie ihm mit kindlich huldvollem Lächeln erwiderte, sie wolle sich seinen Anordnungen fügen. Freilich war es ihr aufs bitterste zuwider, dass es Schenkern war, dem ihr Mann anvertraut wurde und der ihn wie einen Gefangenen mit sich führte; allein sie tröstete sich damit, dass Jan Wilhelm in einem leidlichen Zustande wiederkommen und dass sie zunächst einmal von dem Druck seiner seltsamen Melancholie frei sein werde.
So recht von Herzen frei und fröhlich, ob man das in dem weitläufigen Schlosse von Düsseldorf sein könne, daran zweifelte sie zwar. Oftmals stand sie vor dem Bilde der verstorbenen Herzogin Maria, der Mutter ihres Mannes, die, wie man ihr erzählt hatte, jahrelang voll irrer und trübseliger Gedanken, fast abwesenden Geistes gewesen war. Nicht ohne Grauen betrachtete sie die schmale, in sich zusammengekrochene Gestalt, die von dem scharlachfarbenen Brokatkleid erdrückt schien, das spukhaft bleiche, angstvolle Gesicht unter den gelblich-roten Haaren und die dünnfingrigen Hände, die sich wächsern um ein Andachtsbuch bogen. Auch ihr gefiel es, Schwiegertochter einer Tochter des hochseligen Kaisers Ferdinand I. und Tante des regierenden Kaisers Rudolf zu sein; trotzdem machte es sie ein wenig lachen, dass man sich hier auf diese missratene Person so viel zugute tat. Wie ein Gespenst vor der Morgenröte musste dies Jammerbild vor ihrer Kraft und Schönheit erlöschen! Verse aus einem Gedicht fielen ihr ein, das Graf Philipp von Manderscheid einst für sie gemacht hatte, ihr Geliebter, den ihre Heirat in Raserei und selbstmörderischen Tod getrieben hatte, und die lauteten: ›Königin Sonne, du leuchtest so! Ich und der Sommer, wir brennen lichterloh!‹
Ein tiefer Unmut stieg in ihr auf: während die Welt überall voll Lust und Prangen war, musste sie in diesem Schlosse eingesperrt sein, dessen Luft Gott weiß woher von verderblichen Übeln voll zu sein schien. Kaum war sie der düsteren Gesellschaft ihres Mannes ledig, so kam der alte Herzog und klagte sich unter Weinen und Seufzen an, er habe den einzigen Sohn, der ihm übriggeblieben sei, zur Verzweiflung getrieben, indem er ihn nicht zur Regierung habe zulassen wollen; das habe ihn mit argwöhnischen und widerwärtigen Gedanken erfüllt; er sei ein harter, ungerechter Vater gewesen, zur Strafe werde nun sein Haus aussterben und Unglück über sein Land kommen. Jakobe dachte bei sich, dass dem Alten recht geschehe; aber lange mochte sie ihn doch nicht weinen sehen und beschwichtigte ihn mit mitleidigen Worten und ausgelassenen Neckereien, sodass er sie zuletzt aus seinem Jammer kläglich anlachen musste. Er und Sibylle schrieben lange Briefe an Jan Wilhelm, er solle sich nur lustig machen, daheim gehe alles gut und nach Wunsch; denn Doktor Solenander hatte ihnen gesagt, es sei wichtig, dass der Kranke heitere Eindrücke erhalte.
Drei Tage später jedoch wurde der Reisende von Schenkern zurückgebracht, der erklärte, nach einer anfänglichen Besserung