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ein­mal zu. Der Kai­ser habe ihm doch auch Huld und Ver­trau­en er­wie­sen, und er habe Ur­sa­che, ihm dank­bar zu sein. Was näm­lich in Prag für Kep­ler un­schätz­ba­ren Wert hat­te, wa­ren die Beo­b­ach­tun­gen, die Ty­cho de Bra­he in lan­gen Jah­ren über die Bahn des Pla­ne­ten Mars an­ge­stellt hat­te und die er zum Aus­bau sei­nes Sys­tems ge­brauch­te. Als nun nach dem Tode des Ty­cho sei­ne Er­ben die­se Pa­pie­re nebst dem gan­zen Nach­lass für sich be­an­spruch­ten und dem Kep­ler nicht zur Ein­sicht las­sen woll­ten, ent­schied der Kai­ser zu sei­nen Guns­ten, da­mit er sein Werk vollen­den kön­ne.

      Im Schlos­se an­ge­langt, er­zähl­te Kep­ler, in der Mei­nung, der Kai­ser wol­le über den Fort­schritt sei­ner Ar­beit un­ter­rich­tet sein, es gehe rüs­tig vor­wärts, und im Lau­fe ei­nes Jah­res kön­ne er et­was Neu­es, der Auf­merk­sam­keit Wür­di­ges im Druck er­schei­nen las­sen. Durch die Be­rech­nun­gen des Ty­cho sei er in­stand ge­setzt, den er­ha­be­nen Traum des Ko­per­ni­kus auf die fes­ten Säu­len der Wirk­lich­keit zu grün­den, und er zweifle nicht, dass die­se Ent­de­ckung den Ruhm des Kai­sers ver­meh­ren wer­de, des­sen Groß­mut ihm zum Be­sitz der dazu not­wen­di­gen Hilfs­mit­tel ver­hol­fen habe.

      Der Kai­ser hör­te freund­lich und ein we­nig zer­streut zu; ob der neue Ka­len­der noch nicht fer­tig sei? frag­te er. Nein, ant­wor­te­te Kep­ler, es ste­he noch et­was aus, er sei all­zu sehr in sei­ne große Ar­beit ver­tieft ge­we­sen, hät­te auch einen neu­en Stern am Him­mel be­ob­ach­tet, was ihm viel Zeit und Ge­dan­ken ge­nom­men hät­te.

      Ein neu­er Stern? frag­te der Kai­ser; was das zu be­deu­ten habe. Ob es ein Ko­met sei. Nein, sag­te Kep­ler, ein Ko­met sei auch sicht­bar, aber die­ser Stern gebe ihm mehr zu den­ken. Ob er ihn se­hen wol­le? Er kön­ne ihn von der Ga­le­rie des Bel­ve­de­re aus be­ob­ach­ten. Die Die­ner­schaft und die üb­ri­gen An­we­sen­den wa­ren er­staunt, als der Kai­ser sei­ne Ge­neigt­heit er­klär­te, und vollends er­schro­cken, als er ihre Beglei­tung aus­schlug. Der Kep­ler sol­le ihn füh­ren, sag­te er, in­dem er die­sen fra­gend an­sah, wor­auf der la­chend ant­wor­te­te, das ge­traue er sich wohl, und se­hen müs­se der Kai­ser oh­ne­hin mit sei­nen ei­ge­nen Au­gen. Es kön­ne der Ma­je­stät doch et­was zu­sto­ßen, sag­te der neue Ofen­hei­zer Rhuts­ky ängst­lich, we­nigs­tens müs­se mit Wind­lich­tern ge­leuch­tet wer­den, und un­ten vor der Ga­le­rie müs­se je­mand war­ten, für den Fall, dass der Kai­ser et­was be­nö­ti­ge. Nach­dem al­les an­ge­ord­net war, er­griff der Kai­ser Kep­lers Arm und ließ sich von ihm durch den Schloss­gar­ten am sin­gen­den Brun­nen vor­über zum Bel­ve­de­re füh­ren. Vor dem jä­hen An­blick der himm­li­schen Unend­lich­keit schloss der Kai­ser die Au­gen und hieß Kep­ler durch einen Wink mit der Hand einen Ses­sel dicht an die Mau­er rücken, denn er litt an Schwin­del. Den Pelz, den man ihm um­ge­hängt hat­te, dicht um sich zie­hend, ob­wohl es eine laue Früh­lings­nacht war, setz­te er sich und blieb eine Wei­le so, ohne sich zu rüh­ren. Nach­dem er sich er­holt hat­te, wies ihm Kep­ler erst den Ko­me­ten, der als ein schwa­cher, et­was ver­schwom­me­ner Schein aus dem blass­blau­en Him­mel auf­tauch­te, und dann den neu­en Stern, der sich im Stern­bild der Lei­er zeig­te. Wenn er recht auf­mer­ke, sag­te er zum Kai­ser, wer­de er se­hen, dass die­ser Stern an­ders als die an­de­ren, wie eine stark bren­nen­de Fa­ckel aus­se­he und dass zu­wei­len ru­bin­ro­te Zun­gen dar­in auf­flamm­ten, als ob in ei­nem Hochofen ge­wis­se Stof­fe zer­schmol­zen wür­den. Er hal­te da­für, dass es mit die­sem Stern sei­ne be­son­de­re Be­wandt­nis habe.

      Was er da­mit an­deu­ten wol­le? frag­te der Kai­ser auf­merk­sam, er sol­le es un­ge­scheut her­aus­sa­gen.

      »Wie«, sag­te Kep­ler, »wenn es gar kein Stern wäre, son­dern eine Welt, die jen­seits der uns sicht­ba­ren Son­nen­wel­ten läge und die, durch in­ne­res Ge­setz oder un­er­forsch­li­che Re­vo­lu­tio­nen er­schüt­tert, un­ter­ge­hend durch un­se­ren Raum stürz­te? Dann frei­lich müss­te sie, wie sie aus ih­rer, un­se­ren ar­men Werk­zeu­gen un­zu­gäng­li­chen Ent­le­gen­heit her­aus­brach, auch wie­der ver­schwin­den.« Ein neu­er Stern müs­se einen neu­en Kai­ser be­deu­ten, sag­te der Kai­ser, so viel ver­ste­he er auch von der Stern­kunst.

      Ach nein, sag­te Kep­ler gut­mü­tig, in­dem er sich über den Lehn­stuhl des Kai­sers beug­te, das sol­le er sich doch aus dem Sinn schla­gen. Der Wel­ten­sturz, der jetzt dort er­schei­ne, sei vor un­mess­ba­rer Zeit ge­sche­hen, als die rö­mi­schen Kai­ser deut­scher Na­ti­on noch gar nicht vor­han­den ge­we­sen.

      Aber um­sonst kön­ne er doch nicht er­schei­nen, be­harr­te der Kai­ser, und auch nichts Ge­rin­ges zu be­deu­ten ha­ben.

      Kep­ler zuck­te ein we­nig un­ge­dul­dig die Schul­tern und sag­te nach ei­ner Wei­le: »Wenn es so wäre, dass wir, die ir­di­sche Luft ver­las­send, im Äther at­men und in den Wel­traum hin­ein­schif­fen könn­ten, dann wür­den wir Jahr­hun­der­te rei­sen, bis wir etwa in die Nähe je­ner Welt kämen. Wenn un­ser Herz dann von dem Don­ner der um­rol­len­den Son­nen und dem An­blick der ent­blö­ßten All­macht Got­tes noch nicht ge­bro­chen wäre, wür­den wir viel­leicht se­hen, wie ein aus den Weltentrüm­mern ver­jüng­ter Ball durch den ko­chen­den Ozean roll­te. Schei­ter­te dann un­ser Schiff in der feu­ri­gen Bran­dung, wer frü­ge da­nach? Was könn­ten wir den Erst­lin­gen Got­tes gel­ten?«

      Der Kai­ser wen­de­te sich mit miss­traui­schem Blick nach Kep­ler um. Er sei ein Ket­zer, sag­te er; ob er etwa nicht glau­be, dass Gott, der die Men­schen er­schaf­fen habe, ih­ren Lauf und die Stun­de ih­res To­des wis­se? Ob er nicht glau­be, dass Gott sie durch Zei­chen war­nen kön­ne?

      »Al­les, was ge­schieht, ge­schieht in Gott«, sag­te Kep­ler eif­rig, »und also ist Gott all­wis­send.« Es möch­te auch wohl sein, fuhr er fort, dass, da alle Tei­le der Welt in Gott zu­sam­men­hin­gen, der eine Teil sich im an­de­ren spie­gle. Aber so im ein­zel­nen kön­ne man dem nicht nach­ge­hen. Es könn­ten auch Kai­ser auf an­de­ren Ster­nen re­gie­ren, um die sich Gott be­küm­mern müss­te, man könn­te da leicht et­was auf den un­rech­ten Ort be­zie­hen. Wol­le der Kai­ser aber durch­aus eine Aus­le­gung von ihm ha­ben, so wol­le er ihn mah­nen, nach Un­garn zu bli­cken, weil der Stern dort hin­über auf­ge­gan­gen sei.

      So gehe es doch auf den Matt­hi­as, mur­mel­te der Kai­ser, in sich hin­ein schau­dernd.

      Das habe er nicht ge­meint, sag­te Kep­ler, mit­lei­dig in das fah­le, jam­mer­vol­le Ge­sicht des Kai­sers bli­ckend. Die Un­garn sei­en re­bel­lisch, das sei all­be­kannt, aber es feh­le ihm ja nicht an treu­en Un­ter­ta­nen. Er wol­le den Kai­ser nun aber wie­der hin­un­ter­füh­ren, die nächt­li­che Küh­le kön­ne ihm scha­den, und der Ko­met sei oh­ne­hin schon un­ter­ge­gan­gen.

      Folg­sam stand Ru­dolf auf, lehn­te sich auf Kep­lers Arm und wand­te sich der Trep­pe zu, ohne noch einen Blick in den Him­mel zu wer­fen, der von un­zähl­ba­ren aus sei­ner Uner­mess­lich­keit quel­len­den Kei­men zit­ter­te.

      Trotz sei­ner Mü­dig­keit konn­te der Kai­ser nicht schla­fen. Von Matt­hi­as, stöhn­te er, von Matt­hi­as dro­he ihm Ge­fahr, er sei des To­des, nie­mand kön­ne ihn ret­ten. Phil­ipp Lang such­te ihn zu be­ru­hi­gen: hier in der Burg sei er si­cher, alle Zu­gän­ge sei­en von zu­ver­läs­si­gen Leu­ten be­setzt, zu ihm kön­ne man nur über sei­ne, Langs, Schwel­le. »Du ver­stehst mich nicht«, sag­te der Kai­ser, der auf­recht im Bet­te saß; »ich füh­le, als boh­re sich ein glü­hen­der Na­gel in mei­nen Kopf und

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