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kann nemme!«, brüllte Thomas Heimerdinger den Präsidenten Siegfried Röder an und heulte auf. Es klang wie der Klagelaut eines verletzten Tieres.

      Röder sprach beschwichtigend auf ihn ein.

      Schneider konnte nicht verstehen, was er sagte. Er versuchte, die Entfernung zu dem Spieler und dem Funktionär zu verringern.

      »Zwei Spiele, es sind nur noch zwei Spiele«, raunte Röder. »Die wirst du noch durchhalten.«

      Er packte den jungen Torhüter an den Schultern und schüttelte ihn. Aus Thomas Heimerdinger war jede Körperspannung gewichen, kraftlos hingen seine Arme an der Seite herab, den Kopf hatte er auf die Brust gesenkt.

      »I kann aber nemme«, schluchzte er. »Die Fans, der Trainer, die andere, die hasset mi älle. I halt des nemme aus.«

      Heimerdinger wurde von einem Weinkrampf geschüttelt.

      Schneider wollte sich aufrichten, stieß mit der Stirn an den Außenspiegel eines parkenden Fahrzeugs, was einen dumpfen Laut verursachte.

      Der Präsident und der Torhüter fuhren erschrocken herum und entdeckten den Kommissar. Der rettete die Situation, indem er sich suchend umsah.

      »Können Sie mir sagen, wo die Toiletten sind?«, fragte er. Er versuchte, nicht wie ein beim Lauschen Ertappter zu klingen.

      »Dahinten«, raunte Röder und wies in Richtung der blauen Dixi-Häuschen. Er wandte sich ab, legte dem unglücklichen Heimerdinger den Arm über die Schulter und führte ihn mit sich.

      »Danke. Schönen Abend noch!«, rief Kommissar Schneider hinterher. Er erhielt keine Antwort.

      Schneider sah den beiden nach, bis sie von der Dunkelheit geschluckt wurden. Der Motor eines Wagens wurde gestartet, zwei Lichtpunkte leuchteten kurz auf, drehten dann ab.

      »Würde mich wirklich interessieren, was den Heimerdinger so mitgenommen hat«, murmelte der Kommissar.

      Diese Frage sollte ihn die ganze Nacht beschäftigen.

      Und natürlich das Rätsel, wieso Christine ohne ihn nach Hause gegangen war.

      9

      An der Tür läutete jemand Sturm und ließ ein energisches Klopfen folgen.

      Greta Gerber schreckte aus dem Tiefschlaf und sah auf die elektronische Anzeige ihres Digitalweckers.

      5.15 Uhr.

      Wer sich erdreistete, sie so rabiat um diese Zeit zu wecken, der konnte sich warm anziehen. Es sei denn, er hatte einen guten Grund dafür.

      »Frau Gerber, sen Sie drhoim?«, polterte eine laute Männerstimme vor der Tür. Es dauerte nur wenige Zehntelsekunden, dann wusste Greta, wem sie gehörte. Sie warf sich ihren Morgenmantel über, schlurfte zur Tür und öffnete. Das Licht im Flur blendete, sie blinzelte dagegen an.

      »Herr Pfarrer. Hab ich eine Chorprobe verpasst?«

      Andreas Goettle hatte rote Flecken im Gesicht und schien sehr aufgeregt zu sein. Er schob sich an der Hauptkommissarin vorbei in den Flur ihrer Wohnung und wedelte mit einer Ausgabe des »Schwäbischen Tagblatts«.

      »Wollen Sie nicht reinkommen?«, schickte Greta ihm hinterher und schlich ihm gähnend nach.

      »Den Typa, den ihr am Badesee g’fonda hen, den kenn i«, purzelte es aus Pfarrer Goettle heraus, während er mit der flachen Hand auf die Zeitung schlug. Greta versuchte, zwischen dem Gesagten und der Geste einen Zusammenhang herzustellen. Nur langsam dämmerte es ihr, dass in der Morgenausgabe das rekonstruierte Foto des Toten erschienen war.

      »I hab a bissle braucht. Den Bart hot der früher net ghet ond seine Hoor waret au andersch. Überhaupt isch der schlanker g’worda. Aber die Narbe onder ’m Aug, die hat dahanna rum bloß oiner.«

      »Dahanna rum«, murmelte Greta und dehnte dabei die Vokale, dass es wie »Daa-Haa-Naa-Ruuum« klang. »Tut mir leid, Herr Pfarrer, ich fürchte, meine Synapse, die für die Schwäbisch-Deutsch-Übersetzungen zuständig ist, schläft noch. Was bedeutet Daaa-Haaa-Naaa-Ruuum?«

      Der Geistliche hob beide Arme gegen den Himmel und verdrehte die Augen: »So lasset uns nicht schlafen wie die andern, sondern lasset uns wachen und nüchtern sein. Erster Thessalonicher, Kapitel fünf, Vers sechs.«

      Greta sah ihn verdutzt an und entlockte Pfarrer Goettle ein schelmisches Grinsen. »Isch ja au egal jetzt. Also auf Hochdeutsch: Der Tote besitzt eine Narbe, die hier in der Gegend nur einer hat. Die hot er sich anscheinend beim Rombuabla, also bei einer Rauferei mit dem Hirlesberger Hannes eig’fanga, hot mir mei Vorgänger verzählt. Mitten in der Heiliga Kommunion hen die ag’fanga, mit ihre Kerza zum fechta. Ond wie die Jonga halt so sen: Der Hannes knallt dem Karlheinz des Deng auf dr Riassel nuff, des hot blutet wie net ganz ganz g’scheit. Mit fümf Stich hat mr die Wunde näha müssa.«

      Goettle machte eine kurze Pause, um seine Worte auf die im Halbschlaf vor sich hindämmernde Hauptkommissarin wirken zu lassen.

      »Okay, und wie heißt unser Narbengesicht?«

      »Karlheinz Kaiser hoißt der. Beziehungsweise hot der g’hoißa, da er ja nemme onder ons weilt. Der war a ganz großes Tier bei der EVB.«

      Nach und nach erreichte Greta die Bedeutung dieser Information. Sie riss die Schublade des Sekretärs auf, suchte hektisch nach einem Blatt Papier und einem Stift. Sie probierte einen Kugelschreiber aus, der natürlich nicht funktionierte.

      »EVB?«, fragte sie, während sie ihre Handtasche auf dem Wohnzimmertisch durchwühlte und einen Kajalstift hervorzog. Sie sah ihn abschätzend an. Besser als nichts.

      »Energieversorgung Biberach. Von denne bekommt halb Oberschwaben Strom. Die Windräder hen Se bestimmt scho g’seha: furchtbar. Ond dem Kaiser hem mr’s au zum verdanka, dass es den FVB nemme gibt.«

      »FVB?«

      »Den Fußballverein Biberach. Mit sei’m Geld hat er dafür g’sorgt, dass der FV und Olympia zum 1. FC g’worda sen.«

      Greta besah sich die Buchstaben, die in bröckeliger Kajalschrift auf dem Papier standen, und verstand rein gar nichts.

      »Jetzt mal langsam zum Mitmeißeln. Wofür hat er gesorgt?«

      Pfarrer Goettle stöhnte und winkte ab. »Des war klar, dass Sie als Badenerin nix vom Fußball verstandet.«

      »Moment mal …«, hob Greta an und wollte gerade ihre Kenntnisse über den SC Freiburg und den Karlsruher SC anbringen. Sie war auch schon mal im Dreisam­stadion gewesen, als Volker Finke noch Trainer war, und was eine Abseitsfalle war, wusste sie auch.

      Goettle legte ihr eine Hand auf den Arm, bevor sie ihr Fachwissen anbringen konnte, und begann, ausführlich die Zusammenhänge zwischen den einstigen und dem jetzigen Fußballverein zu erklären.

      »Okay, jetzt hab ich es. Zwei Fußballvereine gingen in einem auf, um die Kräfte zu bündeln. Und Kaiser hat durch das Sponsoring der EVB und durch das Engagement bei der Sponsorengewinnung die Entwicklung des 1. FC Oberschwaben vorangetrieben.«

      Greta besah die Aufzeichnungen. Aus den Kürzeln der Vereine hatte sich eine simple Formel entwickelt. FV + Olympia = 1. FC.

      Nur: Warum musste Kaiser sterben? Wer brachte einen Menschen um, der einem Verein dabei half, professionelle Strukturen anzunehmen?

      Goettle hatte die Hände vor dem Bauch gefaltet und schien darauf zu warten, dass sie ihren Gedanken zu Ende dachte.

      »Mr munkelt übrigens, dass es auch ein privates Sponsoring war, das er in dr Verei eibrocht hot. Damit hot der sich in die Vereinsspitze eikauft und natürlich wichtige Leute kenneng’lernt«, sagte er nach einer Weile.

      »Wie Privatsponsoring? Woher hatte er denn so viel Geld?«

      »Des woiß mr net so genau. Des müsst mr vielleicht rausfinda. A propos rausfinda. Gibt’s eigentlich a Belohnung für mein Hinweis? I frog net für mi. Aber des Kinderhaus Sonnenschein braucht obedengt

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