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Gefallen tust. Du solltest seine Freizeit respektieren, schließlich arbeitet er für drei.«

      Damit hatte Mortimer nicht unrecht, deshalb ließ Adelaie das Thema ruhen. Ihre Zweifel blieben.

      Der Wechsel auf ein langsameres Laufband machte Marcel Boulmeester schon deutliche Schwierigkeiten. Seit die Laborantin ihn wegen seines Verhaltens angesprochen hatte, fühlte er eine unerklärliche Unruhe. Er versuchte, sich zu erinnern, was er im Institut gesagt hatte, doch er schaffte es nicht.

      Es ist unmöglich, dass jemand den Verlust der einen Brutzelle bemerkt hat. Der Gedanke war urplötzlich da, und ein seltsamer Schwindel erfasste Boulmeester. Er taumelte, auf seiner Stirn perlte kalter Schweiß.

      Er war nie richtig krank gewesen. Als er jetzt unter sein Hemd fasste, fiel ihm auf, dass sich sein Hals zu kühl anfühlte. Oder waren die Hände zu warm?

      Die Haut ist zu straff, zu fest.

      Er taumelte weiter. Panik ergriff ihn, er drängte sie mühsam zurück.

      »Ich bin krank«, murmelte Boulmeester.

      Sein Blick wurde unstet. Schleier bildeten sich vor seinen Augen, nach einer Weile wurde es schlagartig dunkel um ihn herum.

      Boulmeester wollte schreien. Aber alles blieb still. Er wusste nicht, ob sein Gehör den Dienst versagte oder seine Stimme.

      Gleich darauf fühlte er sich leicht, als ob die Erdschwere verschwunden wäre. Es gab kein Oben oder Unten mehr. Er spürte keinen Schmerz, als er am Boden ankam, sondern nur, dass sich ihm etwas in den Weg stellte.

      Marcel Boulmeester lachte auf. Natürlich, das war die Lösung. Wieso war er nicht sofort auf diesen Gedanken gekommen? Seine Hand tastete in die Jackentasche. Er zog ein kleines Kombiwerkzeug heraus und ritzte sich damit einen Schnitt in die linke Hand, gerade so tief, dass ein Tropfen Blut hervorquoll. Er konnte den Tropfen weder sehen noch spüren, aber er wusste, dass er genau das Richtige tat.

      Der Blutstropfen fiel zu Boden.

      Aktivierung. Boulmeester wusste nicht, woher dieser Gedanke kam, doch gleichzeitig nahm seine Umgebung wieder Gestalt an.

      Schritte kamen näher. Marcel Boulmeester kniete auf dem Boden. Schwankend bemühte er sich, wieder auf die Beine zu kommen.

      Ein Mann und eine Frau standen jetzt neben ihm. Der Mann ergriff ihn unter den Armen und zog ihn hoch. »Fühlst du dich nicht gut?«, fragte er.

      Boulmeester strich seinen Anzug glatt. An seiner linken Hand spürte er einen stechenden Schmerz. Er musste sich gestoßen haben, denn in der Handfläche bemerkte er eine kleine Wunde. »Es ist alles in Ordnung«, versicherte er. »Ich bin nur umgeknickt und unglücklich gestürzt.«

      Die Frau bückte sich und reichte ihm sein Kombiwerkzeug. »Hast du das verloren?«

      »Danke«, murmelte Boulmeester und steckte das kleine Vielzweckgerät ein.

      Er wusste nichts von der submikroskopisch kleinen Maschine, die sich aus dem Blutstropfen herauswand und sich vom lauen Nachtwind davontragen ließ.

      Nicht einmal nach Mitternacht fand Adelaie Bletz Ruhe. Sie ärgerte sich, weil Boulmeester ihre Vorhaltungen über die Widersprüche ignoriert hatte. Mehr als zuvor war sie überzeugt, dass sie sich nicht irrte. Sie rief im Institut an.

      »Wenn du den Chef sprechen willst, das ist kein Problem«, hörte sie. »Er befindet sich seit fünfundvierzig Minuten hier.«

      Wieder ein Widerspruch, überlegte Adelaie. Boulmeester hatte bei der Verabschiedung behauptet, er wolle in seine Wohnung.

      »Danke, nicht nötig«, sagte sie ausweichend und unterbrach die Verbindung.

      Zweifel befielen sie. Sah sie Probleme, wo gar keine waren?

      Sie verließ die Wohnung. Ihr Ziel war das Institut. Auf irgendeine Weise wollte sie Boulmeester aus der Zurückhaltung locken.

      Während Adelaie im zentralen Antigravschacht des Hochhauses abwärtsglitt, kam ihr eine einzelne Brutzelle entgegen. Natürlich hatte Adelaie keine Möglichkeit, das winzige Gebilde von knapp einem zehntausendstel Millimeter Länge überhaupt zu erkennen.

      Die Zelle manövrierte geschickt. Ihre wenigen dünnen Glieder klammerten sich an einer von Adelaies Wimpern fest. Sekunden später drang der Winzling durch das Auge in den Körper ein.

      Damit war der erste Teil des Programms abgeschlossen. Vor der Aktivierung des zweiten Teils würde geraume Zeit vergehen, denn der lange Flug mit einer Vielzahl komplizierter Ortungen und Steuermanöver hatte nahezu alle Energiereserven aufgebraucht.

      Die Cyber-Brutzelle ruhte und sammelte neue Energie.

      Routinemäßig trafen sich Perry Rhodan und Julian Tifflor am frühen Morgen. »Ich gewinne den Eindruck, dass wir uns festgefahren haben«, eröffnete Tifflor. »Obwohl wir wissen, dass es sich bei den Cyber-Brutzellen um eine Art Zwitter handelt, die äußerlich weitgehend Viren ähneln. Im Unterschied zu Viren, die organisches Leben befallen und ihren Wirt mehr oder weniger schnell umbringen, befallen die Brutzellen nur positronische Systeme.«

      »Das ist längst bekannt«, wandte Rhodan ein.

      »Wir können nicht oft genug darüber nachdenken.« Tifflor rieb sich die Schläfen. »Ich erwähnte die Zwitterstellung dieser Maschinenviren. Die Analysen in Boulmeesters Institut haben ergeben, dass diese Biester nicht ausschließlich im technischen Sinn leben. Sie verfügen über einen Lebensnerv, der biologischem Leben gleichzusetzen ist. Damit stehen sie zwischen organischem und anorganischem Leben oder sind sozusagen die kleinsten vorstellbaren Biopositroniken.«

      »Was hat Boulmeester über ihre Programmierung herausgefunden?«

      »Der Kode ähnelt dem genetischen unserer normalen Chromosomen. Trotzdem scheinen wesentliche Unterschiede zu bestehen, denn erst etwa ein Viertel konnte entschlüsselt werden. Das ist zu wenig für klare Aussagen. Ein Ansatzpunkt liegt in den Modalitäten ihrer Vermehrung. Die Sequenz der molekularen Programmierung wurde ausgelesen und genutzt, um einen Gegenkode zu konstruieren, der den Polizeizellen aufgeprägt werden soll.«

      Perry Rhodan ging nachdenklich auf und ab. »Wenn diese gefährlichen Winzlinge einen biologischen Anteil besitzen, liegt es da nicht auf der Hand, dass sie sich eines Lebewesens bemächtigen könnten?«

      »Diese Überlegung stellten die Wissenschaftler ebenfalls an«, sagte Tifflor. »Alle diesbezüglichen Versuche mit Lebewesen verliefen negativ. Cyber-Brutzellen interessieren sich nur für Positroniken.«

      »Was ist mit der neuen Generation der Polizeizellen?«

      »Fortschritte, leider kein zufriedenstellendes Ergebnis. Im Institut wird rund um die Uhr gearbeitet. Die neue Zellgeneration lebt, kann sich aber nicht selbstständig duplizieren. Das an sich wäre nicht weiter schlimm, das Hauptproblem liegt jedoch in der Aktivierung des Mechanismus zur Zersetzung der Cyber-Brutzellen. Diese Aktivierung ist bislang nicht wunschgemäß gelungen. Nur einige wenige Polizeizellen folgen ihrer Aufgabe und durchsuchen Positroniken nach dem Gegner. Lediglich drei Zellen von über zehntausend haben die Brutzellen tatsächlich angegriffen, und von diesen dreien hat nur eine einzige den Kampf überstanden. Boulmeesters Team sucht inzwischen nach der Ursache dieses einen positiven Abschlusses, um die gewünschten Eigenschaften auf alle Polizeizellen zu übertragen. Das soll dann die dritte und hoffentlich letzte Generation werden.«

      »Ich habe ein ungutes Gefühl«, sagte Rhodan. »Wir übersehen etwas. Die Gefahr ist größer, als wir annehmen.«

      »Wir beachten alle Sicherheitsvorschriften«, entgegnete Tifflor.

      »Ich frage mich, ob das ausreicht.«

      Tifflor verzog das Gesicht. »Interessiert dich überhaupt, was unser Findelkind macht? Quiupu hat das Institut besucht. Unsere Beobachtungssonden waren permanent bei ihm. Er hat sich nur für die Brutzellen und unsere Polizisten interessiert.«

      »Quiupu ist zwar rätselhaft, aber hochintelligent«, sagte Rhodan. »Seine Loyalität steht für mich außer

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